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Aus: Ausgabe vom 19.11.2025, Seite 3 / Inland
»Hände weg von Venezuela«

Welche Interessen verfolgen die USA in der Karibik?

Der US-Regierung geht es nicht um den Drogenhandel, sondern um die Remilitarisierung der Karibik, sagt Robert Kohl Parra
Interview: Gitta Düperthal
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Wie im Himmel, so auch zu Wasser: Das US-Militär im Atlantik (13.11.2025)

Washington hat den Flugzeugträger »Gerald R. Ford« aus dem Mittelmeer in die Karibik verlegt, laut der offiziellen Begründung angeblich zur Bekämpfung des illegalen Drogenhandels. Weitere Kriegsschiffe, Kampfflugzeuge und Drohnen operieren dort bereits. Mehr als 80 Tote gab es durch US-Luftangriffe gegen einzelne Boote, für die es keine völkerrechtliche Grundlage gibt. Welche Interessen vermuten Sie dahinter?

Den USA geht es dabei nicht um die Bekämpfung von Drogenhandel. Venezuela ist für den Schmuggel in die USA kaum relevant. Selbst nach US-Angaben geschieht dies hauptsächlich über den Pazifik und über Land. Als maßgebliche Produzenten gelten Kolumbien, Bolivien, Mexiko und Peru – Venezuela eher weniger. Den USA geht es vor allem um eine umfassende Remilitarisierung in der Karibik sowie offenbar darum, den Druck auf die Regierung von Nicolás Maduro zu erhöhen. Schon seit der Präsidentschaft seines Vorgängers Hugo Chávez ist das Ziel, das venezolanische Öl und sonstige Ressourcen wieder unter die Kontrolle der USA zu bekommen.

Der Verteidigungsminister Venezuelas, Vladimir Padrino, warf der US-Armee vor, »wehrlose Menschen zu ermorden, unabhängig davon, ob sie Drogenhändler sind oder nicht«.

So ist es. Die USA legten ja auch keinerlei Beweise vor. Selbst die Justiz Ecuadors, das von einer rechten, US-nahen Regierung unter Präsident Daniel Noboa geführt wird, hatte im Fall des attackierten Fischers Andrés Fernando Tufiño keinerlei Hinweise finden können, dass er in Drogenhandel verwickelt gewesen wäre. Einen US-Luftschlag im Oktober hatte er nur knapp überlebt. Er und andere Fischer haben nun Angst, zum Beispiel vor der venezolanischen Küste ihrem Beruf nachzugehen. Ziel dieser Angriffe ist es nicht, Drogenkriminalität zu bekämpfen, sondern Venezuela zu provozieren.

Wenn sich das durchsetzt, glaube jeder, ungestraft ins Territorium anderer eindringen zu können, warnte Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Was halten Sie davon?

Auch Länder, die Maduros Regierung als nicht legitim betrachten, kritisieren das Vorgehen der USA. Extralegale Tötungen von Fischern in der Karibik entbehren jeglicher rechtlichen Grundlage. Die US-Regierung unter Donald Trump versucht, zum Recht des Stärkeren und zur Monroe-Doktrin zurückzukehren, mit der lateinamerikanische Länder zum Hinterhof der USA erklärt wurden.

Trump sagte, Maduros Tage seien gezählt. Er wird als Chef eines Drogenkartells und als Diktator dargestellt.

Im Fokus unserer Kundgebung steht, dass die US-Angriffe Kriegsgefahr heraufbeschwören. Selbst wenn man der Regierung Maduros autoritärere Züge in den letzten Jahren vorhalten mag: Das berechtigt nicht dazu, Sanktionen für Nahrungsmittel und Medikamente für die Bevölkerung zu verhängen. Für Trumps Regierung steht Venezuela für Sozialismus und ist ein Feindbild, weil über die Ressourcen des Landes der venezolanische Staat bestimmt. US-Konzerne können ihren Einfluss darüber nicht geltend machen, wie etwa bei Unternehmen in Privatbesitz. Wir müssen uns gegen diese Eskalation und den völkerrechtswidrigen Angriff stellen.

Sie rufen für Mittwoch um 18.30 Uhr zur Kundgebung »Hände weg von Venezuela« vor dem venezolanischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main auf. Oder muss man inzwischen sagen: vor dem ehemaligen Konsulat?

Das vorrangig mit Wirtschaftsbeziehungen betraute Frankfurter Generalkonsulat Venezuelas ist seit Monaten geschlossen. Laut dem ehemaligen Generalkonsul Jimmy Chediak ist das eine Folge der Wirtschaftssanktionen der EU und der USA gegen das Land. Venezuela wurde vom internationalen Finanzsystem SWIFT, der »Society for World Interbank Financial Telecommunication«, ausgeschlossen, was zu einem Einbruch des Tourismus und der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Venezuela führte.

Was können solche Protestkundgebungen bewirken?

Ziel ist es, die Aufmerksamkeit auf die Gefahr eines Krieges und die verheerenden Folgen der Sanktionen für die Zivilbevölkerung zu lenken. Die Initiative dazu haben Esteban Neira und ich, zwei Deutsche mit lateinamerikanischen Wurzeln, ergriffen. Wir stehen in Kontakt mit Gewerkschaften, der Solidaritätsbewegung mit Lateinamerika und der Friedensbewegung.

Robert Kohl Parra ist langjähriger Aktivist in der Lateinamerika­solidarität und Autor

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