Warum ist eine Aufhebung des PKK-Verbots notwendig?
Interview: Tim Krüger
Als Anwalt haben sie mehrfach kurdische Aktivisten verteidigt, denen eine Mitgliedschaft in der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, vorgeworfen wurde. Konnten Sie seit dem Beginn des Friedensprozesses in der Türkei eine Änderung in der Haltung der deutschen Behörden beobachten?
Leider muss man konstatieren, dass die Strafverfolgungsbehörden, also insbesondere die Bundesanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaften, bisher überhaupt nicht auf die Entwicklungen in der Türkei reagiert haben. Dabei geht es nicht nur um die Auflösung der PKK, sondern auch um den von der PKK erklärten unbefristeten Waffenstillstand und den Rückzug sämtlicher bewaffneter Verbände aus der Türkei. Auch aus der Politik gab es, mit Ausnahme von einigen Lippenbekenntnissen aus dem Außenministerium und dem Deutschen Bundestag, noch keinerlei Reaktion.
So wurde auch Anfang dieses Monats ein kurdischer Aktivist in Hamburg als vermeintlicher »Führungskader der PKK« verhaftet. Wie funktioniert die anhaltende Kriminalisierung rechtlich?
Die Strafverfolgung findet unter dem Vorwurf der »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland« nach Paragraph 129 b im Strafgesetzbuch statt. Als solche betrachtet die Bundesanwaltschaft die PKK. Es ist im Grunde so, dass die Verfolgung rückwirkend ist. Das heißt, auch wenn sich eine Organisation auflöst, ist eine Verfolgung vergangener Handlungen immer noch möglich. Es ist aber auch so, dass die Strafverfolgung im Falle dieses Paragraphen davon abhängig ist, dass das Bundesjustizministerium eine sogenannte Verfolgungsermächtigung erteilt. Bei der PKK besteht diese seit 2011. Wenn die Bundesregierung den Friedensprozess anerkennen wollte, wäre es das Naheliegendste, diese Verfolgungsermächtigung einfach aufzuheben.
Das heißt, die Bundesregierung hätte Spielraum, wenn der politische Wille bestünde?
Genau. Das könnte von einem Tag auf den anderen geschehen. Das Bundesministerium für Justiz und Ministerin Stefanie Hubig von der SPD könnten sagen: Wir honorieren, dass in der Türkei jetzt ein Friedensprozess stattfindet, die PKK sich aufgelöst hat und man daher nicht mehr an der Strafverfolgung festhalten muss. Das wäre sofort möglich.
Warum halten die deutschen Behörden dann aber trotz positiver Signale seitens der PKK an ihrer bisherigen Linie fest?
Das müssen Sie die Behörden fragen. Ich befürchte aber, dass es da mehr um politische Interessen und weniger um justizielle Erwägungen geht. Leider werden weder die Verfolgungsermächtigung noch die Entscheidung, diese aufrechtzuerhalten, begründet. Als Anwälte haben wir auch kein Akteneinsichtsrecht und dürfen daher nicht sehen, was die Beweggründe sind.
Sie begleiten auch eine Klage zur Aufhebung des PKK-Verbots. Was ist der Stand des Verfahrens?
Wir hatten zuerst beim Bundesinnenministerium die Aufhebung des Verbots beantragt. Nachdem das Ministerium unseren Antrag abgelehnt hatte, klagen wir nun vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen diese Entscheidung. Noch steht allerdings kein Verhandlungstermin fest. Die Bundesregierung hat erklärt, dass sie davon ausgeht, dass die Auflösung nicht endgültig sei, und deswegen weiterhin am Verbot festhalten werde.
Warum ist eine Aufhebung des PKK-Verbots trotz Auflösung weiterhin notwendig?
Im Zuge des fortbestehenden Verbots wird ja nicht nur die PKK verfolgt, überwacht und kriminalisiert, sondern ganz viele andere Formen kurdischer Organisierung, wie zum Beispiel kurdische Kulturvereine. Auch im Aufenthaltsrecht gibt es Fälle, bei denen Menschen kurdischer Herkunft mit Verweis auf das PKK-Verbot nicht eingebürgert werden oder keinen unbefristeten Aufenthaltsstatus erhalten. Das Verbot wirkt in ganz vielen Bereichen, und daher muss es, auch wenn die PKK sich endgültig aufgelöst hat, endlich weg.
Lukas Theune ist Rechtsanwalt in Berlin
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