Kammer der Staatsräson
Von Max Grigutsch
Leichtes Spiel für die juristischen Vertreter der Bundesrepublik. Gleich zwei zu einer einzigen Verhandlung zusammengelegte Verfahren am Berliner Verwaltungsgericht konnten sie am Mittwoch für sich entscheiden. Geklagt hatten mehrere Palästinenser. Sie beanstandeten, dass Israel mit deutschen Waffen in Gaza Kriegsverbrechen begehe, und beantragten mithin ein gerichtliches Verbot von Rüstungsexporten nach Israel. Letztlich ohne Erfolg. Die Kammer wies beide Klagen aus prozessualen Gründen zurück.
Ungewollt fand BRD-Anwalt Ulrich Karpenstein passende Worte, um die Verhandlung zu charakterisieren. Gefragt danach, ob die Exekutive bei den strittigen Exportgenehmigungen eine Gefahrenprognose vorgenommen habe, antwortete er: »Gehen Sie davon aus, dass die Bundesregierung das nach Recht und Gesetz tut.« Nicht überzeugt von dieser mündlichen Zusicherung war Klägeranwalt Remo Klinger. Es fehle »an Substanz, in jeglicher Hinsicht«, monierte er. Die Dokumentation der in Frage stehenden Genehmigung lag den Klägern nur weitgehend geschwärzt vor. Einen Beweisantrag, der bezwecken sollte, die Genehmigungen der letzten zehn Jahre zu durchleuchten, wies das Gericht zurück. Leichtes Spiel.
Eine der beiden Klagen (erhoben im April 2024) hatte zunächst darauf abgehoben, die Ausfuhr von 3.000 tragbaren Raketenwerfern des Typs »Matador« zu unterbinden. Die von Dynamit Nobel Defence hergestellten Waffen setzt die israelische Armee in Gaza zur Zerstörung von Wohngebäuden ein. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Auslieferung bereits vollzogen worden war – genehmigt am 31. Oktober 2023, ausgeführt am 6. November, wie die BRD-Anwälte am Mittwoch offenlegten –, hatten die Kläger ersatzweise feststellen lassen wollen, dass dieser Vorgang rechtswidrig war. Die Kläger waren fünf in Gaza lebende Palästinenser. Ursprünglich, denn einer wurde zwischenzeitlich bei einem israelischen Drohnenangriff auf einen Imbissstand getötet.
Die Kammer befand die Klage für unzulässig. Sie sehe keine Wiederholungsgefahr. Unter anderem, weil sich die Lage in Gaza maßgeblich verändert habe, argumentierte Richter Stephan Groscurth, und verwies dabei auch auf die vermeintliche Waffenruhe unter Federführung des US-Präsidenten Donald Trump.
Leichtes Spiel auch bei der zweiten Klage, die eine vorbeugende Unterbindung von Waffenlieferungen an Israel zum Ziel hatte. Groscurth erklärte das Anliegen für zu unbestimmt; Anwältin Beate Bahnweg zog drei ihrer vier Antragspunkte zurück. Im letzten Punkt folgte das Gericht weiter dem Leitsatz Karpensteins. Es sei nicht abzusehen, dass die Regierung zukünftig vergleichbare Lieferungen an Israel genehmigen und dabei etwaige Versagungsgründe missachten werde. Schließlich habe der Bundeskanzler im August 2025 ein Ende der entsprechenden Exporte erklärt. Im Grunde sei damit schon erledigt, was die Klage fordert, meinte der Richter, nicht ohne sarkastisches Gelächter aus dem Publikum.
Tatsächlich bezog sich der von Kanzler Friedrich Merz verkündete Exportstopp ausschließlich auf Waffen, die in Gaza zum Einsatz kommen könnten. Politisch zeichnet sich indes die Wiederaufnahme der Lieferungen ab. Seit Beginn der brüchigen Waffenruhe – laut Anwältin Bahnweg gab es seither 242 Tote und 622 Verletzte in Gaza – fordert Israel immer wieder, das »Waffenembargo« aufzuheben. So zuletzt der israelische Botschafter in der BRD, Ron Prosor, am Donnerstag – einen Tag nach der Gerichtsverhandlung. Klägeranwalt Sönke Hilbrans sagte am Mittwoch, auch »von bestimmten Landesführern« der BRD werde schon »an den Stäben dieser Entscheidung gerüttelt«. CSU-Chef Markus Söder hatte im Oktober gefordert, Israel schnell wieder zu beliefern.
Für die Kammer war das unerheblich, ebenso wie die Einschübe des von Bahnweg vertretenen Klägers. Bei den Ausführungen der Juristen bliebe ihm »die Luft weg«, so nüchtern vorgetragen »bei etwas, was das eigene Leben darstellt«, sagte er. Illusionen über den Prozess hatte der in Berlin lebende Kinderarzt palästinensischer Herkunft trotzdem nicht. Ihm sei bewusst, dass eine juristische Niederlage »offensichtlich nichts mit Gerechtigkeit« zu tun hätte, erklärte er schon vor dem Entscheid. So läuft das, wenn die von ebendiesem Staat selbst legitimierten Rechtsgelehrten über die eigenen Untaten urteilen.
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