Letzter Vorhang
Von Gisela Sonnenburg
Zum letzten Mal hob sich vergangenen Sonntag im Berliner Ensemble (BE) um Punkt zwölf Uhr der Vorhang für einen Theatermacher, der dort von 1999 bis 2017 das kreative Zepter in den Händen hielt: für Claus Peymann. Ich traf diesen König der Regie – eine persönliche Erinnerung sei erlaubt – zuletzt anlässlich eines Anstandsbesuchs beim Schauspieler Bernhard Minetti, auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof. Jetzt liegt Peymann auch dort, ist aber leichter zu finden als Minetti. Er ruht bei der Luther-Statue gleich links.
Links von Luther – das passt. Aus Klassikern machte Peymann moderne Gegenwartsstücke, aus Uraufführungen Feste der Vergänglichkeit. 25 Weggefährtinnen und Weggefährten versammelten sich jetzt auf der Bühne, um ihm das letzte Geleit zu geben. Die Schauspielerin Meret Becker, die Peymann und Peter Handke mal eine Uraufführung rettete, stand dabei als wandelndes A und O für Peymann ein. Mit einer Spieluhr und einer singenden Säge bewaffnet, trug sie rührende Zeilen vor (»Jeder geht anders«). Später warf sie als Teilnehmerin eines Totentanzes, den Peymann noch selbst inszeniert hatte, Konfetti in den Bühnenraum. Zum Abschied pustete sie das bunte Zeug von ihrer Hand wie einen Liebesgruß.
Über den wird sich der Geist von Peymann besonders gefreut haben. Oliver Reese, sein Nachfolger als Intendant des BE, gestand hingegen in seiner Rede einen Diebstahl aus Liebe: Der im Belser Verlag erschienene Bildband über Peymanns Stuttgarter Inszenierung von »Faust I« und »Faust II« faszinierte Reese so sehr, dass er ihn aus der Stadtbibliothek in Paderborn dauerhaft entwendete.
Gar nicht geklaut, sondern wunderschön war der Vortrag von Carmen-Maja Antoni, die in einem knackigen Report Peymanns Weg von Wien nach Berlin schilderte. Sie, die schon vor ihm am BE der Schauspielkunst mit Sternendunst diente, wurde dank ihm zur »Mutter Courage« des 21. Jahrhunderts. Hermann Beil, Peymanns langjähriger Dramaturg, punktete indes mit einem Zeugniszitat von 1947: »Peymann rülpst«.
15 verschiedene Nummern, darunter eine Foto- und eine Filmcollage, erinnerten an den König der Theaterregie. Meike Droste als Brechts »Heilige Johanna der Schlachthöfe« beschrieb 2003 die Schaukel, die Arm und Reich voneinander trennt. Und Sabin Tambrea starb nochmals als »Prinz Friedrich von Homburg« im Kugelhagel. Der klang schon 2017 mehr nach Krieg als nach Hinrichtung. Es war, wie Peymann es gewollt hätte: zum Lachen, aber auch zum Weinen schön.
Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug
Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
Julia Steinigeweg/Berliner Ensemble09.10.2025»Entzückend, Baby. Isses wahr?«
Rudolf Gigler/imago18.07.2025»Wie zahm wir alle geworden sind!«
Willy Saeger16.07.2025Nach drüben
Regio:
Mehr aus: Feuilleton
-
»Willkommen im Zeitalter der Ermüdung«
vom 28.10.2025 -
Nietzsche und die Biologie
vom 28.10.2025 -
Eine Xanax und vier Bier
vom 28.10.2025 -
Verfolgte Unschuld
vom 28.10.2025 -
Nachschlag: Schuld ist der Biobauer
vom 28.10.2025 -
Vorschlag
vom 28.10.2025 -
Doppeldenkfabrik
vom 28.10.2025