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Aus: Ausgabe vom 09.08.2025, Seite 1 / Titel
Genozid in Gaza

Merz drosselt Mordbeihilfe

Bundesregierung will keine neuen Waffenlieferungen an Israel genehmigen. Kritik an Netanjahus Beschluss zur Einnahme von Gaza-Stadt
Von Nick Brauns
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Blockade vor deutscher Filiale der israelischen Rüstungsschmiede Elbit Systems am Freitag in Ulm

Nach mehr als 60.000 seit Oktober 2023 im Gazastreifen getöteten Palästinensern und einer von den israelischen Besatzern erzwungenen Hungersnot hat jetzt selbst die Bundesregierung als engste Verbündete Israels zaghafte Sanktionen beschlossen. Dem Staat gelte die »volle Solidarität«, aber Falsches müsse auch benannt werden, verwies Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Freitag auf die »unerträgliche« humanitäre Lage in Gaza. »Unter diesen Umständen genehmigt die Bundesregierung bis auf weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können.« Die BRD ist der zweitgrößte Waffenlieferant für Israel, seit Oktober 2023 wurden Rüstungsexporte im Wert von mehr als 485 Millionen Euro genehmigt. Anders als von vielen Medien kolportiert, bedeutet die Ankündigung von Merz keineswegs einen Waffenexportstopp nach Israel. Vielmehr werden alle Rüstungsgüter, deren Ausfuhr bereits zugesagt wurde, weiterhin ausgeliefert. Nur von neuen Exportgenehmigungen will die Regierung vorerst absehen.

Diese Entscheidung ist eine direkte Reaktion auf einen international nahezu einhellig kritisierten Beschluss des israelischen Sicherheitskabinetts, nach der militärischen Kontrolle über dreiviertel des Gazastreifens nun auch Gaza-Stadt mit Bodentruppen erobern zu wollen. Dieser Beschluss aus der Nacht zum Freitag wird als weitere Etappe zu der von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angekündigten vollständigen Einnahme des weitgehend zerbombten Küstenstreifens angesehen. Für ein Ende des Krieges müsse die Herrschaft der Hamas beendet und Gaza entmilitarisiert werden, heißt es in den Beschlüssen des Sicherheitskabinetts. Gemeint ist die Entwaffnung des palästinensischen Widerstands, während die israelische Armee dort militärische Kontrolle ausüben und eine Israel genehme Zivilverwaltung eingesetzt werden soll. Die mehr als zwei Millionen bereits mehrfach geflohenen Bewohner sollen zumindest nach Ansicht von Netanjahus offen faschistischen Koalitionspartnern ganz aus Gaza vertrieben werden. Ihre Konzentration in Lagern, die Hungerblockade und der Terror der Besatzungstruppen dienen offensichtlich diesem genozidalen Ziel.

Die Hamas sprach am Freitag von einem »offensichtlichen Putsch« gegen einen Verhandlungsprozess. Deutlich werde, dass Netanjahu bereit sei, die israelischen Geiseln für seine persönlichen Interessen zu opfern. Am Donnerstag abend demonstrierten in Jerusalem und Tel Aviv Tausende jüdische Israelis gegen Netanjahus Gaza-Pläne, die das Leben der rund 50 von der Hamas festgehaltenen zivilen Geiseln und kriegsgefangenen Soldaten gefährdeten. Deren Angehörige fordern ein Abkommen zur Beendigung des Krieges im Austausch für die Geiseln. In Tel Aviv setzte die Polizei Wasserwerfer gegen Demonstranten ein. Selbst der israelische Generalstabschef Eyal Zamir ist aus militärischen Erwägungen auf Konfrontationskurs zum Ministerpräsidenten gegangen, aber an die Kabinettsentscheidung gebunden.

Protest gab es auch in Deutschland: In Ulm blockierten am Freitag Dutzende Aktivisten mehrere Stunden lang die Einfahrt zu einem der drei deutschen Produktionsstandorte des israelischen Rüstungskonzerns Elbit Systems. Die Firma produziert als ein Hauptlieferant des israelischen Militärs unter anderem Drohnen, Munition und Überwachungssysteme. Auf einem Banner der Aktivisten, die bei Androhung polizeilicher Räumung freiwillig ihre Blockade beendeten, hieß es: »Völkermord beginnt hier«.

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  • Leserbrief von R.Brand (9. August 2025 um 08:11 Uhr)
    Auch neue Waffenlieferungen sind kein Problem, sofern sie nicht für Gaza bestimmt sind. U-Boote sind das Hauptgeschäft der BRD. Auch gegen Einsätze in der Westbank wurde nichts gedrosselt.

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