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Aus: Ausgabe vom 08.11.2025, Seite 9 / Schwerpunkt
Lateinamerika

Uncle Sams willige Helfer

Der US-Imperialismus stützt sich in Lateinamerika neben direktem militärischem Druck auf ein Netzwerk politischer Verbündeter, die seine Interessen vertreten
Von Kurt Terstegen
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Ein Herz und eine Seele: US-Präsident Donald Trump mit seinem argentinischen Amtskollegen Javier Milei vor dem Weißen Haus (Washington, 14.10.2025)

Auf der UN-Generalversammlung Ende Oktober stimmten erstmals seit über drei Jahrzehnten sechs weitere Staaten gemeinsam mit den USA gegen die kubanische Resolution, die ein Ende der US-Blockade fordert. Gleichzeitig kündigt in Bolivien ein neugewählter neoliberaler Präsident die Privatisierung zentraler Ressourcen an. Und nur wenige Wochen zuvor verlieh das norwegische Nobelkomitee den Friedensnobelpreis an eine venezolanische Oppositionelle, die offen eine US-Militärintervention gegen ihr eigenes Land befürwortet. – Der US-Imperialismus zeigt sich nicht nur durch Sanktionen oder Militärbasen, sondern auch durch ein Netzwerk politischer und ideologischer Verbündeter in Lateinamerika, die bereitwillig seine Interessen vertreten.

Die Friedensnobelpreisgewinnerin María ­Corina Machado gilt in gewisser Weise als die Nachfolgerin von Juan Guaidó – jenem Oppositionspolitiker, der sich 2019 selbst zum Präsidenten Venezuelas erklärte und dabei auf breite Unterstützung westlicher Regierungen zählen konnte. Schon während seiner ersten Amtszeit sagte US-Präsident Donald Trump Guaidó seine Rückendeckung zu und empfing ihn im Weißen Haus. Als die venezolanische Nationalversammlung Guaidó 2023 schließlich offiziell seiner fiktiven Präsidentschaft enthob, verließ er das Land. Heute ist Machado die neue Oppositionsfigur des Westens und wird in vielen bürgerlichen Medien als personifizierte Demokratie gefeiert.

In einem Podcast des US-Unternehmers und Investors Joe Lonsdale, Mitbegründer mehrerer Silicon-Valley-Konzerne, skizzierte Machado ihr Ideal eines »freien« Venezuelas. »Wenn es ein Land gibt, das gegen Sozialismus ist, dann ist es Venezuela.« Das Volk, so Machado, sehne sich nach freien Märkten. Lonsdale antwortete begeistert: »Ich freue mich sehr darauf, in ein freies Venezuela zu investieren, wenn Sie dort angekommen sind!« – Ein Dialog, der wie ein satirischer Sketch bezüglich der neoliberalen Allianz zwischen Wirtschaftseliten und rechter Opposition wirkt.

Gleichzeitig verstärken die USA ihre militärische Präsenz in der Karibik nahezu wöchentlich. Neben der Entsendung ihres größten Flugzeugträgers vor die venezolanische Küste ist auch von Operationen auf venezolanischem Territorium die Rede. Venezuela verfügt über die größten nachgewiesenen Erdölreserven der Welt – ein Umstand, der das Land seit Jahrzehnten ins Visier US-amerikanischer Interessen rücken lässt. In diesem Kontext erscheint Machado als ideale Vertreterin jener Kräfte, die bereit sind, venezolanische Souveränität zugunsten einer washingtonfreundlichen Regierung zu opfern.

»Wenn Maduro gestürzt wird, werden auch Kuba und Nicaragua fallen«, versicherte Machado ihrem US-amerikanischen Gesprächspartner. Der Kampf der USA gegen das sozialistische Kuba ist seit Jahrzehnten ein Paradebeispiel für imperiale Kontinuität: eine gescheiterte Invasion, Terroranschläge von US-Territorium aus und vor allem eine Wirtschaftsblockade, die von der internationalen Gemeinschaft immer wieder fast geschlossen verurteilt wurde.

Intensives Lobbying

Während in den letzten Jahren nur die USA und Israel gegen die kubanische Resolution in der UNO stimmten, unterstützten in diesem Jahr erstmals sieben Staaten Washingtons Linie. Ein politisches Signal, das zeigt: Der Druck der US-Regierung scheint zu wirken – und die Blockadepolitik gegen Kuba erfährt neue Rückendeckung.

Als der US-amerikanische Vertreter Michael Waltz die Generalversammlung zu einem Kampf gegen den Kommunismus aufrief und kubanische Ärzteentsendungen als Menschenhandel bezeichnete, mahnte der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez: »Señor Waltz, dies ist die Generalversammlung der Vereinten Nationen und keine Signal-Gruppe.« Anschließend stimmten neben den USA und Israel auch Nordmazedonien, Ungarn, Paraguay, Argentinien und die Ukrai­ne gegen die kubanische Resolution.

Laut Reuters ist das Abstimmungsergebnis die Folge intensiven Lobbyings durch Washington. Schon im Vorfeld der Generalversammlung starteten die USA Kampagnen, in denen behauptet wurde, bis zu 5.000 kubanische Söldner würden an der Seite der russischen Armee kämpfen. In diesem Kontext präsentiert sich die zunehmend unter dem Druck von Trump stehende ukrainische Regierung, die sich die letzten Jahre bei der Abstimmung in der UN-Generalversammlung noch enthalten hatte, nun als Verbündete der US-Kuba-Politik.

Darüber hinaus spiegelt dieses Ergebnis auch die zunehmend polarisierte politische Landschaft Lateinamerikas wider, die in den vergangenen Jahren mehrere rechte Regierungen und damit potentielle Verbündete Washingtons hervorgebracht hat. In dieser Tradition stehen auch Paraguays Präsident Santiago Peña und Argentiniens Staatschef Javier Milei.

Peña war nicht nur der erste Staatschef, der Donald Trump zu dessen Wahlsieg gratulierte, er bezeichnete die Regierung in Washington auch als »Chance«, die bilateralen Beziehungen zwischen Asunción und den Washington zu vertiefen. Zustimmung fand diese Haltung bei US-Außenminister Marco Rubio, der Paraguay als »Bollwerk Lateinamerikas gegen China« beschrieb.

Argentinien unter Milei

Nach dem Sieg bei den argentinischen Zwischenwahlen erklärte Javier Milei, das Volk habe sich für »den Weg der Freiheit, des Fortschritts und des Wachstums« entschieden. Mit knapp 40 Prozent der Stimmen lag der extrem rechte Staatschef deutlich vor der Opposition und erhielt dafür begeisterten Beifall aus Washington. »Unser Vertrauen in ihn wurde vom argentinischen Volk bestätigt«, schrieb Trump auf seinem »Truth Social«-Konto.

Unbeteiligt war Washington an diesem Ergebnis nicht. Die wirtschaftliche Lage Argentiniens bleibt angespannt: Zwar ist die Inflation deutlich zurückgegangen, doch viele Menschen leiden weiterhin unter den drastischen Haushaltskürzungen der Regierung. In diesem Kontext versprach Donald Trump Finanzhilfen in Höhe von 40 Milliarden US-Dollar. Allerdings nur für den Fall eines Wahlsiegs Mileis – die Erpressung hat sich offenbar ausgezahlt.

Auch in Bolivien konnte Washington mit dem Wahlsieg von Rodrigo Paz einen strategischen Erfolg verbuchen – einen, der dem US-Kapital erneut den Zugang zu Ressourcen und Märkten sichern soll. Im Wahlkampf hatte Paz einen »Kapitalismus für alle« versprochen und angekündigt, das Land sowie seine Wirtschaft wieder zu »öffnen«. US-Außenminister Rubio zögerte nicht, dies als das »Ende jahrzehntelanger Misswirtschaft« zu feiern.

Paz bezeichnete im Vorfeld seiner Washington-Reise, die USA als »Teil der bolivianischen Zukunft«. Zudem erklärte er, Kredite von US-dominierten Finanzinstitutionen wie der Weltbank zu beantragen. Auf X gratulierte die Weltbank dem neuen Präsidenten prompt zu seinem Wahlsieg und erklärte ihn zum »strategischen Partner«. Ein deutliches Signal, wessen Interessen künftig in La Paz wieder Priorität haben dürften.

Doch Boliviens Rechte scheint nichts aus der eigenen Geschichte gelernt zu haben. Schon während des sogenannten Wasserkrieges 1999/2000 bekam die Bevölkerung zu spüren, wohin die Unterordnung unter Weltbankdiktate führt: Unter dem Druck eines Kredits wurde die Privatisierung der Wasserversorgung durchgesetzt – mit verheerenden sozialen Folgen und einem Aufstand, der schließlich die neoliberale Politik zu Fall brachte.

Auch im Hinblick auf La Paz ist das Interesse der USA deutlich. Mit den Vorkommen im Salar de Uyuni verfügt Bolivien über die größten Lithium­reserven der Welt. Unter der Regierung der sozialistischen MAS-Partei wurden diese strategisch wichtigen Ressourcen in staatliche Hand überführt.

Trump steht zu Bolsonaro

Auch im größten Land Lateinamerikas, Brasilien, verfügt Washington über verlässliche Verbündete. Jair Bolsonaro, der wegen seines Putschversuchs verurteilt wurde, kann weiterhin auf Rückendeckung aus den USA zählen. Nach dem Urteil wetterte Donald Trump auf Social Media gegen die »Hexenjagd« auf den Expräsidenten und kündigte an, »angemessen reagieren« zu wollen. Ein weiteres Beispiel dafür, wie eng die Netze der Rechten diesseits und jenseits des Äquators geknüpft sind.

Bolsonaro spielt eine zentrale Rolle in der US-Strategie gegen China. In einem Interview mit der Folha de São Paulo erklärte er bereits im Februar 2025, er werde im Falle einer Wiederwahl den Austritt Brasiliens aus dem BRICS-Bündnis anstreben. Damit positioniert er sich offen gegen die wachsende Kooperation des globalen Südens – ganz im Sinne Washingtons, das offenbar weiter auf eine zweite Amtszeit seines Verbündeten hofft.

Strafzölle in Höhe von 50 Prozent gegen Brasilien begründete Trump auch mit den juristischen Verfahren gegen Bolsonaro – ein deutliches Signal politischer Rückendeckung. Offenbar zeigt der Druck aus Washington Wirkung: Nach einem Treffen mit dem linksgerichteten brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva auf dem ASEAN-Gipfel in Malaysia Anfang Oktober sprach Trump von einem »guten Gespräch« und kündigte eine baldige Einigung an. Worin diese Übereinkunft bestehen soll, bleibt unklar.

Die jüngsten Entwicklungen in Lateinamerika zeigen, auf welche Mittel Washington zurückgreift, um den Druck auf souveräne Staaten zu erhöhen. Neben militärischen Drohgebärden und Wirtschaftsblockaden setzen die USA zunehmend auf Allianzen mit neoliberalen und rechten Kräften vor Ort. Diese Strategie ist keineswegs neu – sie knüpft an die Unterstützung zahlreicher Militärdiktaturen während des Kalten Krieges an und verfolgt dasselbe Ziel: die Unterordnung unabhängiger Regierungen unter die Interessen des US-Kapitals.

Im Zuge des sich verschärfenden Handelskriegs zwischen den USA und China greift Washington zu immer drastischeren Mitteln, um sich den Zugang zu Rohstoffen und Einflusssphären für sein expansives Kapital zu sichern. Für die Bevölkerungen der betroffenen Länder bedeutet das den Verlust politischer Souveränität, die Missachtung grundlegender Rechte und die Aushöhlung demokratischer Errungenschaften.

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