Leserbrief zum Artikel Die Linke: Politik der Vereinfachung
vom 08.04.2019:
Großer Vereinfacher
Hallo, Genosse Knut Mellenthin, was ist in dich gefahren, dass Du jetzt unter die großen Vereinfacher geraten bist? Was waren das noch für Zeiten, als Du als »KM«, Mitglied im Leitenden Gremiums (LG) des Kommunistischen Bundes (KB), Hamburg deine sorgfältigen und wirkungsvollen Analysen zu Nah- und Mittelost geschrieben hast und uns allen dazumal ab und zu die Leviten lasest. Ich habe deine Artikel als jemand, der in der 1970er-Lehrlingsbewegung auf dem platten westfälischen Lande politisiert wurde, seit 1974 immer gerne im Arbeiterkampf (AK) gelesen. Aber jetzt dieses flache und zielgerichtet diffamierende Geschreibsel? (...) Zitat: »Die Menschen sind eine wiederkehrende Floskel in Wagenknechts Rhetorik ...« Am Ende deines Artikels schreibst du: »Menschen haben meist Meinungen ...« Auch ›Menschen‹? Andere ›Menschen‹? Überhaupt ›Menschen‹. Aber hier wird der Begriff ja anders benutzt, streng marxistisch, kommt ja auch vom Genossen Mellenthin aus Hamburg, die ganz große, hanseatische Marx-Schule … Dann die – nennt man es ehrenrührig? – üble Unterstellung an Wagenknecht, sie nehme den Rechtsextremismus nicht besonders wahr (ja, als was denn? Als Thema? Als Gefahr? Als Interessengebiet?) Das ist nichts als eine üble kleine, durch keinerlei Argumente im Text belegte Behauptung. (Zitat: »Die Bedeutung des Rechtsextremismus schrumpft bei dieser Betrachtungs- und Darstellungsweise gegen Null. Dass der [gemeint: der Rechtsextremismus – übrigens eine Wortschöpfung aus dem Innenministerium, Bundesamt für Verfassungsschutz, die antifaschistische Linke benutzt üblicherweise den Begriff ›Neofaschismus‹, R. D.] für Wagenknecht kein interessantes Thema ist, kann man an ihren Äußerungen ablesen.«) Die noch aktive Linke, die »Aufstehen« unterstützt, kriegt auch im Vorbeigehen ihr Fett ab. Ihr wird zusätzlich unisono unterstellt, die Zeit der SPD-FDP-Regierung unter Kanzler Willy Brandt als vergleichsweises »Goldenes Zeitalter« wahrgenommen zu haben. Und zwar an der Kritik am Gebrauch des Wortes »wieder« bei SW. Zitat: »Es signalisiert den Wunsch nach Rückkehr in ein vergleichsweise Goldenes Zeitalter, das sie besonders gern mit der Regierungszeit … Willy Brandt(s) identifiziert. Die Politikerin war damals ein Kleinkind … in der DDR. Wer diese wenigen Jahre vermeintlicher Glückseligkeit bewusst erlebt hat, ist heute mindestens 60 Jahre alt. Das passt zu den Fotos von Ansammlungen der ›Aufstehen‹-Aktivisten.« Diese niederträchtige und herabwürdigende Art der Schreibe gegen eine Genossin, die hilfreich ist im Kampf gegen den Kapitalismus und für das Proletariat, hätte ich dir als ehemaligem Vertreter des Schraubenschlüssel-Organs (Arbeiterkampf) im Leben nicht zugetraut. (...)
Veröffentlicht in der jungen Welt am 12.04.2019.