Schmeicheln und hoffen
Von Martin Weiser
Am Montag war der südkoreanische Präsident Lee Jae Myung bei Donald Trump zur Audienz und wusste sein Anfangsstatement vor den Journalisten zu nutzen. Für fünf Minuten wurde Trump in Grund und Boden gepriesen. Die Neudekoration des Oval Offices wie auch das letzte Rekordhoch des Dow-Jones-Aktienindex seien wunderbar. Dank Trump breche nun vielerorts der Frieden aus. Als einzigen Makel sah Lee das fehlende finale Treffen des US-Präsidenten mit Kim Jong Un an, dem dann wohl die Errichtung eines »Trump Towers« mit dazugehörigem Golfplatz in der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) folgen würde. Trump griff den Faden gerne auf und reklamierte den Erfolg der Olympischen Winterspiele 2018 für sich. Denn ohne seine Gespräche mit DVRK-Chef Kim wären ja alle aus Angst vor Krieg den Stadien ferngeblieben. Und sowieso habe er damals einen Atomkrieg auf der Koreanischen Halbinsel verhindert.
Diese nette Atmosphäre kam etwas überraschend. Schließlich hatte Trump sich nur Stunden zuvor besorgt über die Zustände in Südkorea geäußert, die nach Revolution oder Säuberung anmuteten und damit schlecht fürs Geschäft seien. Aber das stellte sich nur als eine Überreaktion auf die Durchsuchung einer rechten Kirche und einer Militärbasis heraus, um Verbrechen des geschassten Präsidenten Yoon Suk Yeol auf den Grund zu gehen – alles natürlich rechtens und von Gerichten abgesegnet. Ultrarechte hatten das im Internet aber aufgebauscht und offenbarten damit, woher Trump seine Informationen bezieht.
Wirtschaftlich hatte Südkorea von diesem Gipfel nichts zu befürchten. Schon Wochen zuvor hatte man sich in den bilateralen Zollverhandlungen mit einem MASGA getauften Paket von Investitionen in den US-Schiffsektor gute Konditionen gesichert. Für diesen Vorschlag hatte man sich extra noch rote Basecaps mit diesen fünf Buchstaben besticken lassen. Die Finanzspritze für strauchelnde Werften sichert Trump kurzfristig symbolisch wichtige Arbeitsplätze, während Südkoreas Riesen im Schiffsbau womöglich bereits auf den Ausstieg schielen. Erst Jahre nach Trump wird sich zeigen, ob die US-Werften mit südkoreanischer Unterstützung Gewinn abwerfen können, und dann könnte man mit wem auch immer im Weißen Haus noch einmal neu verhandeln.
Was Trump und Lee dann noch eine Stunde lang hinter verschlossenen Türen verhandelten, ist nicht bekannt. Aber es ging mit Sicherheit um Trumps Forderungen im Militärbereich. Vor allem soll Südkorea mehr für die Stationierung der US-Truppen bezahlen, und Trump hätte auch gerne das Land, auf dem die US-Basen stehen, den Vereinigten Staaten überschrieben, was rechtlich schwieriger wird. Bisher wurde es nur geliehen und müsste entsprechend auch wieder zurückgegeben werden. Sollte es irgendwann tatsächlich zur Aussöhnung der beiden koreanischen Staaten kommen, wäre die Grundlage für die Stationierung der derzeit noch über 28.000 Soldaten eigentlich hinfällig, und viele Basen müssten schließen.
Als Gegenleistung für Zugeständnisse wird Lee wahrscheinlich fordern, endlich volle Gewalt über seine Streitkräfte im Kriegsfall zu erhalten – den sogenannten Opcon-Transfer. Ihn strebt Lees Planungskomitee für das Ende seiner Amtszeit an. Mit dem Koreakrieg war die »operationelle Kontrolle« an das United Nations Command abgetreten worden, das offiziell von den Vereinten Nationen eingesetzt wurde, aber von den USA geleitet wird, die diese Rolle bis heute nicht wieder abgegeben haben. 1994 gab man als symbolisches Zugeständnis Südkorea dann zumindest die Befehlsgewalt in Friedens- bzw. Waffenstillstandszeiten zurück. Die Rückgabe der viel wichtigeren Befehlsgewalt im Krieg wurde seit zwei Jahrzehnten mehrmals angekündigt, dann aber jedes Mal wieder aufgeschoben. Im besten Fall schafft Trump, wie von Lee gehofft, endlich Frieden auf der Koreanischen Halbinsel und löst in einem Handstreich auch das United Nations Command auf. Dann könnten die USA mit dem Truppenabzug Geld sparen, und Südkorea wäre militärisch wieder Herr im eigenen Haus.
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