Konsens der Gerechtigkeit
Von Max Grigutsch
Bundeskanzler Friedrich Merz sieht sich und sein Kabinett inmitten »größter geostrategischer und geoökonomischer Herausforderungen«. Diese Analyse teilte der CDU-Chef am Mittwoch den Abgeordneten des Bundestags während der Generaldebatte zum Haushalt 2026 mit. Doch auch Heilsversprechen überbrachte er. Diese lägen dem Haushalt in Form von drei Leitzielen zugrunde.
Ziel eins betrifft die deutsche Wirtschaft. Da sei das Schlüsselwort die »preisliche Wettbewerbsfähigkeit«, etwa in den Bereichen Arbeits-, Bürokratie- und Energiekosten sowie bei den Steuerlasten. Für Lohnabhängige bedeuten diese Verheißungen nichts Gutes. Soll etwa der »Kostenpunkt« Arbeit sinken, droht denen, die die Arbeit leisten, weitere Verarmung zum Zwecke des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Folgt man den Daten des Statistischen Bundesamts, war im vergangenen Jahr immerhin schon fast jeder Sechste für einen Niedriglohn tätig. Einen ersten »Wachstumsimpuls« für das Kapital will Merz indes schon gesetzt haben. Insbesondere die Lage der Unternehmenssteuern habe sich verbessert. Seine Weisung an die Kapitalisten: »Nutzen Sie diese Chance, die Sie jetzt haben, für Investitionen in die Bundesrepublik Deutschland.« Auch an der »Mammutaufgabe« Bürokratieabbau sei man dran. Merz’ Dank galt Digitalminister Karsten Wildberger, einem »Mann aus der Privatwirtschaft, der weiß, wovon er spricht« – was Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der sich wohl über kürzere Beschaffungszeiten für die Bundeswehr freut, mit euphorischem Kopfnicken untermalte.
Punkt zwei. »Wir haben in diesem Sinne unsere Sicherheitspolitik grundlegend neu ausgerichtet, und zwar an unseren Interessen«, also an denen Deutschlands und Europas, erklärte Merz. Das sei die »vielleicht wichtigste Leitlinie« des Haushalts.
Sören Pellmann, Fraktionschef der Linkspartei, bezifferte diese Linie. Der Staat investiere »100 Milliarden aus dem Scholzschen Sondervermögen, plus 80 Milliarden für Boris Pistorius 2026 on top, und dann noch die 400 Milliarden« für die Bundeswehr-Rüstungswunschliste. Das seien »goldene Zeiten für die Rüstungsindustrie«, sagte Pellmann. Eine Rüstungsindustrie, die nötig ist, wenn man keinen »Frieden durch Kapitulation« will, wie der Kanzler mit Blick auf die Ukraine anmahnte. Und: »Frieden und Freiheit gibt es nicht umsonst.« Deshalb werde Deutschland die Ukraine auch im Haushalt 2026 »weiterhin auf einem sehr hohen Niveau unterstützen«, sagte Merz. Die geplante Summe sei im Lichte der Ereignisse auf 11,5 Milliarden Euro aufgestockt worden.
Und schließlich: Für die wirtschaftlichen und militärischen Vorhaben will die Bundesregierung das dafür benötigte Menschenmaterial einspannen. Denn »historische Zeiten sind Zeiten der Bewährung«, nicht nur für eine Regierung, sondern für die gesamte Gesellschaft, so dass jeder sich gerne »für die Zukunft unseres Landes einbringt«, erklärte Merz seinen zuvor beschworenen »neuen Konsens der Gerechtigkeit«.
Die Lobpreisungen der Gemeinsamkeit überzeugten nicht alle. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann warf Merz unter Verweis auf die sogenannte Stadtbilddebatte vor, er stoße »die Hälfte der Bevölkerung jeden Tag vor den Kopf«. Der Linke-Abgeordnete Pellmann nannte die Finanzpläne einen »Haushalt der Hoffnungslosigkeit«, der Geld für Panzer und Jagdflugzeuge, nicht aber für Familien vorsehe, deren Kinder an diesem Kriegsgerät dienen sollen.
Gemeinsame Sache mit CDU/CSU würde die AfD gerne machen. So forderte auch AfD-Chefin Alice Weidel ein »Entfesselungsprogramm zur Freisetzung marktwirtschaftlicher Kräfte, das sie von bürokratischen Regulierungen befreit und die Steuer- und Abgabenlast drastisch senkt«. Merz richtete sich in seiner Rede ostentativ gegen die rechte Partei, monierte aber wie Weidel die »ungesteuerte Migration« der vergangenen Jahre.
Laut den Wahnvorstellungen von letzterer ließe sich die Union aber von ihrem Koalitionspartner, der SPD, vorführen. Und die SPD stecke nun mal fest im »Morast des sozialistischen Aberglaubens der Umverteilung«, phantasierte Weidel. Es liege an den Unionsabgeordneten, ob sie bereit seien, das »Wohl des Landes« vor »Eitelkeiten und ideologische Vorurteile« zu stellen, sagte sie. Die AfD sei dafür bereit, »aus Liebe und Verantwortung für Deutschland«.
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