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Aus: Ausgabe vom 18.11.2025, Seite 10 / Feuilleton
Nachruf

Der Mentor

Zum Tod des Schauspielers und Regisseurs Hark Bohm
Von Marc Hairapetian
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Hark Bohm (18.5.1939–14.11.2025)

Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass Hark Bohm am 14. November im Alter von 86 Jahren in seiner Heimatstadt Hamburg nur einen Monat nach dem Start des von Fatih Akin inszenierten Films »Amrum« gestorben ist, dessen Drehbuch er geschrieben hatte. Die auf den Kindheitserinnerungen des am 18. Mai 1939 als Hark Hermann Bohm geborenen Cineasten basierende Coming-of-Age-Geschichte spielt in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs auf der titelgebenden deutschen Nordseeinsel.

Dabei befasste sich der Mann mit den hageren Gesichtszügen und der hohen Stimme, der Personenkult um sich und andere verabscheute, am liebsten mit der Gegenwart. Der Sohn einer Studienrätin und eines Rittmeisters der baltischen Landeswehr, der 1933 der SS beitrat, war selbst überzeugter Antifaschist. Sein juristisches Referendariat in München brach Bohm, der in erster Ehe mit dem späteren RAF-Mitglied Angela Luther verheiratet war und mit seiner zweiten Frau Natalia vier Kinder adoptierte, 1969 ab und widmete sich danach in verschiedenen Funktionen nur noch dem Film.

Der sozialkritische Auteur, der in diversen Werken von Rainer Werner Fassbinder markante Nebenrollen hatte und mit Gleichgesinnten des Neuen Deutschen Films 1971 den Filmverlag der Autoren gründete, schrieb mit »Tschetan, der Indianerjunge« (1972), »Nordsee ist Mordsee« (1976) und »Moritz, lieber Moritz« (1978), allesamt auch moderne Abenteuerfilme im Geiste von Mark Twain, für die er auch seine eigenen Familienmitglieder besetzte. Beachtlich auch seine Langzeitdokumentation »Wölfe« (1976–1978) und der Spielfilm »Yasemin«, die 1989 mit dem Filmband in Gold ausgezeichnete Romanze zwischen einer türkischstämmigen Gymnasiastin und einem deutschen Studenten.

Uwe Bohm (1962–2022) erzählte mir, als wir 1998 gemeinsam den TV-Thriller »36 Stunden Angst. Ein Vater kämpft um sein Kind« drehten, wo ich den von ihm verkörperten Polizisten als investigativer Journalist zu einer Geiselnahme an einer Tankstelle befrage, dass er seinem Adoptivvater »alles zu verdanken« hätte. Doch der Mitbegründer des Hamburger Filmfests, dessen Bruder Marquard Bohm (1941–2006) mit seiner coolen Art zum »deutschen Jean-Paul Belmondo« avancierte, förderte nicht nur ihn, sondern auch zahlreiche andere Nachwuchstalente. Der große Mentor konzentrierte sich in seinen letzten Lebensjahren auf das Schreiben von Drehbüchern wie für die Fatih-Akin-Filme »Tschick« (2016) und »Aus dem Nichts« (2017). Für letzteren wurden beide 2018 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Bei der Verleihung erhielt Hark Bohm auch zu Recht den Ehrenpreis für »herausragende Verdienste um den deutschen Film«.

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