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Aus: Welt im Umbruch, Beilage der jW vom 05.11.2025
Welt im Umbruch

Gegen den Kahlschlag

Weltweit gehen junge Menschen gemeinsam mit anderen marginalisierten Gruppen auf die Straßen und stürzen in manchen Fällen auch Regierungen
Von Satyajeet Malik
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Die landesweiten Proteste haben die Herrschenden in Marokko überrascht. Die Antwort waren brutale Repressionen und ein paar Zugeständnisse (Rabat, 3.10.2025)

In den vergangenen Monaten haben Proteste der sogenannten Gen Z eine ganze Reihe von Ländern des globalen Südens erschüttert. Ob in Nepal und Bangladesch in Südasien, Marokko und Madagaskar in Afrika oder Peru, Ecuador und Paraguay in Südamerika: Die in eine Onlinewelt geborene Generation organisiert sich in sozialen Netzwerken und fordert die herrschenden Eliten heraus. Vielfach nutzen sie als Kennzeichen eine schwarze Fahne mit einem Totenkopf, der einen Strohhut trägt – in Madagaskar ersetzt durch eine landesübliche Kopfbedeckung. Die Flagge stammt aus der weltweit am meisten verkauften Manga-Serie »One Piece«. Darin nimmt eine Gruppe Piraten auf der Suche nach einem legendären Schatz auch den Kampf mit der korrupten Weltregierung auf.

Der Aufstand in Nepal hat weltweit die größte Aufmerksamkeit erfahren. Innerhalb von nur zwei Tagen führte er zum Sturz der Regierung von Premierminister Khadga Prasad Oli – der zugleich Vorsitzender der Kommunistischen Partei Nepals (Vereinigte Marxisten-Leninisten) ist. Auslöser war das Verbot von 26 Internetplattformen, darunter Facebook und X, Anfang September. Auf ähnliche Weise war es im August des Vorjahrs in Bangladesch gelungen, die damalige Premierministerin Scheich Hasina zu stürzen, die schließlich nach Indien floh. Schon im Mai 2022 war in Sri Lanka Präsident Mahinda Rajapaksa aus dem Land vertrieben worden, das unter einer tiefen Wirtschaftskrise litt.

In Madagaskar beendeten Demonstrationen einer Gruppe, die sich »Genera­tion Z Collective« nannte, die 15jährige Herrschaft von Präsident Andry Rajoelina, der sich nach seiner Amtsenthebung durch das Parlament Mitte Oktober nach Frankreich absetzte. Etwas zeitversetzt trug in Marokko eine Bewegung namens »Gen Z 212« (00212 ist die Vorwahl des Landes) ihre Verbitterung auf die Straße, nachdem in der Stadt Agadir binnen weniger Wochen acht Frauen bei ihrer Entbindung in einem öffentlichen Krankenhaus ums Leben gekommen waren.

In Peru wurde Präsidentin Dina Boluarte abgesetzt, die durch einen Justizputsch gegen ihren linken Vorgänger Pedro Castillo an die Macht gekommen war. Die Proteste eskalierten Ende September, wobei Studenten mit ihren Forderungen eine wichtige Rolle spielten. Ähnlich ging zur gleichen Zeit in Paraguay die »Generation Z« unter dem Motto »Wir sind die 99,9 Prozent« auf die Straße und verlangte ein Ende von Korruption und Repression sowie eine andere Drogenpolitik. Schließlich kam es in Ecuador als Reaktion auf explodierende Treibstoffpreise zu einem einmonatigen Generalstreik und zu Protesten, die gewaltsam niedergeschlagen wurden.

Verdacht auf »Farbrevolution«

Allerdings wurden die Proteste der »Gen Z« von progressiven Kräften weltweit auch mit Skepsis aufgenommen. Zunächst gab es Vorwürfe, dass es sich um »Farbrevolutionen« handele, die durch die USA orchestriert worden seien. In Nepal wurde zum Beispiel behauptet, dass die Organisation »Hami Nepal« eine Schlüsselrolle gespielt habe, die von der berüchtigten US-Stiftung National Endowment for Democracy finanziert wird. Bestimmte Personen, die mit der NGO in Verbindung stehen, sollen auch Verbindungen zum US-Sicherheitsapparat haben. Es wird vermutet, dass die prochinesische Haltung von Premier Oli den USA ein Dorn im Auge war.

Entsprechend gab es in Bangladesch Vorwürfe, die USA seien an der Absetzung von Hasina beteiligt gewesen, da diese sich Forderungen widersetzt hatte, Bangladesch für geopolitische Spiele gegen China zu nutzen. Der neue Interimspremier Mohammed Yunus, ein Aushängeschild des Neoliberalismus und Liebling der Weltbank, hat auch sofort einen anderen Kurs eingeschlagen. Unter dem Vorwand, den Menschen in den Kriegsregionen Myan­mars beistehen zu müssen, eröffnete er Washington einen Landkorridor ins Nachbarland. Dieser Schritt wird als Versuch angesehen, dem chinesischen Einfluss in Myanmar entgegenzuwirken. Auch bei Sri Lanka wurde eine Beteiligung der USA an der Absetzung Rajapaksas vermutet, da dieser zunehmend als prochinesisch wahrgenommen wurde.

Die zweite Skepsis betrifft die Legitimität der Proteste, die vor allem aufgrund der zentralen Rolle junger Menschen aufkommt. Es wird argumentiert, dass die Demonstranten der »Generation Z« aufgrund ihrer Jugend nicht wissen, was sie tun. Teils tödliche Gewaltexzesse, bei denen das Parlament und der Oberste Gerichtshof in Nepal in Brand gesetzt wurden, haben dieser Kritik Gewicht verliehen. Schließlich heißt es, dass sie auch dadurch von den USA instrumentalisiert worden seien, dass sie in sozialen Netzwerken unterwegs sind, deren ideologische Narrative streng kontrolliert werden, um den Interessen der USA und des gesamten Westens zu dienen. Dies ist jedoch ein irreführendes Verständnis des Charakters der Aufstände.

Legitime Forderungen

Auch wenn Manipulationen nicht ausgeschlossen werden können, werden bei den Protesten doch populäre und legitime Forderungen nach radikalen Veränderungen auf die Straße getragen. In Peru beteiligten sich neben der »Generation Z« Transportarbeiter, indigene Frauen und Bergleute, die ein Ende des neoliberalen Kahlschlags fordern. Hier dauern Kundgebungen gegen die rechte Staatsführung seit dem Justizputsch gegen den linken Staatschef Pedro Castillo 2022 an. Das gleiche gilt für Ecuador und Paraguay, wo die indigene Bevölkerung, Bauern, Gewerkschaften, soziale Kollektive, Oppositionsparteien und Studenten seit langem neoliberale Politik und schlechte Arbeitsbedingungen anprangern und Agrarreformen und eine bessere Gesundheitsversorgung fordern.

Auch in Marokko wenden sich Junge zusammen mit Gewerkschaftern und verschiedenen anderen soziopolitischen Gruppen gegen die Privatisierung grundlegender Dienstleistungen und die Normalisierung der Beziehungen zu Israel und fordern sogar eine Reform der Monarchie. In Madagaskar, einem der ärmsten Länder der Welt, kämpfen die Menschen gegen den Mangel an zuverlässigem Zugang zu Wasser, Nahrungsmitteln, Strom und grundlegenden Dienstleistungen. In Nepal leiden die Menschen unter Arbeitslosigkeit, Korruption, hoher Ungleichheit und Inflation. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Dass die Proteste seit Monaten und in einigen Fällen sogar seit mehreren Jahren in verschiedener Form andauern, unterstreicht den anschlussfähigen Charakter. Erst jetzt aber wird ihnen das Etikett »Generation Z« angeheftet, womit in einigen Fällen der falsche Eindruck erweckt wird, sie seien erst kürzlich und spontan ausgebrochen – losgelöst von der tiefen wirtschaftlichen und sozialen Krise, die sie antreibt.

Satyajeet Malik ist Menschenrechtsanwalt und Politologe und regelmäßiger Autor der jW

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