»Wir wollen die Mietenkrise für Berlin lösen«
Interview: Max Ongsiek
Die Berliner Landesregierung aus CDU und SPD will Ende des Jahres ein sogenanntes Vergesellschaftungsgesetz in das Abgeordnetenhaus einbringen. Einen Entwurf hat die SPD schon erarbeitet. Details hat SPD-Fraktionschef Raed Saleh am vergangenen Freitag präsentiert. Worauf zielt das Papier letztlich ab?
Wir glauben, dass dieser Entwurf vor allem auf die Profilierung von Saleh und der SPD abzielt. Er und seine Partei werfen in ihrem Entwurf zwei politische Instrumente in einen Topf, die beide überhaupt nichts miteinander zu tun haben: Mietendeckel und Vergesellschaftung als Umsetzung unseres Volksentscheides »Deutsche Wohnen und Co. enteignen«. Mit SPD und CDU wird es aber weder eine Vergesellschaftung von Grund und Boden nach Artikel 15 des Grundgesetzes noch einen Mietendeckel geben.
Wieso nicht?
Berlin hat aktuell – so das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021 – keine Landeskompetenz für die Regulierung von Mietobergrenzen. Auch der Taschenspielertrick über Artikel 15 macht das avisierte Gesetz nicht rechtlich haltbarer.
Die Berliner CDU hat sich außerdem vehement gegen Enteignungen ausgesprochen.
Das stimmt. Aufhorchen lässt auch, dass ungefähr zehn Tage nachdem die Berliner Landesregierung ihre Eckpunkte für ein Vergesellschaftungsrahmengesetz vorstelle, die Sozialdemokraten mit einem eigenen Entwurf nach vorne schießen. Anscheinend ist die Koalitionspartnerin CDU vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Gesetz – eine juristische Geisterfahrt – nach den Mühlen der Koalitionsarbeit wirklich im Parlament kommen wird.
Wie soll dem Senat zufolge die Vergesellschaftung umgesetzt werden?
Gar nicht. Es gibt den Plan der Koalition, ein Vergesellschaftungsrahmengesetz im Dezember einzubringen. In Kraft treten soll dieses unnütze Gesetz erst zwei Jahre später. Bis dahin soll es vom Verfassungsgericht überprüft worden sein. Für uns ist aber unklar, welches Gericht gemeint ist – Land oder Bund – und wer dagegen überhaupt klagen soll. Wir halten es für ausgeschlossen, dass diese Regierung den Volksentscheid umsetzt und wirklich vergesellschaften will. Zusätzlich kommt noch ein vom Senat angekündigtes Gutachten, das Ende des Jahres noch ins Rahmengesetz einfließen soll. Da wird nur Steuergeld verschwendet, um die Verschleppung des Volksentscheids weiter voranzutreiben.
Wir wollen die Mietenkrise für Berlin lösen. Der Senat nicht. Wir setzen auf wirksame Instrumente, der Senat auf Bauen und Scheinlösungen. Die Berliner Landesregierung ist mit all ihren Instrumenten gescheitert. Gebremst hat sie die Mietenkrise kein Stück. Im Gegenteil: In Deutschland sind die Mieten seit 2021 und vor allem auch in Berlin so stark gestiegen wie noch nie. Deswegen streben wir einen Gesetzesvolksentscheid an. So erzwingen wir Vergesellschaftung gemeinsam mit den Berlinern in einem Votum.
Inwieweit unterscheidet sich der Gesetzes- von einem Beschlussvolksentscheid?
Der Beschlussvolksentscheid von 2021 wird erst wirksam, wenn er vom Abgeordnetenhaus umgesetzt wird. Das ist bis heute ausgeblieben. Deswegen schreiben wir derzeit mit Fachleuten an einem eigenen Vergesellschaftungsgesetz. Mit diesem soll die Überführung von privat nützlichem Eigentum in Gemeineigentum ermöglicht werden, so dass dauerhaft günstiges Wohnen möglich ist. Wenn das Gesetz ausgearbeitet ist, melden wir einen Volksentscheid an und lassen über dieses Gesetz abstimmen. Ein Gesetzesvolksentscheid benötigt nämlich keine Umsetzung durch das Abgeordnetenhaus, sondern das vorgelegte Gesetz tritt automatisch in Kraft, wenn der Volksentscheid mit Mehrheit angenommen wird.
Justus Henze ist Sprecher der Berliner Initiative »Deutsche Wohnen und Co. enteignen«
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