Gegründet 1947 Sa. / So., 27. / 28. Dezember 2025, Nr. 300
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 11.11.2025, Seite 10 / Feuilleton
Spanische Geschichte

Der Schatten des »Caudillo«

Eine Arte-Doku über das Erbe der Franco-Diktatur in Spanien geht heiklen Fragen aus dem Weg
Von Carmela Negrete
10.jpg
Die Menschenrechtsaktivistin Pilar Zabala besichtigt Gräber

Vor 50 Jahren starb Francisco Franco. Der Tod des »Caudillo« leitete in Spanien den Übergang von der faschistischen Diktatur zu demokratischen Verhältnissen ein. Ein passender Anlass, Bilanz zu ziehen. Doch 53 Minuten reichen kaum aus, um fünf Jahrzehnte spanischer Geschichte zu erzählen. Genau das versucht der Dokumentarfilm »Das Erbe des Diktators – 50 Jahre Demokratie in Spanien«, den der Sender Arte jetzt zeigt. Leider bleibt der Film hinter seinen Möglichkeiten zurück: Die Regisseure ziehen keine klaren Schlussfolgerungen, der Film vermittelt kaum neue Einsichten und ist voll von Plattitüden und Ungenauigkeiten.

Besonders problematisch ist, wie Francos Aufstieg dargestellt wird. Dass der General im Sommer 1936 gegen die gewählte Volksfrontregierung putschte, findet überhaupt keine Erwähnung. Statt dessen ist die Rede von einem »Bürgerkrieg, bei dem sich rechte Militärs und linke Republikaner gegenüberstanden«. Man erfährt schlichtweg nicht, wie es dazu kam. Zwar wird erwähnt, dass Franco »auch mit Unterstützung von Mussolini und Hitler« siegte, allerdings kommen inzwischen immer mehr Historiker zu dem Schluss, dass die Hilfe aus Deutschland und Italien dabei der entscheidende Faktor war. Eine Information, die dem deutschen Publikum vorenthalten wird.

Keine Beachtung findet die bundesdeutsche Kooperation mit der Franco-Diktatur. Lediglich ein kurz präsentiertes Foto, das den Generalísimo mit Bundeskanzler Konrad Adenauer zeigt, lässt erahnen, dass die beiden Staaten eine besondere Beziehung unterhielten. Spanien war ein Zufluchtsort für alte Nazis.

Die Dokumentation von Cosima Dannoritzer, die in der Vergangenheit eine ganze Reihe gelungener und interessanter Filme gedreht hat, konzen­triert sich auf die Zeit nach der Diktatur und erzählt dabei viel Altbekanntes: Franco ernannte den Bourbonen Juan Carlos zu seinem Nachfolger; während der Transición, des Übergangs vom Franquismus zur parlamentarischen Monarchie, blieb der staatliche Terrorismus als Mittel der Verfolgung und Einschüchterung erhalten, der gescheiterte Putschversuch von 1981 ließ den König als Retter der Demokratie erscheinen.

Die Auswahl der Interviewpartner wirkt fragwürdig. So wird der Leiter der Francisco-Franco-Stiftung, Juan Chinarro, vorgestellt, der Franco als »einen der größten Staatsmänner Spaniens« glorifizieren darf. Dass sein Verein bald verboten werden soll und Chinarro erwägt, ins Exil zu gehen, erfährt man leider nicht. Als vermeintliches Gegengewicht tritt Emilio Silva auf, Historiker und Präsident der »Asociación para la Recuperación de la Memoria Histórica«. Silva hat Pionierarbeit bei der Öffnung von Massengräbern geleistet, unter anderem auf der Suche nach den Überresten seines Großvaters. Im Jahr 2000 leitete er die ersten wissenschaftlichen Exhumierungen republikanischer Opfer des Spanischen Kriegs zwischen 1936 und 1939. Die meisten Opfer hingegen, die auf seiten der putschenden Militärs kämpften, hatte das franquistische Regime bereits lange zuvor exhumiert. Auch diese Information bleibt der Film schuldig.

Oberflächlich bleibt auch die Darstellung der Transición. Zwar wird erwähnt, dass Familien, die vom franquistischen Regime profitiert hatten, auch danach hohen Einfluss hatten. Namen entsprechender Unternehmer, Richter oder ranghoher Militärs werden jedoch nicht genannt. Etliches, worauf kritisch hinzuweisen wäre, fehlt: etwa die noch bis in die 80er Jahre übliche Praxis, Eltern mit Hilfe der Kirche die neugeborenen Kinder wegzunehmen, ebenso der Tatbestand der systematischen Folter, für die Spanien mehrfach bei der UNO und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügt wurde. Alles, was nicht dem gleichsam offiziellen Narrativ entspricht, findet einfach nicht statt.

»Das Erbe des Diktators« vermittelt ein stark vereinfachtes Bild der jüngeren spanischen Geschichte, das – zugegebenermaßen – einen kurzen Überblick liefern kann, aber für alle wenig lehrreich ist, die verstehen wollen, wie komplex die Transición tatsächlich gewesen ist und welche Schatten die Franco-Diktatur noch immer wirft.

»Das Erbe des Diktators – 50 Jahre Demokratie in Spanien«, Regie: Cosima Dannoritzer und Pedro Barbadillo, Spanien 2025, 53 Min., Erstausstrahlung auf Arte am 11. November 2025, 22 Uhr

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Ähnliche:

Regio:

Mehr aus: Feuilleton