Urteil mit Sprengkraft
Von Satyajeet Malik
Kurz vor der Urteilsverkündung im Prozess gegen die gestürzte Premierministerin Sheikh Hasina erschüttert eine Welle der Gewalt Bangladesch. Nach Angaben der Behörden kam es allein am Mittwoch zu 32 Explosionen von selbstgebauten Bomben. Auch wurden Busse in Brand gesetzt. Am Donnerstag kam es nach einem Aufruf der Partei Hasinas, der Awami-Liga, zu landesweiten Streiks. Die Polizei nahm Dutzende Awami-Anhänger wegen der mutmaßlichen Beteiligung an Explosionen und Sabotageakten fest, wobei auch die Parteizentrale angegriffen wurde. Hintergrund der Unruhen ist das für Montag erwartete Urteil des »Internationalen Strafgerichts« des Landes gegen die ehemalige Regierungschefin. Hasina, die seit ihrer Entmachtung im vergangenen Jahr im indischen Exil lebt, werden Verbrechen gegen die Menschheit vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft fordert die Todesstrafe, da sie sie beschuldigt, die Hauptverantwortliche für Hunderte von Toten während der Massenproteste gegen ihre Regierung im August vergangenen Jahres zu sein. Nach Angaben von UN-Menschenrechtsermittlern sollen bei den Protesten bis zu 1.400 Menschen getötet worden sein.
Hasina weist die Vorwürfe kategorisch zurück und behauptete in einem kürzlich veröffentlichten Interview mit der BBC, sie habe den Einsatzkräften zu keinem Zeitpunkt befohlen, auf die Demonstranten zu schießen. Sie sagte weiter, ihr Prozess in Abwesenheit sei eine »Farce«, inszeniert von einem »Scheingericht«, das von politischen Gegnern kontrolliert werde. Diese versuchten, die Awami-Liga als politische Kraft zu »liquidieren«. Die Partei ist von der Teilnahme an den im Februar anstehenden Parlamentswahlen ausgeschlossen. Begonnen hatten die Proteste gegen Hasinas Regierung im Juli 2024 mit der Forderung nach einer Abschaffung der Quotenregelung im öffentlichen Dienst. Anfang August dann forderten die von Studenten angeführten Proteste auch ihren sofortigen Rücktritt, was zu heftigen Repressionen durch die Polizei führte, bei denen Hunderte von Demonstranten ums Leben kamen. Ähnlich wie später in Nepal versammelten sich die Demonstranten in den frühen Morgenstunden des 5. August um mehrere Regierungsgebäude in Dhaka, darunter auch die Residenz von Hasina, die sie schließlich erfolgreich stürmten. Seitdem fungiert Nobelpreisträger und Vorzeigefigur des Neoliberalismus, Muhammad Yunus, als Interimspremierminister des Landes.
Nun hat Dhaka seinen Unmut über die indische Regierung zum Ausdruck gebracht, weil diese Hasina in den vergangenen Tagen erlaubte, frei mit den Medien zu interagieren. So berief Außenminister Touhid Hossain am Mittwoch den stellvertretenden Hochkommissar Indiens in Dhaka ein und brachte seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass die Exilantin »eine Plattform erhält, um Hass zu schüren und terroristische Handlungen in Bangladesch zu befürworten«. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Bangladesh Sangbad Sangstha (BSS) forderte sein Ministerium Neu-Delhi zudem auf, Hasina den Zugang zu den Medien unverzüglich zu verbieten.
In einem Interview mit der Zeitung Indian Express warf diese jüngst auch der nicht gewählten Yunus-Regierung vor, »die Beziehungen zu Indien zu gefährden und extremistische Kräfte zu stärken«. In einem weiteren Gespräch mit News18 wies sie jedoch Berichte zurück, die eine Beteiligung der USA am Sturz ihrer Regierung nahelegen. Dies ist bemerkenswert, da die indische Zeitung Economic Times Hasina wenige Tage nach ihrem Rücktritt mit der Aussage zitierte, die USA hätten eine Rolle bei ihrer Entmachtung gespielt, weil sie die Kontrolle über die Insel Saint Martin in der Bucht von Bengalen erlangen wollten. Hasinas Sohn Sajeeb Wazed hatte den Bericht wenige Tage später als »völlig falsch und erfunden« zurückgewiesen. Die zu Bangladesch gehörende Insel Saint Martin liegt in der Nähe von Myanmar und der Straße von Malakka. Aufgrund ihrer geostrategischen Lage haben die USA seit langem Interesse an der Insel bekundet, um dort Militärstützpunkte zu errichten.
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