Medienschau
Die meisten deutschen Politiker und ihre Redakteure sitzen noch auf »stolzen Rossen«, wenige geben preis, dass sie sich schon »heute durch die Brust geschossen« fühlen. In der Wochenendpresse meldeten sich einige zu Wort.
So rügt der alte und neue Chef der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), Wolfgang Ischinger, in der Welt am Sonntag (WamS): »Nehmen Sie die Wehrpflichtdebatte. Wir debattieren fröhlich immer weiter über Modelle, und in Moskau kommt an: Die Deutschen nehmen das nicht wirklich ernst.« Gleiches gelte »beim Zugriff auf eingefrorene russische Vermögenswerte«: Er habe gut gefunden, dass Merz »hier vorausging«, dann aber seien »monatelange öffentliche EU-Grundsatzdebatten« gefolgt. So entstehe in Moskau der Eindruck: »Die EU kriegt es mal wieder nicht gebacken – defnitiv das falsche Messaging.« Und noch schlimmer stehe es um die Abhängigkeit bei Rüstungsgütern von den USA: Der EU-Flickenteppich bei deren Produktion lade »andere ein, uns nicht ernst zu nehmen.« Der »Respekt des Rests der Welt vor der EU als handlungsfähigem Akteur tendiert gegen null.« Ohne große Kanone wird das nichts.
Einige Seiten weiter in der WamS sieht der Grünen-Rechtsausleger Ralf Fücks eine »Republik im Zorn«. Die AfD spiegele, wie ihre Verwandten in anderen Ländern, »den wachsenden Wutpegel in liberalen Demokratien«, eine »wachsende Gereiztheit«, die sich seit der Finanzkrise von 2008/2009, der Flüchtlings- und Coronakrise aufgebaut habe. Zur Besänftigung hat Fücks Vorschläge wie »Vertrauen in die politische Führung« stiften. Das scheiterte schon im alten Rom, und wie damals ist schuld am Niedergang letztlich der Pöbel, der Annalena und Robert oder Friedrich und Lars nichts zutraut.
Schärfer sieht die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) den Niedergang von der rechten Seitenlinie her: »Die Deutschen befinden sich in ihrer wohl tiefsten Identitätskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Stolz darüber, langjähriger Exportweltmeister und findiger Weltmarktführer zu sein, ist vielfältigen Demütigungen gewichen«, steht auf Seite eins am Sonnabend. Im Innenteil behauptet die in St. Gallen lehrende deutsche Professorin Miriam Meckel: »China schreibt derzeit die Geschichte der Moderne weiter. Europa sitzt auf der Tribüne und schaut zu.« Das belegt sie mit Fakten. Zum Glück korrigiert der Spiegel solch Kapitulation: »Mehr als eine Million Uiguren und Uigurinnen wurden in den vergangenen Jahren« in Chinas »Umerziehungslagern« festgehalten. Das passt. Spiegel-Leser wissen heute weniger denn je. (as)
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (9. November 2025 um 21:17 Uhr)Man kann Professorin Miriam Meckels Aussage nur zustimmen: »China schreibt derzeit die Geschichte der Postmoderne weiter.« Ob Europa jedoch tatsächlich »auf der Tribüne sitzt«, bezweifle ich. Wer auf der Tribüne sitzt, könnte das Spiel wenigstens überblicken – doch Europa scheint zunehmend weder die Spielart noch die Regeln zu erkennen. Demokratie zu »spielen« ist ein mühsames Geschäft. Entscheidungen entstehen nicht durch klare Führung, sondern durch Mehrheitsprozesse. Das wirkt zwar partizipativ, verwässert jedoch zugleich die individuelle Verantwortung. Diese kollektive Verantwortungsdiffusion führt letztlich zu einer gefährlichen Form der Verantwortungslosigkeit, die in der Demokratie selbst angelegt ist. Was die Medien betrifft, so habe ich mittlerweile denselben Punkt erreicht wie einst in der DDR: Ich lese die deutsche Presse nur noch ungern, weil sie weitgehend im Gleichklang und oft sehr einseitig berichtet. Erfreulicherweise bilden einige internationale Blätter wie die Neue Zürcher Zeitung, Die Presse oder Der Standard eine wohltuende Ausnahme. Sie betrachten deutsche Themen meist mit größerer Distanz – und damit mit mehr Objektivität – als viele heimische Redaktionen.
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