Gegründet 1947 Dienstag, 30. Dezember 2025, Nr. 302
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 15.11.2025, Seite 7 / Ausland
Wahlen im Irak

Spagat zwischen Iran und USA

Irak nach den Wahlen: Wie die Zukunft des Landes aussieht, wird weiterhin von äußeren Faktoren beeinflusst
Von Hassan Al-Askari
2025-11-12T175353Z_1862269926_RC25VHAD78U2_RTRMADP_3_IRAQ-ELECTI
Nach bewährtem Vorbild hieß die Parole im Wahlkampf auch für die Anhänger von Premierminister Sudani »Der Irak zuerst« (Bagdad, 12.11.2025)

Feiernde Massen mit Irak-Flaggen auf dem Tahrir-Platz, dem Wahrzeichen Bagdads. Das Denkmal der Freiheit verbildlicht mit seinen Bronzefiguren, wie das Land unabhängig wurde. Gestaltet ist es im Stil Babylons, einer der ältesten Zivilisationen. Im Zentrum sticht die Darstellung eines Menschen hervor, der aus einem Käfig ausbricht. Am Mittwoch feierten die dort Versammelten, dass sich das »Bündnis für Aufbau und Entwicklung« bei der sechsten Parlamentswahl seit dem Sturz Saddam Husseins am Vortag durchsetzen konnte.

Die Koalition des amtierenden Regierungschefs Mohammed Schia Al-Sudani hat mit 12,08 Prozent der Stimmen bei circa 21 Millionen Wahlberechtigten gesiegt. Ob Sudani eine zweite Amtszeit antreten kann, wird sich am Ende der Verhandlungen mit den anderen Parteien zeigen. Die Demokratische Partei Kurdistans (DPK) des ehemaligen Präsidenten der Autonomieregion Masud Barsani liegt mit 10,09 Prozent an zweiter Stelle. Da keine Kraft allein eine Mehrheit hat, müssen Verhandlungen mit anderen Parteien über eine Regierungsbildung und die Verteilung der Posten geführt werden, was Monate dauern könnte.

Grundsätzlich gibt es im Irak drei große Wahlblöcke, einen sunnitischen, einen schiitischen und einen kurdischen, die sich alle noch mal in verschiedene Parteien und Allianzen gliedern. Seit 2005, als die Iraker wieder wählen durften, gilt die inoffizielle Regel, dass der Präsident Kurde, der Premierminister Schiit und der Parlamentspräsident Sunnit sein muss, um sicherzugehen, dass die Interessen der Bevölkerung im Vielvölkerstaat vertreten sind. 83 der insgesamt 328 Sitze sind für Frauen reserviert und neun für Minderheiten wie Christen oder Jesiden.

Mit einer Wahlbeteiligung von 56,11 Prozent sieht Al-Sudani das öffentliche Vertrauen in die Politik wiederhergestellt. In seiner Siegesrede versprach er Reformen und Wiederaufbau. Ein Mammutprojekt, das er schon in seiner ersten Amtszeit verkündet hatte, ist der Aufbau einer Handelsroute, um Irak mit der Türkei und Europa zu verbinden. Mit Bauprojekten wie diesem hofft er, die Wirtschaft zu stärken und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Er gilt als »gemäßigt«, sowohl was die Beziehungen zu den Erzfeinden USA und Iran angeht, als auch bei den religiösen Minderheiten. Feierlich hat er zur Neueröffnung von zwei katholischen Kirchen im September, die von der Dschihadistengruppe »Islamischer Staat« (IS) in Mossul zerstört worden waren, die Glocken läuten lassen.

Schon in seiner ersten Amtszeit musste Sudani Geschick beweisen. Auf der einen Seite möchte er US-Investoren für seine infrastrukturellen Ziele anlocken und pflegt gute diplomatische Beziehungen zum Weißen Haus. Auf der anderen Seite fordert dieses, dass er die Volksmobilisierungskräfte (Haschd Al-Schaabi) entwaffnet. Diese waren 2014 gegründet worden, um gegen den IS zu kämpfen, den sie 2017 zusammen mit der irakischen Armee besiegten. Zu ihren Aktivitäten zählen auch Angriffe auf US-Militärbasen sowie seit dem Genozid in Gaza auf Israel. Sie haben Rückhalt in weiten Teilen der mehrheitlich schiitischen Bevölkerung und sind durch diverse Parteien vertreten. Mitglieder und Unterstützer der Kräfte halten dem Vorwurf, dass sie die Souveränität des Irak untergraben, da sie mit dem Iran kooperieren, entgegen, dass der irakische Staat sie finanziert und sie nur aus Irakern bestehen, wohingegen noch etwa 2.500 ausländische US-Soldaten im Irak stationiert sind.

Bereits 2020 hatte das irakische Parlament einstimmig beschlossen, dass die US-Truppen abziehen sollen. Erst dann könnten die Waffen der Haschd Al-Schaabi unter staatliche Kontrolle gebracht werden, so Sudani. Eine Drohung aus Washington erreichte Verteidigungsminister Thabit Al-Abbasi Ende Oktober. Eine nicht näher genannte Operation der USA sei geplant, und man werde »zurückschlagen«, wenn »bewaffnete Gruppen reagieren«. Diese Entwicklung droht die Stabilität im Land erneut zu gefährden. Die Iraker haben seit 1980 kein ganzes Jahrzehnt ohne Kriege und Konflikte mehr erlebt. Erst seit der IS 2017 besiegt wurde, steuert das Land auf sein erstes vergleichsweise stabiles Jahrzehnt zu.

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • US-Soldaten bewachen Militärbasis »K1«, während ein Vertrag über...
    04.04.2020

    Zwischen Abzug und Eskalation

    US-Regierung spielt im Irak mit dem Feuer. Möglicherweise völkerrechtswidrige Verlegung von »Patriot«-Raketen in das Land
  • Westliche Medien behaupten gern, nach dem Sieg über den »Islamis...
    22.06.2018

    Wahl in Trümmern

    Nach den Parlamentswahlen im Irak zeichnet sich die Bildung einer Koalition unter der Führung von Muktada Al-Sadr ab. Ob es gelingt, das Land zu stabilisieren, ist aber zweifelhaft

Mehr aus: Ausland