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Aus: Ausgabe vom 02.10.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Deutsche Beihilfe zum Völkermord

Der Druck steigt

Trotz »Exportstopp«: Berlin rüstet Israel weiter auf. Kritiker sehen Mitschuld an Genozid und Vertreibung
Von Jakob Reimann
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Aus der BRD bezieht die israelische Marine atomwaffenfähige U-Boote der »Dolphin«-Klasse

Sie kann es einfach nicht lassen: Am 8. August verkündete die Bundesregierung einen Genehmigungsstopp für Kriegsgerät nach Israel, das im laufenden Völkermord in Gaza zum Einsatz kommen könnte – und genehmigt doch fleißig weiter. Seitdem (bis Stichtag 22. September) hat die Bundesregierung neue Rüstungsgüter im Wert von 2.458.745 Euro an den Staat verkauft, dessen Verbrechen an der Zivilbevölkerung in Gaza vom Internationalen Strafgerichtshof unter der Völkermordkonvention verhandelt werden. Diese Zahl geht aus der Antwort der Regierung auf eine Anfrage von Lea Reisner und weiteren Mitgliedern der Linken-Bundestagsfraktion hervor, die junge Welt vorliegt. »Die Bundesregierung führt die Öffentlichkeit mit einem angeblichen Lieferstopp in die Irre, während sie weiter Rüstungsgüter im Millionenwert nach Israel genehmigt«, erklärt Reisner, Sprecherin für internationale Beziehungen ihrer Fraktion im Bundestag, gegenüber jW. Die Bundesregierung habe ein »Schlupfloch« gefunden und mache sich »mitschuldig an Genozid und Vertreibung«.

Im Ausland

Im Verfahren am Internationalen Gerichtshof vom März 2024 verklagte Nicaragua Deutschland, da es durch seine fortwährende Unterstützung Israels gegen die Menschen in Gaza mutmaßlich gegen seine Verpflichtungen aus der UN-Völkermordkonvention von 1948 verstoße. Zwar wurde der Eilantrag Managuas mit nur einer Gegenstimme zu 15 abgelehnt, doch läuft das Hauptverfahren in der Sache weiter. Das von Südafrika gegen Israel angestrengte Verfahren unter der Völkermordkonvention ist weiter anhängig. Neben dem Prozess in Den Haag laufen auf nationaler Ebene mehrere Verfahren im Zusammenhang mit Waffenlieferungen gegen die Bundesrepublik.

Der Eilantrag gegen die Lieferung eines weiteren atomwaffenfähigen U-Boots der Firma Thyssen-Krupp nach Israel wurde am Dienstag vom Verwaltungsgericht Berlin abgewiesen, so die Prozessbevollmächtigte Beate Bahnweg gegenüber junge Welt. Die Berliner Anwältin hatte verlangt, die Auslieferung des mittlerweile sechsten U-Boots zu unterbinden. »Wir werden dagegen Beschwerde einlegen«, so Bahnweg. Im April 2024 hatte ein Bündnis von Anwälten unter Beteiligung des European Legal Support Center (ELSC) einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Berlin eingereicht, mit dem Ziel, die Bundesregierung unverzüglich zu verpflichten, keine neuen Genehmigungen für Kriegswaffenexporte nach Israel mehr zu erteilen, und bereits erteilte Genehmigungen gegebenenfalls zu widerrufen. Der Antrag wurde vom zuständigen Gericht abgelehnt, »wie bisher leider jeder Antrag«, so der Berliner Anwalt Ahmed Abed gegenüber jW. Ein weiterer Dringlichkeitsantrag des European Legal Support Centers (ELSC) vom Oktober letzten Jahres, der akut die Auslieferung von Sprengstoff an die israelische Rüstungsschmiede Elbit Systems zu verhindern suchte, »lief ins Leere«, da »die Bundesregierung nicht eingeschritten ist und Israel die Lieferung frühzeitig von Bord nahm«, so Abed.

Im Inland

Im September reichte ein Anwaltskollektiv mit Unterstützung des ELSC bei der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe einen Strafantrag gegen mehrere Regierungsvertreter und Manager ein. Beschuldigt sind die ehemaligen Regierungsmitglieder Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Robert Habeck, die amtierenden Politiker Friedrich Merz, Johann Wadephul, Katherina Reiche und Boris Pistorius sowie die Rüstungsmanager Jörg Stratmann (Rolls-Royce Solutions GmbH), Michael Humbek (Dynamit Nobel Defence GmbH), Alexander Sagel und Susanne Wiegand (beide Renk Group). Ihnen allen wird aufgrund ihrer materiellen Unterstützung des israelischen Aggressors Beihilfe zum Völkermord vorgeworfen. Anwältin Bahnweg wies im Gespräch mit jW darauf hin, dass sich die deutsche Beihilfe nicht auf den Völkermord in Gaza beschränkt, sondern auch die »illegale Besetzung palästinensischer Gebiete im Westjordanland« umfasst. So könnten sich auch Unternehmen wie Heidelberg Materials und der Springer-Konzern, die von der Besatzung profitieren, oder Universitäten, die mit israelischen Unis oder Unternehmen kooperieren, künftig Klagen gegenüber sehen.

Hintergrund: Protect the Protest

Wegen der Unterstützung des laufenden Völkermords in Gaza und damit zusammenhängend der zunehmenden Repression im Inland steht die Bundesregierung auch außerhalb der juristischen Sphäre immer öfter am internationalen Pranger. Bereits vor der aktuellen Repressionswelle hatte Amnesty International die BRD in seine Karte »Protect the Protest« aufgenommen, in der Deutschland neben Staaten wie Saudi-Arabien, China, den USA oder Myanmar steht, die wegen des systematischen Vorgehens gegen Demonstrierende angeprangert werden. Die Repression gegen die Palästina-Solidarität wurde damals explizit als Grund genannt.

Auch die Menschenrechts-NGO Human Rights Watch moniert seit mehreren Jahren das Vorgehen des deutschen Staats gegen die Palästina-Solidarität. Im Jahresbericht 2024 wird kritisiert, dass deutsche Behörden den zivilgesellschaftlichen Raum zunehmend einschränkten. Die »exzessive Gewalt« der Polizei gegen propalästinensische Demonstranten wird ebenso verurteilt wie die Verweigerung der Einreise des palästinensisch-britischen Chirurgen Ghassan Abu Sittah nach Deutschland, der auf dem von der Polizei gesprengten Palästina-Kongress in Berlin sprechen sollte.

In einer Rüge vom Juni dieses Jahres erhob auch der Menschenrechtskommissar des Europarats, Michael O’Flaherty, gegenüber Innenminister Dobrindt (CSU) schwere Vorwürfe in bezug auf die Einschränkung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit sowie Polizeiwillkür. O’Flaherty nennt hier explizit auch die Gewalt gegen Kinder auf propalästinensischen Demos. (jr)

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (2. Oktober 2025 um 10:20 Uhr)
    Kann es sein, dass Deutschland in seiner noch jungen Geschichte (seit 1871) ein zweites Mal die Hauptschuld an einem Völkermord auf sich lädt? Ich halte das für fraglich. Denn wäre das Prinzip der Mitschuld konsequent angewandt worden, hätten auch die angelsächsischen Finanzeliten, die in den 1930er Jahren die deutsche Hochrüstung maßgeblich mit ermöglichten, zur Verantwortung gezogen werden müssen. Unverständlich bleibt für mich jedoch, wie ein vergleichsweise winziges Land wie Israel – mit rund sieben Millionen jüdischen Einwohnern – ökonomisch in der Lage ist, einen bereits seit zwei Jahren andauernden Krieg durchzuhalten. Israel ist stark abhängig von Importen, verfügt kaum über eigene Trinkwasserressourcen und muss viele lebensnotwendige Güter aus dem Ausland beziehen. Selbst ein ressourcenreiches Land wie Russland stößt trotz seiner enormen Rohstoffvorkommen in einem zwar nicht ganz vergleichbaren Krieg an wirtschaftliche Grenzen. Daraus drängt sich der Schluss auf: Ohne massive finanzielle und militärische Unterstützung von außen – vor allem durch die USA und Deutschland – wäre Israel nicht in der Lage, diesen Krieg in diesem Ausmaß zu führen. Wahrscheinlich handelt es sich weniger um klassische Rüstungsgeschäfte, sondern vielfach um Schenkungen oder stark subventionierte Lieferungen, ähnlich wie im Falle der Ukraine.

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