Empathie und MDMA
Von Helmut Höge
Empathie, Mitgefühl, ist das Gegenteil von Ekpathie, kein Mitgefühl oder die Ablehnung von Einfühlungsvermögen. Ein schönes Beispiel dafür ist ein Satz des Trump-Propagandisten Charlie Kirk: »Ich kann das Wort Empathie nicht ausstehen. Ich glaube, Empathie ist ein erfundenes New-Age-Wort – und es richtet großen Schaden an.«
Im »Handbuch Kunstphilosophie« (herausgegeben von Judith Siegmund, 2022) heißt es im Artikel »Empathie« der Marburger Philosophin Íngrid Vendrell Ferran: »Auch wenn der Begriff der Empathie bzw. der Einfühlung seine Ursprünge in der Romantik hat und bereits bei Herder und Novalis eine wichtige Rolle spielte, wurde er erst im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem terminus technicus weiterentwickelt, um ein inneres Nachvollziehen zu bezeichnen, das seitens des Zuschauers mit Blick auf lebendige und nicht lebendige Objekte stattfindet.«
In Dänemark lernen Kinder in der Schule seit geraumer Zeit nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen – sondern auch Mitgefühl. Empathie ist ein eigenes Schulfach für alle zwischen sechs und 16 Jahren. Auf kontrast.at heißt es in einem Artikel vom August dieses Jahres dazu: »So verbessern sie ihre sozialen Fähigkeiten und stärken den Zusammenhalt in den Klassen. Das zeigt sich auch in den Zahlen zu Mobbing: Laut einer Studie des dänischen Instituts für öffentliche Gesundheit sank der Anteil der Jugendlichen, die regelmäßig Opfer von Mobbing wurden, von 24,4 Prozent im Jahr 1994 auf 6,3 Prozent im Jahr 2022.«
Das ist wahrscheinlich grober Unfug, denn immer wenn Lehrer etwas Neues mit Engagement erproben, haben sie anfänglich Erfolg. Man weiß das aus Indien, wo alle naselang eine neue private Modellschule gegründet wird. Sie hat jedes Mal erstaunliche Erfolge, aber dann kommen die Mühen der Ebene, der Alltagstrott. Auf Dänemark bezogen: Das »Mobbing« nimmt dann wieder sozusagen normale Ausmaße an.
Schlimmer noch: Weil das »Mobbing« wie fast alles aus Amerika kommt, ist sogar zu erwarten, dass es zu einer Mode unter Schülern wird. Auch bei den Opfern: Das ist so wie beim »Stalking«: In Kalifornien engagieren Schauspieler sogar Stalker, denn wer nicht gestalkt wird, der bedeutet nichts. Denkbar wäre es also, dass dänische Schüler nach Hause kommen und rufen: »Mami, ich bin heute gemobbt worden!« Und die ganze Familie freut sich, weil das bedeutet, dass die Mitschüler wenigstens seine Anwesenheit zur Kenntnis genommen haben.
Von der Empathie abgeleitet ist das Wort Empathogen – ein Wirkstoff, der laut Wikipedia »dazu führt, dass die unter seinem Einfluss stehende Person das Gefühl hat, mit anderen Menschen zusammen eine Einheit zu bilden, sie zu verstehen, mit ihnen gemeinsam zu fühlen.« Die dänischen Jugendlichen werden diesen Empathiewirkstoff dem Schulunterricht sicher vorziehen.
Zu den empathogenen Wirkstoffen zählen Ecstasy (MDMA) und die Designerdroge Methylon (»Mina«, MDMC). Bis zu ihrem Verbot in den 80er Jahren wurden diese Drogen in der Psychotherapie eingesetzt. Vor allem aber nehmen sie die Besucher von Technoclubs. Uunter anderem, um das ganze Wochenende durchzutanzen – und sich mit allen anderen, die durchhalten, »verbunden zu fühlen«.
Wikipedia erwähnt eine Studie, die nahelegt, dass der Einfluss von MDMA eine »verminderte Wahrnehmung von bedrohlichen Gesichtsausdrücken« bewirkt. Die Autoren der Studie schlossen daraus, dass durch die Droge soziale Annäherung – hier durch Ausblenden von Risiken – gefördert würde und nicht etwa soziale Einfühlung (Empathie). Das hört sich so an, als hätten die Autoren der Studie den Auftrag gehabt, zu beweisen, dass MDMA den Kids in der »Clubkultur«, wie man so sagt, nicht gut bekommt, also dass die unter Droge stehenden jungen Menschen sich die »Einheit« auf der Tanzfläche nur einbilden, weil die Droge sie allesamt verblödet hat. Ich glaube diesen Medizinern kein Wort.
Mein Empathievermögen hingegen ist eine Déformation professionnelle: Ich habe in meinem Leben schon so viele Menschen interviewt, das heißt, mich in sie hineinversetzt (selbst in die größten Arschlöcher), dass ich inzwischen selbst Mitgefühl mit einem Grashalm habe, wenn jemand drauftritt.
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