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Aus: Ausgabe vom 19.11.2025, Seite 4 / Inland
»Berlin Security Conference«

Konferenz der Militaristen

»Berlin Security Conference«: Stelldichein von Militär, Politik und Kapital in der Hauptstadt
Von Philip Tassev
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Die Teilnehmer konnten auch die neusten Produkte von Lieferanten der Bundeswehr begutachten (Berlin, 18.11.2025)

Eine »Sicherheitskonferenz« mit »objektiver Haltung« und ganz ohne Einflussnahme irgendeiner Regierung. Das versprechen die Organisatoren der jährlichen »Berlin Security Conference«, die am Dienstag und Mittwoch im Hotel Vienna House am Bahnhof Landsberger Allee stattfindet. Schon ein kurzer Blick auf die »Partner« dieser Veranstaltung weckt allerdings Zweifel an der postulierten »Objektivität«: Die Flugzeugmonopolisten Airbus und Boeing, die französischen Rüstungskonzerne Dassault und Thales, die Hoflieferanten der US-Luftwaffe Lockheed Martin und Northrop Grumman, die israelischen Waffenschmieden Elbit Systems und IAI, BAE System aus Großbritannien, dazu Mercedes-Benz, Siemens, Diehl und Hensoldt aus der BRD – das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Liste von Kooperationspartnern dieser Konferenz.

Die Eröffnungsrede hielt Marie-Agnes Strack-Zimmermann in ihrer Funktion als Vorsitzende des EU-Verteidigungsausschusses. Zuvor ließ man die FDP-Politikerin im ARD-»Morgenmagazin« zu Wort kommen. Dort mahnte sie eine bessere »Vernetzung« der europäischen NATO-Armeen an, denn »kein Land in Europa kann sich selbst verteidigen«. Die Zusammenarbeit der EU-Staaten untereinander und mit den NATO-Ländern Norwegen und Großbritannien, die nicht der EU angehören, sei »die ganz große Herausforderung, wenn wir uns wirklich wehren wollen«, behauptete sie. Zudem seien die USA kein »verlässlicher Partner mehr«, was als »Weckruf« zu verstehen sei.

Die »Keynote« zum Auftakt hielt der Luftwaffengeneral Ingo Gerhartz. »Deutschland als ganzes hat noch nicht die strategische Reife erreicht, die in unserer Zeit erforderlich ist«, sagte der Bundeswehroffizier, der das Kommando über das »Allied Joint Force Command« im niederländischen Brunssum hat. »Wenn Deutschland ein entwickelter Sicherheitsakteur sein will, muss das ganze Land verstehen, dass Investitionen in Fähigkeiten allein nicht ausreichend sind.« Gerhartz warnte davor, die »Glaubwürdigkeit« der transatlantischen Kriegsallianz zu beschädigen. Die NATO könne nicht die Abschreckung für die BRD regeln, sondern müsse in der Lage sein, »durch Deutschland abzuschrecken«. Auch müsse darüber diskutiert werden, wie Abschreckung künftig bei »hybriden Angriffen« und unterhalb der Beistandspflicht nach Artikel 5 des NATO-Vertrags funktionieren könne. Gerhartz: »Wir müssen unsere Haltung zur Abschreckung neu denken.«

Derartig eingestimmt hatten die rund 140 angereisten Offiziere, Rüstungsmanager und Politiker die Qual der Wahl zwischen verschiedenen Diskussionsrunden mit Titeln wie »Totale Verteidigung«, »Der Einsatz von KI beim Militär« oder »Fortschritt der militärischen Nutzung des Weltalls«.

Die Teilnehmer mussten sich entscheiden, ob sie lieber mit skandinavischen Generälen, dem Heeresinspekteur Christian Freuding, Vertretern des Drohnenherstellers Helsing und von US-Rüstungsgigant General Dynamics über »NATO-Fähigkeitsziele« und die »Konsequenzen für europäische Armeen« debattieren oder sich mit deutschen Militärs, Ministerialbeamten und der Präsidentin des Technischen Hilfswerks, Sabine Lackner, über »Befähigung und zivile Unterstützung« Gedanken machen. Eine Runde, die vom Chef der schwedischen Luftwaffe und dem Vizepräsidenten von Lockheed Martin moderiert wurde, beschäftigte sich mit »nordatlantischen Herausforderungen«, während es bei einer anderen Diskussionsveranstaltung um »militärische Forschung und Entwicklung« ging – angeleitet von Wolfgang Koch, »Chief Scientist« des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie.

Das Stelldichein von Militär, Politik und Kapital blieb nicht völlig unwidersprochen. Unbekannte Kriegsgegner hatten bereits Montag abend den Veranstaltungsort aufgesucht und blutrote Farbe vor dem Hoteleingang verschüttet, um zu symbolisieren, »dass die Konferenz für Krieg, Tod und Zerstörung verantwortlich ist«, wie sie am Dienstag auf dem Portal »Indymedia« erklärten. Zusätzlich verstreuten die Antimilitaristen Hunderte Flugblätter mit Parolen wie »Geld für den Kiez, statt Waffen für den Krieg«, »Keine Kriegskonferenz in unserer Stadt« und »Gegen den Krieg der Reichen!«

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