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Aus: Welt im Umbruch, Beilage der jW vom 05.11.2025
Welt im Umbruch

Offener Kampf

USA und BRICS: Trump will Gegenmacht mit Zöllen brechen, um die Vorherrschaft des US-Dollars zu sichern und sich politisch durchzusetzen
Von Jörg Kronauer
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Auch in Indonesien fachten tödliche Repressionen die sozialen Proteste weiter an (Jakarta, 29.8.2025)

Mitte Oktober ließ Donald Trump seiner Phantasie einmal mehr freien Lauf. »Ich habe allen gesagt, die BRICS-Mitglieder sein wollten: Das ist in Ordnung, aber dann verhängen wir Zölle gegen euer Land«, schwadronierte der alternde Immobilienhändler, den sich die USA als Präsidenten leisten, vor versammelter Presse im Weißen Haus. Und was taten die verschreckten Mitglieder in spe, mit drohenden US-Zöllen konfrontiert? Na klar: »Alle stiegen sie bei den BRICS aus«, brabbelte Trump vor sich hin, in immer konfusere Phrasen abgleitend; »sie sprechen nicht einmal mehr von der Organisation.« Das 2006 gegründete Staatenbündnis – steht es wirklich kurz vor der Auflösung, weil Trump wüst den Zollhammer schwingt? In Trumps sinnfernem Gerede war ein Satz aber dennoch aufschlussreich: »Die BRICS«, äußerte er, »waren ein Angriff auf den Dollar«. Das habe ihn zu seinen massiven Zolldrohungen gegen sie motiviert.

Die BRICS-Staaten gehörten zu den ersten, die Trump mit drastischen Zöllen bedrohte; und dabei ging es von Anfang an um den US-Dollar. Am 30. November 2024 ließ der Milliardär – gerade erst gewählt und noch längst nicht im Amt – die Welt wissen, er »verlange« von dem Bündnis, »dass es weder eine neue BRICS-Währung schaffen noch irgendeine andere Währung unterstützen« solle, »die den mächtigen US-Dollar ersetzen könnte«. Was war geschehen? Russlands Präsident Wladimir Putin hatte auf dem BRICS-Gipfel im Oktober 2024 darauf hingewiesen, dass die westlichen Zwangsmaßnahmen gegen sein Land – und gegen weitere Länder – Folgen hätten: Wer etwa vom Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen werde, sei gezwungen, Alternativen zu entwickeln. Genau das geschehe nun eben bei den BRICS. Trump war’s egal. Er setzt, wenn irgend möglich, auf die komplette Unterwerfung aller tatsächlichen oder auch nur möglichen Rivalen. Wer die globale Dominanz des Dollars wie auch immer untergrabe, so tönte er, werde mit Zöllen in Höhe von 100 Prozent bestraft und müsse seinen Exporten »in die wunderbare US-Wirtschaft Lebewohl sagen«.

Insgesamt und im einzelnen

Trump und die BRICS – das ist ein Buch, in dem die Wahrung der Dominanz des US-Dollars ein wichtiges, aber beileibe nicht das einzige Kapitel ist: Im Kern ist es ein Bündnis aufstrebender Schwellenländer, die die Vorherrschaft nicht nur der US-Währung, sondern des Westens insgesamt, also auch der USA brechen wollen. Damit sind sie – und vor allem ihre fünf namensgebenden Gründungsmitglieder – Washington strukturell ein Dorn im Auge. China, das sich anschickt, die Vereinigten Staaten als stärkste Wirtschaftsmacht überhaupt abzulösen, ist von der US-Bourgeoisie längst parteiübergreifend zum Hauptfeind erklärt worden und wird auf breiter Front attackiert. Russland ist ein schwierigeres Kapitel – Trump versucht beharrlich, die Beziehungen zu ihm zu verbessern, um auf die eine oder andere Weise Keile zwischen Moskau und Beijing zu treiben. Bislang gelingt ihm dies nicht.

Heftige Konflikte hat Trump mit Südafrika und mit Brasilien vom Zaun gebrochen. Bei beiden handelt es sich um recht komplexe Auseinandersetzungen. Mit Pretoria hat er sich auch deshalb angelegt, weil die Regierung dort zu den schärfsten Kritikern von Israels Vorgehen gegen die palästinensische Bevölkerung gehört und dem mit seiner Genozidklage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) Ausdruck verliehen hat. Die israelische Rechte jedoch ist Trumps bevorzugter Kooperationspartner in Nah- und Mittelost. Im Gegenzug unterstützt die US-Regierung nun weiße Rassisten in Südafrika und geht ökonomisch und politisch drastisch gegen das Land vor: Sie hat – bei wenigen Ausnahmen – Zölle in Höhe von 30 Prozent auf Importe aus dem Land verhängt, erheblich mehr als im Fall der meisten anderen. Sie hat im März – ein recht seltener Akt – den südafrikanischen Botschafter des Landes verwiesen. Und sie hat Präsident Cyril Ramaphosa bei dessen Besuch im Weißen Haus mit dem beispiellos erlogenen Vorwurf attackiert, Pretoria verübe einen Genozid an Weißen. Wer aufbegehrt gegen den selbsternannten Herrn der Welt, wird brutalst zurechtgestutzt: So lautet die Botschaft.

Die hat Trump auch im Fall Brasiliens zu übermitteln versucht. Auslöser war dort der Prozess gegen Jair Bolsonaro, einen loyalen Parteigänger des US-Präsidenten, der sich nach seiner Wahlniederlage ganz wie sein US-Vorbild per Umsturz an die Macht zu bringen versuchte; dafür wurde der Faschist vor Gericht gestellt. Trump, mit dem Verlust eines seiner bedeutendsten Kooperationspartner in Lateinamerika konfrontiert, forderte Bolsonaros sofortige Freilassung. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, erhöhte er die Zölle auf die US-Importe aus Brasilien von 25 auf 50 Prozent – ein heftiger Schlag für die brasilianische Bourgeoisie. Die Regierung von Präsident Luis Inácio Lula da Silva knickte nicht ein, trat vielmehr – ein klares Signal – nur wenige Tage später der südafrikanischen Genozidklage gegen Israel bei. Verhandlungen folgten; Mitte Oktober hieß es, beide Seiten bereiteten ein Treffen von Trump und Lula vor. Washington hat den Kampf gegen Brasília bislang nicht gewonnen. Und das gilt auch für das BRICS-Mitglied Indien.

Angewiesen aufeinander

In diesem Fall liegen die Dinge anders: Trump und Indiens hindunationalistischer Ministerpräsident Narendra Modi unterhielten lange Zeit enge und gute Beziehungen – dies jedenfalls, bis Trump meinte, er könne Neu-Delhi mit der Verhängung von Zöllen in Höhe von 50 Prozent auf US-Importe nötigen, seine Erdöl- und Rüstungsgeschäfte mit Russland zu beenden, und so einen Keil zwischen zwei wichtige BRICS-Staaten treiben. Es trifft zu: Indien ist auf eine gewisse Zusammenarbeit mit den USA angewiesen, um sich gegen seinen großen asiatischen Rivalen China zu behaupten. Umgekehrt profitiert Washington von der indischen Mitgliedschaft – so zum Beispiel, weil Neu-Delhi eine Alternativwährung zum US-Dollar, die nach Lage der Dinge wohl von der Wirtschaftsmacht China dominiert würde, aus ebenjenem Grund ablehnt. Trump hat nun aber, als er die US-Zölle erhöhte, das indische Beharren auf einer eigenständigen Außenpolitik wohl unterschätzt; Modi gab nicht nach, der Konflikt eskalierte. Weil beide aber, wie erwähnt, aufeinander angewiesen sind, muss jetzt ein Kompromiss gefunden werden.

Beißt Trump sich an den BRICS die Zähne aus? Bislang jedenfalls ist es ihm nicht gelungen, die Staaten seinem Willen zu unterwerfen. Im Juli drohte er – etwas vorsichtiger und auch ein wenig bescheidener geworden – lediglich denjenigen, die den BRICS neu beitreten wollen, mit Zusatzzöllen von – nein, nicht 100, auch nicht 25, nur zehn Prozent. Da mag der US-Mogul noch so selbstgefällig über einen haltlos herbeifantasierten Zerfall schwadronieren: Das Bündnis, das die westliche Dominanz durchbrechen will, widersteht seinen Pressalien bislang mit Erfolg.

Jörg Kronauer ist ­Journalist und regelmäßiger Autor in junge Welt sowie auf german-foreign-policy.com

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