Gegründet 1947 Freitag, 14. November 2025, Nr. 265
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 14.11.2025, Seite 3 / Inland
Langener Waldsee geräumt

Wozu überlässt man einem Konzern hektarweise Wald?

Hessen: Für das Geschäft mit dem Kiesabbau wurde ein Teil des geschützten Bannwalds geräumt, prangert Nio Hase an
Interview: Gitta Düperthal
Polizei_raeumt_Waldb_87854907.jpg

Am frühen Mittwoch morgen begann ein Großeinsatz der hessischen Polizei, um das Protestcamp am Langener Waldsee zu räumen. Umweltaktivisten wollten die Bäume dort vor Rodung schützen. Der Konzern Sehring AG aber will weiter Kies und Sand abbauen. Was war los im Wald?

Das Waldstück des Bannwaldes, »Banny« genannt, ist seit anderthalb Jahren besetzt. Es war ein extrem großer Polizeieinsatz. Hunderte Beamte kamen zusammen mit Spezialeinsatzkommandos der Kletterpolizei in den Wald. Bevor letztere mit Hebebühnen kamen, um Aktivisten von Baumhäusern herunterzuholen, hatten Polizeikräfte eine Schneise zu diesen geschlagen und mit Motorsägen kleine Bäume gefällt. Die Räumung war nicht einfach. Einige von uns hatten Hindernisse im Wald gebaut, um alles zu verzögern. Es gab Barrikaden und Absperrseile. Da es sowohl um die eigene Sicherheit der Polizisten als auch um die der Aktivisten ging, konnten sie nicht einfach Bäume fällen und Seile durchschneiden.

Wie ging die Polizei vor?

Als die Einsatzkräfte um 5.30 Uhr anrückten, umstellten sie die Zelte der Mahnwache, leuchteten und schauten hinein. Was skandalös ist, weil die Mahnwache legal angemeldet war. Weiterhin behinderte die Polizei die Pressearbeit. Presseleute und auch der parlamentarische Beobachter von der Partei Die Linke, Matthias Rohrbach, wurden am Betreten des abgesperrten Bereichs zunächst mit Ausreden gehindert: Gleich komme jemand, der die Presse abholt. Was aber dann nicht geschah, sondern erst Stunden später.

Wie konnte ein Bannwald geräumt werden, der unter besonderem Schutz steht?

Das lässt sich gar nicht erklären. Es gibt hier eine lebendige Artenvielfalt, darunter vom Aussterben bedrohte Arten wie den Hirschkäfer, dessen Lebensraum hauptsächlich Eichen sind. Der »Banny« am Langener See ist ein gesunder Mischwald mit Eichen, Fichten und Buchen.

Der Umweltschutzverband BUND hatte gegen den Kiesabbau geklagt, doch das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage endgültig ab. Wieso darf ein Wald trotz Klimakrise zerstört werden?

Das Bergrecht kommt aus der Nazizeit, die Faschisten stärkten den Zugriff auf Bodenschätze. Der Wald ist aber Allgemeingut. Deshalb kann nur Druck auf die Politik noch helfen. Wir wollen es Umwelt- und Klimazerstörern schwermachen. Seit Jahrzehnten wird übrigens ständig versprochen, es werde renaturiert. Nichts passiert.

Die Stadt Langen übereignete dem Konzern Sehring fast 64 Hektar des Waldes. Wer steht dafür politisch in der Verantwortung?

Die Stadtregierung und deren Bürgermeister Jan Werner von der CDU sowie der Konzern sind verantwortlich. Ihnen geht es um den Profit: Baustoffe wie Sand und Kies sind viel Geld wert. Bei Sehring gibt es nur wenige Arbeitsplätze. Um den Wald zu schützen, könnten wesentlich mehr davon entstehen. Aber die Bevölkerung in der Region wurde übergangen. Der Wahlkampf für die Bürgermeisterwahl läuft bereits, am 18. Januar 2026 wird gewählt.

Wie nimmt die Bevölkerung die drohende Zerstörung ihres Naherholungsgebietes auf?

Viele sind emotional daran gebunden. Sie radeln durch den Wald oder sammeln mit ihren Familien Pilze. Manche brachten uns aus Solidarität Kaffee oder veganen Käsekuchen.

Was bedeutet die Räumung für den Zusammenschluss der Waldbesetzerinnen und -besetzer?

Der Ort zog Menschen an, die auf ein basisorientiertes Modell, zu leben, setzen. Für die meisten war der Wald ein Zuhause. Das wird jetzt zerstört. Unsere Community aber besteht weiter.

Wodurch zeichnet sich diese aus?

Wir gehen miteinander mit Empathie und auf Augenhöhe um, wollen niemanden übergehen oder zurücklassen, keine simplen Mehrheitsentscheidungen treffen. Es gilt, Lösungen mit gegenseitigem Verständnis zu finden, in die so viele Menschen wie möglich einbezogen werden.

Wie geht es für Sie nach der Räumung weiter?

Wenn die Baumhäuser geräumt sind, machen wir woanders weiter. Denen, die das Leben auf unserem Planeten wegen kurzfristiger Profite aufs Spiel setzen, wollen wir es so schwer wie möglich machen. Es kann nicht so weitergehen, dass sie trotz der Klimakrise Bäume abholzen.

Nio Hase (Name geändert) hat an der von der Polizei am Mittwoch beendeten Besetzung im Langener Bannwald teilgenommen und möchte anonym bleiben

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besondere Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Regio: