Frieden mit der Natur

Eindrücke vom heutigen Landwirtschaftsaktionstag in Rostock von unserem Bildreporter Christian Ditsch/Version. Einen Schwerpunkt bildete der Protest gegen Gentechnik.
Eindrücke vom heutigen Landwirtschaftsaktionstag in Rostock von unserem Bildreporter Christian Ditsch/Version. Einen Schwerpunkt bildete der Protest gegen Gentechnik.
Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat »Null Toleranz« gegenüber »gewalttätigen G8-Gegnern« gefordert. Es müsse klar sein, daß Gewalt hier keine Chance habe, sagte Merkel am Sonntag nach den Auseinandersetzungen am Rande der Rostocker Großdemonstration gegen den G8-Gipfel bei der ZDF-Sendung »Berlin direkt«.
Sie sei aber froh, »daß die Veranstalter der friedlichen Demonstration sich klar distanziert haben«, fügte Merkel hinzu. »Das Bild, daß von Deutschland in die Welt geht, wird davon abhängen, daß die Bürgerinnen und Bürger in großer Mehrheit sagen: Gewalt ist kein Mittel, seine Ziele durchzusetzen und das muß ganz klar sein.«
(ddp/jW)
Heinz Stehr ist Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)
Welche Eindrücke haben Sie vom Auftakt der G8-Proteste in Rostock mitgenommen?
Die Beteiligung war höher als es meinen Erwartungen entsprach. Die Demonstration hat die unterschiedlichen Spektren der Linken in einer Art widergespiegelt, wie es in letzter Zeit selten bei Demonstrationen der Fall war. Auch die inhaltlichen Aussagen zur Politik der G8 und ihren Folgen waren gut. Was aus meiner Sicht zu kurz kam, waren die Alternativen und Perspektiven der Auseinandersetzung. Natürlich wird jetzt versucht werden, die Aktion mit den Ereignissen am späten Abend zu diskreditieren, die eigentlich außerhalb der Gesamtveranstaltung stattfanden. Dann wird in der Öffentlichkeit kein politisches Bild von dem wiedergegeben, was dort tatsächlich los war: Es war ein weiterer gelungener Auftakt zur Formierung der alternativen Kräfte gegen die neoliberale Politik in der Bundesrepublik. Wesentlich ist, daß in Rostock trotz massiver Antipropaganda durch Politik und Polizei so viele Menschen zusammengekommen sind - vor allem auch junge Leute, und sich nicht von ihrem Protest abbringen ließen. Es wären sonst natürlich noch einige zehntausend mehr gewesen, weil hier in Rostock ein Klima der Hysterie gegen diese Aktivitäten erzeugt wurde, so daß sich viele Leute von ihrem Vorhaben, verabschiedet haben, an den Protestveranstaltungen teilzunehmen.
Was haben Sie von den polizeilichen Maßnahmen mitbekommen?
Als wir zur Abschlußkundgebung am Rostocker Stadthafen kamen, begannen die Maßnahmen bereits am Rande. Die Polizei hat alles versucht, um in den Zug einzudringen und dadurch auch provoziert. Während der Kundgebung störte sie permanent mit Hubschrauberlärm den Ablauf. Mein Eindruck ist, daß die Polizei diese Bilder haben will, um sie auch der Politik entsprechend präsentieren zu können. Man will die Aussage in die Medien bringen, daß es sich nur um Randalierer handelt und nicht um einen wirkungsvollen politischen Protest.
Der Politologe Peter Grottian hat neulich in Berlin gesagt, der G8-Protest dürfe nicht zum »Zaunprotest« verkommen und müsse viel mehr die Verankerung in Betrieben und Hochschulen suchen. Teilen Sie die solidarische Kritik, der Protest sei zu abstrakt geblieben?
Die Leute, die sich aktiv daran beteiligt haben, hatten aus meiner Sicht alle überzeugende Argumente, warum sie das tun. Sie waren auch mit vollem Einsatz dabei - und mit Gedanken über politische Alternativen. Insofern kann ich die Kritik nicht teilen. Ich habe eine ganze Reihe Leute getroffen, die mir aus gewerkschaftlichen, friedenspolitischen und anderen Kämpfen bekannt waren. Die wissen auch, daß dieses Highlight nicht der Endpunkt ist, sondern ein Teil des notwendigen Protestes gegen die neoliberale Weltordnung und die Politik in unserem Land. Es könnte der Beginn eines Organisationsprozesses sein, der sich zum Beispiel in der weiteren Formierung von Sozialforen vor Ort umsetzen wird. Für die Formierung der Gegenkräfte ist der G8-Protest aus meiner Sicht ein wichtiger Meilenstein.
Wegen der Symbolik, Zehntausende an einem Ort zu versammeln, oder mehr wegen der Diskussions- und Kennenlernprozesse im Vorfeld und in der Nachbereitung?
Einmal wegen der Aussagefähigkeit einer Großdemonstration; zum zweiten wegen der Fähigkeit, aus unterschiedlichen Spektren kommend miteinander zu diskutieren und zum dritten natürlich wegen der Fragestellungen. Es geht um Alternativen und um Perspektiven, die natürlich umstritten sind - aber es ist interessant, darüber zu diskutieren und dieser Prozeß hat ja erst begonnen.
Nach Informationen des anwaltlichen Notdienstes kam es während der gestrigen Anti-G8-Demonstration in Rostock zu mindestens 182 Festnahmen. Neun Betroffene sollen dem Haftrichter vorgeführt werden - überwiegend mit dem Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs.
Nach wie vor behindere die BOA Kavala der Polizeidirektion Rostock die Kontaktaufnahme der Anwälte zu den Mandanten. Betroffene seien bis zu neun Stunden in Gefangenensammelstellen (Gesa) festgehalten worden, ohne einen Rechtsbeistand kontaktieren zu dürfen. Obwohl Anwälte Zutritt verlangten, wurden sie entweder abgewiesen oder den Mandanten mitgeteilt, daß keine Anwälte zu erreichen seien.
Seit Samstagabend habe die BAO Kavala »Anwaltsbetreuer« eingesetzt – diese verhinderten jedoch eher den Zugang zu Mandanten, als ihn zu gewähren, kritisiert Rechtsanwältin Silke Studzinsky vom Notdienst des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV).
Bezeichnend für die Situation der Inhaftierten sei darüber hinaus, daß Eilrichter die Entscheidung über die Länge der Ingewahrsamnahmen mit dem Verweis auf nicht vorhandene Akten verwehrten. Nach geltender Rechtsprechung sei aber bei Ingewahrsamnahmen unverzüglich ein richterlicher Entscheid notwendig.
»Beim Umgang mit Ingewahrsamgenommenen werden normale rechtstaatliche Abläufe außer Kraft gesetzt. Das reiht sich nahtlos in das übertriebene und brutale Vorgehen der Polizei am gestrigen Tag ein«, sagte der Europaabgeordnete Tobias Pflüger, nach dessen telefonischer Intervention die besagten Rechte zögerlich gewährt wurden.
Der anwaltliche Notdienst des RAV erklärte, die Verweigerung oder Verzögerung des Kontakts zu einem Rechtsbeistand bedeute einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen.
Das Sternmarsch-Bündnis bereitet derzeit eine Verfassungsbeschwerde
per Eilantrag gegen das Demonstrationsverbot um Heiligendamm vor, die morgen beim
Bundesverfassungsgericht eingehen wird.
Eine von der Polizeibehörde erlassene Allgemeinverfügung für 40 Quadratkilometer rund
um Heiligendamm war zunächst vom Verwaltungsgericht teilweise aufgehoben
worden. Am Donnerstag hatte das Oberverwaltungsgericht Greifswald die
Verfügung wieder in Kraft gesetzt.
Die
Veranstalter bestehen auf auf dem Recht, den Protest zum Ort des
Geschehens zu tragen. "Wir wollen, dass unser Protest in Sicht- und
Hörweite der AdressatInnen stattfindet: den Delegierten der G8!",
kommentiert Susanne Spemberg vom Sternmarsch-Bündnis.
Am Tag danach eint Erschütterung über die gewalttätigen Zwischenfälle während der Rostocker Anti-G-8-Demonstration Behörden und Veranstalter. Das sollte sie nicht.
Wer sich die G8 als Symbolfiguren globaler kapitalistischer Ungerechtigkeit einlädt, lädt sich auch den Protest ein. Mit Razzien, Provokationen und Schikanen wurde über Monate von staatlicher Seite die Stimmung systematisch aufgeheizt. Der Hamburger Wanderkessel gab vor einer Woche einen Vorgeschmack davon, wie eng sich das Demonstrationsrecht auslegen läßt.
Daß nicht die Bilder und Losungen der Zehntausenden friedlich und phantasievoll demonstrierenden Menschen aus vielen Ländern die Schlagzeilen beherrschen, sondern unschöne (Rand-)Szenen des Krawalls, ist kein Zufall, sondern Kalkül. Eine demokratiefreie Zone von Demonstrationsverboten und die gewaltige Drohkulisse Tausender Uniformierter soll »Normalbürger« davon abschrecken, ihre Meinung auf die Straße zu tragen, und wirkt als »Einladungskarte« an diejenigen, die Räuber und Gendarm spielen möchten. Vom Hooliganismus und einer Militanz am falschen Ort distanzieren sich die Demo-Veranstalter zu Recht. Doch wer nun betroffen den Kopf senkt und die Kooperation mit der Polizei lobt, trägt dazu bei, Ursache und Wirkung zu vertauschen. Auch in Rostock gab es eine parallele polizeiliche Großdemo unter dem Motto: Nur diese Welt ist möglich.
Der eigentliche Skandal sind nicht die Entgleisungen einiger in Rostock, sondern ist ein alltäglicher, der dem vielgelobten Rechtsstaat spottet. Während millionenfach das Recht auf Arbeit, kulturelle Teilhabe und soziale Sicherheit verweigert wird, zieht die Repressionsschraube an. Wer in diesem Land gegen Sozialabbau und Krieg, gegen alte und neue Nazis, für eine andere Welt auf die Straße geht, muß sich stets auf die präventive kollektive Ingewahrsamnahme im Spalier einer hochgerüsteten Polizei gefaßt machen.
Oft genug werden nicht nur Bürgerrechte mit Polizeistiefeln getreten. Amnesty International verzeichnet immer wieder Beschwerden über Mißhandlungen und unverhältnismäßige Gewalt bei der Festnahme oder in Polizeihaft. Wer schon mal solchen Einsätzen – z. B. der berüchtigten Berliner Einsatzpolizei, die auch in Rostock mit von der Partie war – beiwohnen durfte, weiß, daß für einige der Robocops jeder Psychiater zu spät kommt.
Auch in Rostock war es mit der versprochenen Zurückhaltung der Polizeikräfte bald vorbei. Ihre massive Präsenz und ein aufdringliches Einsatzkonzept führten die Eskalation wesentlich mit herbei. Gelegenheit macht Randale: Man vergaß, dem »schwarzen Block« von Militanzfetischisten ein Auto aus dem Weg zu räumen, das dann in Flammen aufging. Sowas kommt vor. Mit Knüppel, Gas und Wasser wurde nicht gespart. Schlagkräftig zeigte sich auch die inoffizielle Pressestelle der bewaffneten Organe, Spiegel online, welche die Gewalt ins Zentrum rückte. Auch verbale Randale sind nämlich wichtig im Kampf – um die Köpfe.
Große Aufregung bei den »moderaten Teilen« der Bewegung, hektische Distanzierungen vor laufender Kamera.
Der erste Tag der Auseinandersetzungen um den G-8-Gipfel zeigte aus taktischer Perspektive eine interessante Neuerung auf: Es gab einen handlungsfähigen Schwarzen Block.
Morgen in junge Welt: Das Taktik-Kassiber von Commander Shree Stardust. Schon heute abend in der Online-Ausgabe.
Rostock. Die Polizei in Rostock ist offenbar zur allgemeinen Einschüchterung der Bevölkerung übergegangen.
Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur AP haben die Beamten am Sonntag damit begonnen, in der Innenstadt von harmlosen Passanten die Ausweise zu verlangen und ihre Taschen zu durchsuchen.
Vor dem Amtsgericht Rostock fand indes eine friedliche Spontandemonstration von rund 100 Menschen statt. Sie setzten sich auf die Straße und forderten die sofortige Freilassung der zehn
Personen, gegen die die Staatsanwaltschaft Rostock Haftbefehle beantragt hat. Die Polizei sperrte die Straße zum Gericht.
(AP/jW)
Berlin. Der Einsatzleiter der Polizei wurde in Rostock noch während der Krawalle am Samstag abgesetzt.
Der Tagesspiegel berichtet in seiner Montagausgabe unter Berufung auf Polizeikreise, der unerfahrene bayrische Einsatzleiter sei gegen einen Berliner Kollegen ausgetauscht worden sei. »Das ist ein fast einmaliger Vorgang«, zitierte das Blatt einen Beamten. Ein anderer habe sich beklagt: »Wir sind verheizt worden«. Die Berliner Polizei war mit 900 Mann in Rostock im Einsatz. Von den 30 Beamten, die angeblich schwer verletzt wurden, kämen 16 aus Berlin.
(ots/jW)
Pünktlich zum Beginn des G8-Gipfels in Heiligendamm sollen am Mittwoch, dem 6. Juni ab 18 Uhr in zahlreichen Gotteshäusern Deutschlands für 8 Minuten die Glocken läuten.
In Leipzig bilden diese »8 Minuten für Gerechtigkeit« den Auftakt zu einer Mahnwache. Unter dem Motto »Eine andere Welt ist möglich« beteiligt sich auch die Nikolaikirche an der bundesweiten Aktion.
Nachdem sie schon einmal Ausgangspunkt für eine »friedliche Revolution« war, die eine andere, wenn auch keine bessere Welt einläutete, will die Nikolaikirche jetzt doch noch auf die Mißstände des globalen Krisenkapitalismus aufmerksam machen.
»Friedlich und solidarisch wollen Leipzigerinnen und Leipziger dagegen protestieren, daß der G8-Gipfel nur noch einen elitären Zirkel darstellt, der in erster Linie der Eitelkeit, Unverbindlichkeit und Selbstdarstellung dient - und seiner eigentlichen Verantwortung nicht gerecht wird. Die Betroffenen, über deren Schicksal entschieden wird, werden nicht einmal als Zaungäste geduldet,« heißt es in einer Presseerklärung des Politik- und Sozialforums Leipzig.
(jW)
Am Sonntag war die Stimmung im Protestcamp trotz der Gewaltausbrüche der vorangegangenen Nacht entspannt. Bei Sonnenschein und strahlend blauem Himmel erwacht am Morgen das Leben in Camp Reddelich.
Ein friedliches, beinahe idyllisches Bild – etwa um halb neun beginnen Freiwillige in den „Volxküchen" Frühstück auszuteilen; die ersten Camper, gerade aus ihren Zelten gekrabbelt, finden sich ein und warten auf Kaffee. Andere gehen zuerst duschen, natürlich kalt und im Freien, wechseln ein paar Worte und ermuntern einander, beißen die Zähne zusammen und fühlen sich danach so erfrischt wie selten. Die Hoororbilder des gestrigen Abends in Rostock, die Wasserwerfer, die Kämpfe, das Tränengas, scheinen in weiter Ferne.
Mit ein paar hundert Zelten haben bei Reddelich etwa 4500 Camper eine kleine Stadt errichtet, samt öffentlicher Gebäude: Ein Empfangszelt an der Einfahrt informiert Neuankömmlinge, ein Circuszelt bietet Raum für größere Versammlungen, im Indymedia-Zelt stehen Computer mit Internetzugang, am Zelt des Ermittlungsausschusses werden Hinweise entgegengenommen und Broschüren zum Umgang mit staatlicher Repression verteilt. In der „Chill-Out-Zone" lädt eine Art kleiner Biergarten mit Bänken und Tischen zur Geselligkeit ein. Große Pinwände am Infopunkt informieren über anstehende Termine. Hier gibt es sogar einen „Newsticker", bestehend aus einem großen Brett und angehefteten handgeschriebenen Zetteln, der eine Chronik der gestrigen Ereignisse bildet – natürlich, wie alle Hinweisschilder hier, auf Deutsch und Englisch.
Als die Camper wenig später entspannt beim Frühstück zusammensitzen, sind natürlich die Gewalttätigkeiten während der gestrigen Rostocker Demo das Hauptthema. Überrascht ist kaum jemand, aber viele schütteln die Köpfe und erzählen einander, was sie gehört oder gesehen haben. Eine Polizeikolonne soll einige Aktivisten, die nachts mit dem Fahrrad nach Reddelich zurückkehrten, mit Tränengas angegriffen haben, erzählt einer. Polizisten hätten am Stadthafen, wo die Gewalt anfing, einen als Autonomen verkleideten Kollegen zum Schein angegriffen, um die Demonstranten zu provozieren, eine andere. Ohne Beweise oder Augenzeugen hört man diese Dinge mit Skepsis, hält sie aber ohne weiteres für möglich. Und auch, daß niemand weiß, was sich genau zugetragen hat, trägt zur Unsicherheit bei – ebenso wie der Hubschrauber, der gelegentlich über dem Gelände kreist, und die Polizeieinheiten, die ständig auf der Bundesstraße 105 an der Abfahrt zum Camp Wache halten.
Hinter der entspannten, teils sogar fröhlichen Stimmung am Sonntag ist allen bewußt, daß noch nichts überstanden ist. Wenn am 6. und 7. Juni die Blockaden der Zufahrten nach Heiligendamm anstehen, wird voraussichtlich das Rostocker Camp an Bedeutung verlieren und stattdessen Reddelich zur Hauptbasis der Aktivisten werden – und damit auch vornehmliches Ziel von Polizeiaktionen. Mittags bezieht sich der Himmel und es wird wieder kühl. Per Megaphon ruft jemand zum Blockadetraining. Schließlich haben die proteste ja gerade erst begonnen.
Rostock - Mehrere tausend Teilnehmer fanden sich am heutigen Landwirtschaftsaktionstag im Rahmen der G8-Proteste zu einer Demonstration ein.
Wie jW von Demonstrationsteilnehmern erfuhr, wurden von den "Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten" der Bundespolizei immer wieder Einzelpersonen aus der friedlichen Menge auf rüde Weise herausgeholt und abgeführt. Die sogenannten "Antikonfliktteams" unterstützten ihre Kollegen, indem sie die Demonstranten zu beschwichtigen versuchten.
Der Aktionstag begann offiziell um 10 Uhr vor der agrar- und umweltwissenschaftlichen Fakultät der Uni Rostock. Am Nachmittag soll 15 Kilometer östlich von Rostock in Lüsewitz ein großes Anti-Gentechnik-Fest stattfinden - am Rande eines Versuchfeldes.
(jW)
Hamburg. Drei Viertel der Bundesbürger glauben nicht, daß beim G-8-Gipfel in Heiligendamm konkrete Ergebnisse herauskommen werden.
Wie eine Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der «Bild am Sonntag» ergab, sind nur 21 Prozent optimistisch und erwarten konkrete Resultate. Mit 79 Prozent sind Männer skeptischer als Frauen (72 Prozent). Bei den Westdeutschen sind 77 Prozent der Ansicht, dass beim Gipfel nichts Konkretes herauskommt; bei den Ostdeutschen sind es nur 67 Prozent.
Mit 49 Prozent besonders optimistisch sind FDP-Anhänger. Dagegen erwarten nur 27 Prozent der CDU/CSU-Anhänger, 16 Prozent der SPD- beziehungsweise der Linkspartei-Anhänger und 12 Prozent der Grünen-Symapthisanten konkrete Ergebnisse des G-8-Gipfels.
(AP/jW)
In einer Erklärung für die Linkspartei.PDS wertet deren stellvertretende Parteivorsitzende Katina Schubert, die bei der gestrigen Groß-Demonstration in Rostock vor Ort war, diese als Erfolg der Bewegung der G8-Gegner. »Zehntausende Menschen demonstrierten friedlich, phantasievoll und lautstark.«
Zugleich wird bedauert, »dass auf der Kundgebung genau die Bilder provoziert wurden und entstanden sind, die die Bundesregierung und ihre Einsatzkräfte zur Legitimation ihrer wochenlangen Repressions-Kampagne gegen G8-Kritikerinnen und Kritiker brauchte.« Die Polizei habe nicht auf Deeskalation gesetzt.
Die Linkspartei.PDS lehne jegliche Gewalt gegen Personen ab. Sie rufe Polizei und Demonstranten auf, sich für einen friedlichen Fortgang der Proteste vor und während des Gipfels einzusetzen.Von der Bundesregierung und der Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern wird gefordert, dass die Einsatzkräfte »ab sofort konsequent eine Strategie der Deeskalation verfolgen und Proteste gegen den G8-Gipfel ermöglichen«.
Die Strategie der Bundesregierung im Umgang mit Protest und Grundrechten, wie beispielsweise der Pressefreiheit, wolle die Fraktion Die Linke. im Innenausschuss des Bundestages hinterfragen.
Aufgrund von dubiosen »Sicherheitsbedenken des Bundeskriminalamtes« wurde auch dem linken Dresdner Journalisten Axel Steier, der für den Lokalsender coloRadio berichten sollte, eine Akkreditierung für den G8-Gipfel verweigert.
Steier hat einen gültigen Verdi-Presseausweises, ist nicht vorbestraft und wähnte sich bisher im vollen Besitz seiner bürgerlichen Rechte. Das Dresdner Freie Radio coloRadio verurteilt diesen politischen Zensurakt: »Pressefreiheit scheint für die Organisatoren des G8-Gipfels ein Fremdwort zu sein.«
Der Sender wird sich mit der Ablehnung Steiers nicht
abfinden und hat einen Anwalt eingeschaltet. »Die G8-Organisatoren
wollen kritische Stimmen unterdrücken und sich
ihre Journalisten aussuchen. Das darf Ihnen nicht gelingen.«, so coloRadio-Sprecher Martin Busche. Steier werde dennoch über den G8-Gipfel berichten. Das Radio ist mit einer eigenen Redaktion in Rostock und Heiligendamm präsent und wird täglich ab 19.15 Uhr darüber berichten, was sich vor und hinter dem Sicherheitszaun abspielt.
coloRadio-Livestream von den g8-Protesten: www.coloradio.org
Mehrere liegen mit Knochenbrüchen oder Schädeltraumata im Krankenhaus. Mindestens 165 Demonstranten festgenommen. Juristischer Beistand verweigert. Organisatoren räumen eigene Versäumnisse ein.
Rostock. Bei der Großdemonstration in Rostock sind am Samstag nach Angaben der Veranstalter 520 Demonstranten verletzt worden. Zwanzig von ihnen seien schwer verletzt worden und müßten unter anderem wegen Knochenbrüchen stationär behandelt werden, sagte Mani Stenner aus der Demonstrationsleitung am Sonntag. Mindestens 165 Demonstranten seien festgenommen worden und über sechs Stunden lang in Gefangenensammelstellen festgehalten worden.
Die Polizei teilte mit, es seien insgesamt 433 Beamte verletzt worden, davon 30 schwer. Zwei Beamte müßten stationär behandelt werden. Allerdings ist bei derartigen Angaben der Polizei in der Regel Vorsicht geboten – üblicherweise wird die Zahl der eigenen Verletzten über- und die der Demonstranten untertrieben.
Die Veranstalter räumten eigene Versäumnisse ein, setzen aber weiter auf Deeskalation. Es habe verbindliche Absprachen mit allen Teilnehmern gegeben, daß die Demonstration »absolut friedfertig ohne Auseinandersetzungen mit der Polizei über die Bühne geht«, sagte Stenner. »Wir haben es versäumt, bis zum letzten Moment vorsichtig zu sein und Vorkehrungen zu treffen.« Die Demonstranten hätten bei den Auseinandersetzungen Armbrüche, schwere Prellungen und Schädeltraumata erlitten. Die Verletzungen seien vor allem auf den Einsatz von Schlagstöcken seitens der Polizei zurückzuführen.
Daß Polizisten bei der Ankunft auf dem Kundgebungsplatz angegriffen worden seien, sei jedoch durch nichts zu rechtfertigen. Stenner lobte die Polizeitaktik bis zu diesem Zeitpunkt. Nach der
Attacke auf den Polizeiwagen allerdings habe auch die Polizei »rüpelhaft zugeschlagen«. Beim Einsatz der Wasserwerfer seien auch an den Vorfällen unbeteiligte Demonstranten getroffen worden.
Stenner betonte, man wolle alles tun, um künftig Vorfälle dieser Art zu verhindern. Er appellierte an die Polizei, weiter auf Deeskalation zu setzen.
Silke Studzinsky vom anwaltlichen Notdienst in Rostock warf der Polizei vor, den Festgenommenen juristischen Beistand verweigert zu haben. Anwälte hätten über Stunden keinen Zutritt zu den Gefangenensammelstellen bekommen. Bei den Festnahmen sei die Polizei äußerst brutal vorgegangen. Einige Demonstranten hätten daraufhin sofort in Krankenhäuser eingeliefert werden müssen.
Greenpeace-Sprecher Karsten Smid betonte, trotz der Ausschreitungen habe die Demonstration ein »buntes, kreatives Zeichen« gesetzt. 80 000 Menschen hätten größtenteils friedlich gegen den G-8-Gipfel und Ziele wie besseren Klimaschutz und mehr Entwicklungshilfe protestiert. »Wir setzen weiter auf Deeskalation und Inhalte«, erklärte er.
Augenzeugenberichten zufolge ist gestern gegen 20 Uhr eine Fahrradkarawane von rund 35 G-8-Gegnern auf dem Weg von der Rostocker Demonstration zum Camp Reddelich von der Polizei mit Pfefferspray und Schlagstöcken angegriffen worden.
Zu Festnahmen sei es dabei nicht gekommen - Betroffene vermuteten, die Polizeiaktion habe nur dem Dampfablassen gedient. »Als sich von hinten ein Polizeikonvoi mit Blaulicht näherte, fuhren die Radfahrer zur Seite, um die Wagen durchzuwinken,« erklärte der Pressesprecher der Camp AG, Andy Henner. »Plötzlich hielt der Konvoi, aus Schiebetüren sprangen teils behelmte Polizeibeamte und griffen die Radfahrer mit Pfefferspray und Schlagstöcken an.«
Aus Furcht vor weiteren Übergriffen habe sich die Fahrradkarawane an eine Tankstelle zurückgezogen und sei von Teilnehmern des Camps in Reddelich abgeholt worden. »Wir vermuten eine Racheaktion der Polizei wegen der Ereignisse in Rostock«, sagte ein Betroffener. Die Polizei sei nach mehreren Angriffen auf die Abschlußkundgebung zunächst »erfolgreich vom Stadthafen vertrieben« worden.
Polizeipressesprecherin Cordula Feichtinger erklärte gegenüber junge Welt, sie könne sich nicht vorstellen, daß »mobile Raumschutzteams« der Polizei zu derartigen Frustaktionen fähig seien.
(jW)