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Aus: Ausgabe vom 27.11.2025, Seite 2 / Inland
Habersaathstraße in Berlin

Wie geht der Eigentümer gegen die Mieter vor?

Mit »Schlägertrupps«: Vermieter will die Bewohner der Berliner Habersaathstraße loswerden, sagt Adrian Marek
Interview: Gitta Düperthal
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So manche Bewohnerinnen und Bewohner in dem Plattenbau sind mit den Plänen des Eigentümers nicht einverstanden (Berlin, 18.7.2025)

In der Habersaathstraße 40 bis 48 in Berlin kamen neben Menschen in regulären Mietverhältnissen auch Wohnungslose unter. Ende Oktober wurden einige der Wohnungen geräumt. Eigentümer Andreas Pichotta, Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft Arcadia Estates, will die Gebäude mit 120 Wohnungen abreißen und durch Luxusapartments ersetzen. Mit welchen Mitteln geht er vor?

Seit Jahren tauchen in den Fluren der Häuser immer wieder Trupps bedrohlich dreinschauender, schwarz gekleideter Männer auf, sogenannte Sicherheitsleute. Mal stellen sie sich gar nicht vor, mal klopfen sie an die Türen, geben sich als Polizei aus. Zusammen mit Handwerkern haben sie beispielsweise Stromzähler entfernt. Nachdem zwölf Wohnungen in der Habersaathstraße 48 nach der Räumung am 20. Oktober dem Eigentümer Pichotta übergeben worden waren, wurde dort alles zerstört: Fenster wurden ausgeschlagen, Türen zugemauert. Wir nennen sie Schlägertrupps.

Wie viele Menschen leben noch dort?

Am Tag der Räumung waren nur zwei Personen zu Hause, die nun in Notunterkünften sind. Im Haus gibt es noch fünf reguläre Mietverhältnisse. Selbst diese Langzeitmieterinnen und -mieter mit unbefristeten Verträgen sind betroffen. Seit knapp einem Monat gibt es dort keine Fernwärme mehr, sogar das Kaltwasser war zeitweise abgestellt. Sie nutzen jetzt Radiatoren, können so aber nicht mal ihre Hauptwohnräume auf 15 Grad beheizen. Und das im Winter.

Und in den übrigen Hausnummern?

In den Häusern mit den Nummern 40 bis 48 gibt es insgesamt 220 Bewohnerinnen und Bewohner, darunter viele ukrainische Geflüchtete. Teilweise haben die aus der Ukraine kommenden Bauarbeiter ihre Familien nachgeholt und leben beengt in den kleinen Wohnungen. Weiterhin leben dort Besetzerinnen und Besetzer, die wir aber nicht so nennen. Denn mit dem Bezirk Mitte wurden mietähnliche Wohnverhältnisse ausgehandelt. Sie müssen – und das ist gerichtlich bestätigt – erst ausziehen, wenn der Abriss erfolgt.

Warum erhöht der Vermieter jetzt den Druck?

Pichotta setzt offenbar darauf, bis Ende des Jahres alle Mieterinnen und Mieter loszuwerden, weil seine Abrissgenehmigung am 31. Dezember 2025 endet.

Vergangenen Donnerstag hat die Initiative »Leerstand hab-ich-saath« bei der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung, BVV, im Rathaus Berlin-Mitte ihre von mehr als 10.000 Menschen unterzeichnete Petition zur Rekommunalisierung der Gebäude übergeben. Wie nahmen das die Parteien dort auf?

Wir waren mit etwa 50 Aktivistinnen und Aktivisten da. In der Vergangenheit gab es in der BVV schon Beschlüsse für die Rekommunalisierung. Die Mehrheit ohne CDU, FDP und AfD stimmte dafür, die Häuser wieder in öffentliche Hand zu bringen. Allerdings hat der Beschluss nur empfehlende Wirkung. Der Senat muss den Kauf der Häuserzeile tätigen, der Bezirk muss es dem Senat melden. Die Linke unterstützt das vollends. Wir fordern die Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger von den Grünen auf, die Abrissgenehmigung nicht wieder zu verlängern. Außerdem werden wir unsere Petition dem Senat übergeben.

Welche Bedeutung hat der Kampf um die Habersaathstraße für die Wohnungslosen?

Es gibt unterschiedliche Lebensgeschichten, einige davon sind sehr traurig. Andere geben Hoffnung, weil Menschen es geschafft haben, die Zeit in der Habersaathstraße zu nutzen, um dort die Wohnungen und sich selbst zu beleben. Wir können uns weder hinreichend um sie kümmern noch die Wohnungslosigkeit in Berlin insgesamt abschaffen. Wir führen nur einen kleinen, beispielhaften Kampf für unser Projekt. Ein Abriss der Häuserzeile dürfte allein schon aus Ökologie- und Klimagründen nicht erfolgen. Die nächsten Räumungsklagen stehen an, es wird solidarische Prozessbegleitungen geben. Das Wichtigste: Wir machen Druck auf die Politik. Unser Kampf ist so stark, weil er von Menschen geführt wird, die würdige Wohnverhältnisse unbedingt brauchen.

Adrian Marek ist Sprecher der Berliner Initiative »Leerstand hab-ich-saath«

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