PKK verklagt BRD
Von Philip Tassev
Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zieht vor Gericht. Beklagte ist niemand anderes als die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, wie Rechtsanwalt Lukas Theune bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Berlin erläuterte. Die PKK hatte im Mai 2022 einen offiziellen Antrag auf Aufhebung des 1993 verhängten Betätigungsverbots in der BRD gestellt. Drei Jahre brauchte die Bundesregierung, um über diesen Antrag zu entscheiden – und um ihn mit Verweis auf außenpolitische Belange und mögliche Auswirkungen auf die deutsch-türkischen Beziehungen abzulehnen. Dagegen hat die PKK nun beim Verwaltungsgericht Berlin Klage eingereicht.
Die politische Lage in der Türkei und in ganz Westasien hat sich in den vergangenen drei Jahren stark verändert. Der seit 1999 inhaftierte Gründer der PKK, Abdullah Öcalan, hatte im Februar zu einer Beendigung des bewaffneten Kampfes gegen den türkischen Staat aufgerufen, woraufhin die Partei Anfang Mai bei ihrem 12. Kongress in den nordirakischen Kandil-Bergen ihre Selbstauflösung ankündigte. Sowohl die türkische als auch die deutsche Regierung begrüßten diesen Schritt. Den salbungsvollen Worten aus dem Auswärtigen Amt zum Trotz geht die Repression gegen kurdische Organisationen in der BRD weiter. So ist am Dienstag der bekannte kurdische Politiker Yüksel Koç wegen angeblicher Mitgliedschaft in der PKK in Bremen festgenommen worden.
Theune, der die PKK in dem Verfahren gegen die Bundesregierung vertritt, erklärte dazu: »Die PKK hat in einem historischen Schritt ihre Selbstauflösung angekündigt. Es ist an der Zeit, dass auch Deutschland das jahrzehntelange Verbot aufhebt. Die kurdische Bewegung und Minderheit braucht in Deutschland die Möglichkeit, sich frei zu organisieren – nur so kann der Friedensprozess gelingen.«
Begründet wird die Klage damit, dass die PKK den deutschen Staat nicht bedrohe, nicht gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoße und keine Straftaten in der BRD plane oder durchführe. Das Verbot stelle eine pauschale Kriminalisierung der über 1,3 Millionen in der BRD lebenden Kurden dar und stehe einem Friedensprozess entgegen.
Wie Theune darlegte, hatte das Bundesinnenministerium zu der Ablehnung des Antrags auf Aufhebung des Betätigungsverbots erklärt, es sei nicht absehbar, ob Öcalans Aufruf zur friedlichen Lösung tatsächlich gefolgt werde. »Doch dieser Vorbehalt ist inzwischen durch die konkreten Schritte der PKK, insbesondere durch die Erklärung zur Selbstauflösung und zur Niederlegung der Waffen, widerlegt«, betonte Theune.
Auch der Linke-Bundestagsabgeordnete Ferat Koçak kritisierte das anhaltende staatliche Vorgehen gegen Kurden in der BRD: »Ich war 14 Jahre alt, als die ersten Polizeirazzien in kurdischen Vereinsräumen stattfanden – diese Repression dauert bis heute an, trotz Friedenssignalen aus Kurdistan. Die Bundesregierung muss jetzt das richtige Signal setzen: für Frieden in der Türkei und Kurdistan.« Dafür seien konkrete Schritte nötig: eine Aufhebung des PKK-Verbots, ein Ende der pauschalen Verdächtigung kurdischer Vereine, die Prüfung der Verfolgungsermächtigung und die Freilassung politischer Gefangener wie Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ.
Koçak machte auch auf den Widerspruch aufmerksam, dass das Innenministerium kurdischen Vereinen regelmäßig eine Nähe zur PKK unterstelle, zugleich aber die türkische faschistische Organisation »Graue Wölfe« nicht verbiete, weil sie in der BRD angeblich keine Vereinsstrukturen unterhalte.
Die Sprecherin des Nationalkongresses Kurdistan (KNK), Nilüfer Koç, erinnerte daran, dass die PKK »nicht Ursache, sondern Folge des Konfliktes« sei. Bei der PKK handele es sich »um den 29. Aufstand der KurdInnen«. Der KNK hoffe, »dass es der letzte Aufstand ist und es endlich zu Frieden und Gerechtigkeit kommt«. Sie appellierte an die Bundesregierung, sich an ihre Worte nach Öcalans Aufruf zu erinnern und ihnen Taten folgen zu lassen. »Die Bundesregierung darf nicht länger jene Hardliner in der Türkei stärken, die den Friedensprozess torpedieren wollen und damit Öl ins Feuer gießen. Diese Haltung schwächt nicht nur die Friedenskräfte, sondern nützt den Gegnern von Demokratie und Verständigung. Wir erwarten, dass Deutschland den Weg für Frieden ebnet – nicht blockiert.«
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