Vier zu eins gegen Bolsonaro
Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
Das Urteil gegen Jair Bolsonaro ist gefallen. Am Donnerstag (Ortszeit) befanden vier der fünf obersten Bundesrichter Brasiliens wie erwartet den rechten Expräsidenten wegen versuchten Staatsstreichs und vier weiterer Verbrechen für schuldig. Sie verurteilten ihn zu 27 Jahren und drei Monaten Haft. Lediglich einer der fünf Richter, Luiz Fux, stimmte dagegen und für die Aufhebung des Verfahrens sowie für einen Freispruch des 70jährigen. »Bolsonaro wollte die Säulen des demokratischen Rechtsstaats durch Gewalt, massive Drohungen und systematische Angriffe auf die Justiz zerstören, um die Diktatur in Brasilien wiederherzustellen«, begründete der Vorsitzende Richter Alexandre de Moraes den Schuldspruch. »Die Regierung wollte an der Macht bleiben, indem sie die Demokratie einfach ignorierte – und genau das macht einen Staatsstreich aus.«
Zusätzlich zum Putschversuch nach der verlorenen Präsidentschaftswahl 2022 wurde Bolsonaro wegen der versuchten gewaltsamem Abschaffung des demokratischen Rechtsstaats, der Beteiligung an einer bewaffneten kriminellen Vereinigung sowie wegen schwerer Sachbeschädigung von Bundeseigentum und Zerstörung von denkmalgeschütztem Kulturerbe verurteilt. Die vier Bundesrichter verdonnerten ebenso die mitangeklagten Militärs und ehemaligen Regierungsmitglieder Braga Netto und Paulo Sérgio Nogueira (beide Verteidigung), Anderson Torres (Justiz), Augusto Heleno (Sicherheit), den früheren Marinekommandanten Almir Garnier sowie den ehemalige Geheimdienstchef Alexandre Ramagem zu hohen Haftstrafen. Bolsonaros Exadjutant und Kronzeuge Mauro Cid kam mit lediglich zwei Jahren Gefängnis, die er bereits in der Untersuchungshaft abgesessen hat, davon.
Zum überraschend frühzeitig gefällten Urteil erklärten die Strafverteidiger Bolsonaros, dass die verhängten Strafen »absurd übertrieben und unverhältnismäßig« seien. Sie kündigten an, gegen die Urteile nicht nur in Brasilien, sondern auch vor internationalen Gerichten Berufung einzulegen. »Wir werden weiterhin darauf bestehen, dass der ehemalige Präsident keinen Anschlag auf den demokratischen Staat verübt und sich nie an einem solchen Plan beteiligt hat«, schrieben die Anwälte Celso Vilardi und Paulo Amador da Cunha. Zusätzlich zur Haft ist Bolsonaro auch acht Jahre nach Absitzen der Strafe nicht wählbar. Der ehemalige Präsident wurde zudem zu einer Geldstrafe von rund fünf Millionen Euro verurteilt.
In Brasilien werden Haftstrafen von mehr als acht Jahren in geschlossenen Gefängnissen verbüßt. Für ältere Menschen über 70 Jahre mit schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen gilt in der Regel jedoch Hausarrest. Höchstwahrscheinlich werden die Anwälte deshalb als nächstes mit der Begründung von Bolsonaros fragilem Gesundheitszustand eine Strafverbüßung unter Hausarrest beantragen. Das Urteil der Bundesrichter führte erwartbar zu harschen Reaktionen aus dem Weißen Haus in Washington, das bereits zuvor Sanktionen gegen de Moraes verhängt hatte. US-Präsident Donald Trump sagte gegenüber der Presse, er sei »sehr unzufrieden« und bezeichnete Bolsonaros Verurteilung durch den Obersten Gerichtshof als »schrecklich«. Er verglich die Verurteilung mit den Gerichtsverfahren, mit denen er selbst in den USA konfrontiert war.
Noch heftiger fiel die Kritik von seinem Außenminister, Marco Rubio, in einem Beitrag auf X aus: »Die politische Verfolgung durch den sanktionierten Menschenrechtsverletzer Alexandre de Moraes geht weiter, nachdem er und andere Mitglieder des Obersten Gerichtshofs Brasiliens zu Unrecht die Inhaftierung des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro angeordnet haben. Die Vereinigten Staaten werden auf diese Hexenjagd entsprechend reagieren.« Brasiliens Außenministerium konterte gleichfalls auf X: Rubios Äußerungen seien ein Angriff auf die brasilianischen Behörden und würden die Fakten und zwingenden Beweise in dem Fall ignorieren. Die brasilianische Demokratie werde sich von den »Drohungen« Rubios »nicht einschüchtern« lassen. »Wir werden weiterhin die Souveränität des Landes gegen Aggressionen und Einmischungsversuche verteidigen, woher auch immer sie kommen mögen.«
Siehe auch
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Ausland
-
»Wir haben rund 300 Tonnen Güter an Bord«
vom 13.09.2025 -
Abu-Jamal kann wieder sehen
vom 13.09.2025 -
Israels Oberstes Gericht muckt auf
vom 13.09.2025 -
Alter Kanzler startet neue Gespräche
vom 13.09.2025 -
Militärmanöver im Osten gestartet
vom 13.09.2025