Bomben, Daten, Drohnen
Von Philip Tassev
Über sechs Jahre ist es her, dass Antimilitaristen den 830. Geburtstag des Hamburger Hafens mit Protest begleiteten: »Krieg beginnt hier.« Eine »Zeitenwende« später werden von der Hansestadt aus nicht nur weiterhin Waffen in alle Welt exportiert, auch renommierte Forschungseinrichtungen der Stadt werden inzwischen der konkreten Kriegsvorbereitung untergeordnet. Im Interview erklärt der Experimentalphysiker Hannes Jung von »Science4Peace«, wie selbst am Desy-Forschungszentrum ein Beitrag zur »Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung« eingefordert wird und wie sich Wissenschaftler gegen die Aufhebung der Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschung zur Wehr setzen.
Auf den Schlachtfeldern des NATO-Stellvertreterkriegs in der Ukraine spielt der Wettbewerb um modernste Technologien längst eine zentrale Rolle. Die jW-Autoren Ralf Wurzbacher und Lars Lange beleuchten die Entwicklung der Drohnenwaffe in der BRD und in Russland. Während deutsche Rüstungsstartups wie Helsing ihre Produkte hinter wohlklingenden Phrasen von »Demokratie« und »Menschenwürde« verstecken, werden russische Drohnenfabriken unter Kriegsbedingungen buchstäblich als Landmaschinenwerke getarnt.
Mit dem massenhaften Einsatz von Kamikazedrohnen verliert der Panzer zunehmend seine schlachtfeldbeherrschende Stellung. Dennoch plant die Bundeswehr die größte Panzerbestellung ihrer Geschichte. Selbst wenn man die imperialistischen Absichten ausblendet, droht hier die Versenkung einer Milliardensumme in eine überholte Technologie, argumentiert jW-Autor Sven Kurz in seinem Beitrag zur Zukunft des Panzers.
Doch die NATO setzt nicht nur auf »bewährtes« Gerät. Mit KI-gestützter Zielerfassungssoftware des geheimdienstnahen US-Unternehmens Palantir soll der Krieg gegen Russland »führbar« werden, analysiert BSW-Außenexpertin Sevim Dagdelen. jW-Korrespondent Reinhard Lauterbach wirft zugleich einen Blick nach Polen, wo ein »volkstümlicher Eventmilitarismus« die ideologische Begleitmusik für eine nie dagewesene Hochrüstung liefert.
Westasienexpertin Wiebke Diehl schildert die nur scheinbar paradoxe Tatsache, dass die libanesische Hisbollah ein stabilisierender Faktor in dem von israelischer Armee und dschihadistischen Milizen gleichermaßen bedrohten Land ist. Eine Entwaffnung der Organisation würde entgegen allen westlichen Verlautbarungen keine »friedenssichernde Maßnahme« darstellen, sondern vielmehr die Gefahr neuer Eskalationen erhöhen.
Jakob Reimann erinnert an den Krieg im Jemen, der seit über einem Jahrzehnt tobt und in westlichen Medien kaum noch vorkommt – es sei denn, die Ansarollah greifen Israel oder Schiffe im Roten Meer an. Dass eine imperialistische Allianz aus USA, Großbritannien und Israel darauf mit Bombardements reagiert, die in der Regel zivile Einrichtungen und die werktätige Bevölkerung treffen, wird weitgehend verschwiegen.
Angesichts der rapide fortschreitenden Militarisierung stellt sich für fortschrittliche Kräfte dringlich die Frage nach einer wirksamen Gegenstrategie. Carmela Negrete und Elias Korte zeigen am Beispiel Spaniens und Kolumbiens, wie der Reformismus unfähig ist, Kriege zu beenden oder zu verhindern, ohne gleichzeitig deren Ursachen anzugehen. Denn noch immer gilt die über 100 Jahre alte Erkenntnis des französischen Sozialisten Jean Jaurès: »Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich, wie die Wolke den Regen.«
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