Altersarmut eingepreist
Von Niki Uhlmann
Armut sorgt für Empörung: besonders dann, wenn sie Jugendliche, die nichts dafür können, oder Rentner betrifft, die ein Leben lang geschuftet haben. Regierungswillige müssen dieses Elend folglich gelegentlich anprangern und seine ärgsten Formen sporadisch abfedern. Darum hat das »schwarz-rote« Kabinett im August das »Rentenpaket 2025« beschlossen, das noch dieses Jahr verabschiedet werden soll.
»Dieses Rentenpaket ist untragbar«, haben sich am Donnerstag 32 Kapitalverbände zu Wort gemeldet. Sie schöpfen ihre Machtfülle nicht aus Wahlen und können daher freimütig posaunen, dass ihnen die vorgesehene Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent zu teuer ist. Gar zu eigennützig wollen sie ihren Standpunkt aber nicht vortragen und versuchen deshalb, die Empörung für sich zu mobilisieren, indem sie jung und alt gegeneinander ausspielen: Das Paket würde »kommende Generationen mit einer finanzpolitischen Hypothek historischen Ausmaßes belasten«. Bis 2050 entstünden Mehrkosten von 480 Milliarden Euro, die »künftige Haushaltsspielräume« enorm einzuengen drohten. Wie so oft verbucht das Kapital eine staatliche Leistung, die ihm nicht nützt, als Wettbewerbsnachteil.
Je nach Profitinteresse entweder auf die »aktuelle Rechtslage« zu pochen oder auf sofortige Reformen zu drängen, zählt zu den Taschenspielertricks solcher Verbände. Derlei haben sie noch mehr aufgefahren. Rund 17 Millionen Beschäftigte würden sie vertreten, las man bei Bild. Dass in den Chefetagen der BRD im Regelfall über, nicht mit und im Zweifel gegen die Beschäftigten entschieden wird, sollte angesichts der gegenwärtigen Jobvernichtung auch dort klar sein. Doch der Vogel musste noch abgeschossen werden: Der »arbeitenden Mitte« drohe, »immer weniger vom eigenen Arbeitseinkommen« zu bleiben, da entweder »höhere Rentenbeiträge« oder »höhere Steuern« anfielen. Ginge es den Ausbeutern wirklich darum, dass ihre Ausgebeuteten mehr Geld haben, könnten sie schlicht mehr Lohn ausschütten.
Entsprechend makaber fallen die Reformvorschläge aus: Die »Abschaffung von Frühverrentungsanreizen«, eine »moderate Anpassung«, sprich Erhöhung des Renteneintrittsalters, Anpassung der Rente »nur noch« an die Inflation statt an die Löhne sowie Ab- oder Zuschläge »bei früheren bzw. späteren Renteneintritten«, das gilt den Kapitalisten als »fairer Ausgleich zwischen jung und alt«. Im Klartext: mehr Arbeit, weniger Rente. Wer sich davon als junger Mensch oder als Mitglied der sogenannten arbeitenden Mitte verarschen lässt, wird später ziemlich alt aussehen. Insofern verwundert, wenn die Verbände jammern, dass »das bisherige umlagefinanzierte Rentensystem gesprengt würde«. Genau das scheint ihr Ziel zu sein.
Mancher Jugendlicher sieht jetzt schon unfreiwillig alt aus. Im Leitantrag an den »Deutschland-Tag« der Jungen Union am kommenden Wochenende heißt es laut dpa, das Rentenpaket sei »aus junger Perspektive eine schwere Hypothek«. Beim Verhältnis von Lebensarbeits- und Rentenzeit müsse man zurück in die 1970er, fordert der CDU-Nachwuchs. Ab 2031 soll die Regelaltersgrenze für jedes weitere Jahr Lebenserwartung um neun Monate steigen. Ehrlich kann so nur tönen, wer sich sicher ist, ein Leben lang von ruinösen Arbeitsbedingungen und im Alter von Armut verschont zu bleiben. Die Junge Union will ihre Mutterpartei jedenfalls unter Druck setzen, damit sie den Kapitalinteressen mehr Gehör schenkt. Die Junge Gruppe der Unionsfraktion hat bereits gedroht, die Verabschiedung im Parlament andernfalls zu blockieren.
Den Braten hat der SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf gerochen und am Donnerstag gegenüber RTL neue Verhandlungen über das Rentenpaket ausgeschlossen. »Wir vertrauen da auch auf die Fraktionsführung, auf den Bundeskanzler«, erinnerte er daran, dass der Gesetzentwurf im Kabinett einstimmig beschlossen wurde und dass die Union sich mit der Ausweitung der Mütterrente durchgesetzt habe. Obendrein ist die Aktivrente, die Rentnern ab 2026 monatlich einen steuerfreien Zuverdienst von bis zu 2.000 Euro einräumt, sie also zum Lohnarbeiten anreizen soll, ein Zugeständnis an das deutsche Kapital. Im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung prognostizierte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, dass dann mit einem »moderaten Beschäftigungseffekt«, konkret mit 25.000 bis 33.000 zusätzlichen Vollzeitstellen, zu rechnen sei.
Die Initiative der Kapitalverbände sei ein »Abschiedsbrief aus der gemeinsamen Verantwortung für die Alterssicherung«, kommentierte DGB-Vorstand Anja Piel auf jW-Nachfrage. Nur mit einem »stabilen Rentenniveau« könne die Regierung »für eine verlässliche Rente für alle« sorgen. »Nachgeben wäre ein Verrat an allen Beschäftigten und besonders an der jungen Generation«, da dies »mehr einzahlen« und »weniger rausbekommen« zur Folge hätte. »Niemand soll sich täuschen lassen: Gute Alterssicherung ist bezahlbar.«
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