Eine eigene Sprache
Die Schriftstellerin, Theaterregisseurin und Schauspielerin Emine Sevgi Özdamar hat den mit 15.000 Euro dotierten Bertolt-Brecht-Preis der Stadt Augsburg erhalten. Die feierliche Preisverleihung fand am Dienstag statt. Der Preis wurde von einer achtköpfigen Jury vergeben. »Mit Emine Sevgi Özdamar ehren wir eine literarische Stimme, die mit poetischer Kraft und politischer Klarheit Brücken zwischen Kulturen schlägt. Ihr Werk steht ganz im Geiste Bertolt Brechts: unbequem, wach, und voller Menschlichkeit. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche ist ihre Perspektive unverzichtbar«, schrieb der Juryvorsitzende und Kulturreferent der Stadt Augsburg Jürgen K. Enninger.
Emine Sevgi Özdamar, geboren 1946 in Malatya, Türkei, zählt zu den prägendsten Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. In Istanbul und Bursa aufgewachsen, kam sie in den 60er Jahren nach Berlin, lernte Deutsch und absolvierte anschließend eine Schauspielausbildung in der Türkei. Nach dem Militärputsch kehrte sie nach Deutschland zurück und arbeitete unter anderem mit Benno Besson, Matthias Langhoff, Ruth Berghaus, Klaus Peymann, am Berliner Ensemble sowie in Wien, München und Paris.
Ihre Theaterstücke, wie »Karagöz in Alamania« (1982), gehören zu den ersten Werken postmigrantischer Literatur im deutschsprachigen Raum. Auch die Prosa der gelernten Schauspielerin ist von theatralischen Strukturen bestimmt. In ihrer großen Romantrilogie – »Das Leben ist eine Karawanserei« (1992), »Die Brücke vom Goldenen Horn« (1998) und »Seltsame Sterne starren zur Erde« (2003) – sowie zuletzt in »Ein von Schatten begrenzter Raum« (2022) entfaltet und verfremdet sie ihren Lebensweg von der Türkei durch Deutschland Ost und West.
Özdamar war stark von Brechts Theaterästhetik geprägt, insbesondere von dessen Konzept des Epischen Theaters. Ab den 90er Jahren etablierte sie sich als herausragende literarische Stimme. Die Jury des Bertolt-Brecht-Preises 2026 erklärte: »Bereits mit ihrem ersten Erzählband, ›Mutterzunge‹ (1990), hat die Autorin und Theatermacherin Emine Sevgi Özdamar eine eigene Sprache von seltener Schönheit in die deutsche Literatur eingeführt: opulent und lautmalerisch, belebt vom Erbe einer oralen Tradition. In der Kollision zwischen Welten, Sprachen und politischen Systemen decken diese vielstimmigen, abgründigen Märchen, die Spuren von Marginalisierung, staatlicher Gewalt und menschlicher Hoffnung auf.« (jW)
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