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Aus: Ausgabe vom 11.07.2025, Seite 2 / Inland
Militarisierung der Jugend

»Soldat ist eben kein Beruf wie jeder andere«

Bayern: Kellmünz an der Iller plant mit Bundeswehr Ferienprogramm für Kinder und erntet Kritik von der GEW. Ein Gespräch mit Martina Borgendale
Interview: Fabian Linder
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Beim »Tag der Bundeswehr« eingesackt: Die Kinder die Goodies und die Armee womöglich die Kinder (Neubrandenburg, 28.6.2025)

Die GEW und andere kritisieren ein Kinderferienprogramm der Bundeswehr zusammen mit der Gemeinde Kellmünz an der Iller. Was ist da geplant?

Es handelt sich um ein zweitägiges Programm mit Übernachtung. Der Bürgermeister hatte sowohl mir als auch Medien mitgeteilt, dass es dabei eher um Basteln, Sport und Spielen gehen würde. Die Soldaten würden dafür Material mitbringen. In der Vergangenheit seien allerdings auch Panzer besichtigt worden, und das Highlight wäre immer gewesen, dass ein Militärhubschrauber landet. Ähnliches ist diesmal wieder geplant. Zudem spricht der Bürgermeister der Gemeinde dem SWR gegenüber von einem militärischen Bezug.

Was genau kritisieren Sie daran?

Als Bildungsgewerkschaft fordern wir prinzipiell, dass solche Angebote von pädagogischem Fachpersonal gestaltet werden und nicht von der Bundeswehr oder der Polizei. Selbst bei Verbänden und Sportvereinen – um dieses Argument aufzugreifen – besucht das Personal vorher Gruppenleiter- und Übungsleiterkurse, wo es auch um pädagogische Inhalte geht. Nicht nur sind es also die falschen Personen, sondern auch keine kindgerechten Themen, wie mein Kollege, der Sozialpädagoge Oliver Danner, diesbezüglich bereits in einer Mitteilung darlegte. Im schlimmsten Falle kann es zu Angst und Verunsicherung bei den Kindern kommen.

Gibt es hier einen Zusammenhang mit dem Bundeswehrfördergesetz in Bayern?

So wie wir es bisher den Medien entnommen haben, gibt es das Programm in Kellmünz schon seit vielen Jahren. Daher ist davon auszugehen, dass es keinen direkten Zusammenhang gibt. Es bleibt die Frage, ob wir deswegen in Zukunft noch mehr solcher Programme erleben. Noch ist das allerdings reine Spekulation.

Verstößt das Programm gegen geltende Übereinkünfte, etwa wenn es um das Anwerben Minderjähriger geht?

Dass hier angeworben werden soll, würde ich jetzt nicht unterstellen wollen. Was wir allerdings sehen, ist eine Heranführung und Gewöhnung an die Bundeswehr und das ganze Thema. Es hat natürlich einen Effekt auf Kinder und auch Jugendliche, wenn die Bundeswehr in ganz harmloser Weise auftritt – vielleicht auch zu einem ganz anderen Thema. Gerade Kinder in dem Alter sind noch sehr unreflektiert und stark beeinflussbar. Das sollte klar sein.

Es wird also der Beruf anders dargestellt, als er ist?

Soldat ist eben kein Beruf wie jeder andere. Daher kann man das auch nicht, wie der Bürgermeister, mit Verkehrspolizisten in Uniform vergleichen. Die kennen die Kinder aus dem täglichen Leben sogar, im Gegensatz zu dem nicht kindgerechten Umfeld beim Militär. Es sollte also generell darum gehen, über die Bundeswehr präzise zu informieren. Erst letztens sprach an der Pionierschule in Ingolstadt ein Vertreter des Veteranenverbands. Der meinte tatsächlich, es müsse bei der Anwerbung von Soldaten mehr auf die Risiken dieses Berufs wie mögliche seelische und körperliche Verletzungen bis hin zum Tötungsrisiko hingewiesen werden. Darüber hinaus ändert sich für viele Soldatinnen und Soldaten jetzt etwas, die nicht damit gerecht haben, dass sich die Situation in Europa so zuspitzen könnte.

Gibt es hier Möglichkeiten, gegen diese Art der Ferienfreizeit vorzugehen?

Wir haben nicht den Eindruck, dass man rechtlich dagegen vorgehen könnte. Letztlich kann man da nur öffentlichen Druck erzeugen. Allerdings sehen wir leider auch, dass es einen nicht unbedeutenden Teil der Bevölkerung gibt, der das scheinbar ganz okay findet – erschreckenderweise.

Warum fällt die Wahl der Kooperationspartner in Kellmünz gerade auf die Bundeswehr?

Man möchte fast meinen, es gäbe dort niemand anderen, der so etwas anbieten könnte. Der Bürgermeister hatte nun tatsächlich geäußert, man sei froh, dass das die Bundeswehr übernimmt und sei in der kleinen Marktgemeinde um jede Hilfe dankbar. Darüber hinaus muss man sehen, dass das zweitägige Programm mit Übernachtung für zwölf Euro schon sehr günstig ist. Ich selbst bin in Erlangen aufgewachsen, da gab es vom Jugendamt der Stadt sehr günstige Ferienangebote. Ich kann mir aber vorstellen, dass es im ländlichen Raum womöglich anders aussieht.

Martina Borgendale ist Landesvorsitzende Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Bayern

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