Warum enttäuschen die Grünen beim Waldschutz?
Interview: Gitta Düperthal
An diesem Freitag findet eine Tagung zu Perspektiven einer zukunftsfähigen Waldwirtschaft im nordhessischen Bad Zwesten statt, an der Sie als Referentin teilnehmen. Weshalb geht es dem Wald so schlecht?
Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen schwächt der menschengemachte Klimawandel durch Dürren und Extremwetterereignisse die Wälder. Emissionen aus Verkehr, Industrie und vor allem Landwirtschaft ergeben einen Stickstoffüberschuss, der die Waldböden übersäuert. Weiterhin sind die angepflanzten Monokulturen problematisch. Wird eine Baumart etwa durch den Borkenkäfer angefallen, fällt gleich der ganze Bestand weg. Mischwälder sind dagegen stabiler.
Was ist von der Tagung zu erhoffen?
Wir brauchen eine Waldwirtschaft mit großem Puffer entlang der Belastbarkeitsgrenzen des Ökosystems. Darüber kann ein Austausch stattfinden.
Wem gehören die Wälder, und warum scheint es so schwierig zu sein, sie nachhaltig zu nutzen?
In der BRD gehören dem Bund drei Prozent der Wälder, den Bundesländern mehr als 30, Kommunen und Gemeinden etwa 20, in Privatbesitz sind ungefähr 43 Prozent. In Europa sind sogar etwa 60 Prozent in Privatbesitz. Allerdings muss es keinen Unterschied machen, ob Wald privat oder staatlich betrieben wird. So ist die CDU/SPD-Landesregierung in Hessen bei der Zertifizierung des Waldes, dem Forest Stewardship Council, ausgestiegen. Diese verpflichtet dazu, den Wald zu schützen. Zu befürchten ist, dass selbst niedrigschwellige Ökostandards nicht eingehalten werden, man großflächig abholzen oder Giftstoffe einsetzen kann etc.
Jüngste Waldberichte »zeigen deutlich, wie dringend wir handeln müssen«, heißt es in der Ankündigung zur Tagung. Solche Zustandsberichte legen Regierungen regelmäßig vor. Warum reagiert Brüssel so schleppend darauf?
Die EU ist ein Abbild ihrer Mitgliedstaaten. Ein wichtiger Akteur wie Deutschland hat zum Beispiel ein 50 Jahre altes Gesetz, das das Klima nicht berücksichtigt. Das ist ein schlechtes Vorbild. Auch beeinflussen etwa Schweden und Finnland durch die Wirtschaftsmacht ihrer Papier-, Zellstoff- und Möbelindustrie die EU-Gesetzgebung in ihrem Sinn.
Haben die häufiger vorkommenden und teils heftiger ausfallenden Waldbrände, zum Beispiel in Frankreich und Spanien, kein Umdenken bewirkt?
In den südeuropäischen Ländern mit den großen Eukalyptusplantagen, die schnell brennen, betreibt man »Erste Hilfe«, wie das Herausholen der Krautschicht und des Totholzes. Am System ändert das nichts.
Wie reagieren andere EU-Länder auf die Abkehr von Klimaschutzmaßnahmen durch die CDU/CSU-geführte Bundesregierung?
Ich schätze, die meisten lachen sich ins Fäustchen, wenn ein wichtiger Player wie Deutschland in diese neoliberale und für das Ökosystem fatale Richtung schwenkt. Friedrich Merz setzt auf Wirtschaftswachstum, will kein Aus des Verbrennermotors, von Öl und Gas nicht ablassen, warnt vorm Kohleausstieg. So werden Ökosysteme schneller ausgebeutet, und wir werden keine CO2-Emissionen einsparen können. Stimmen von Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaft sind dabei Spielverderber. Dass dazu kaum Kritik aus der EU zu hören ist, ist beunruhigend.
Zu dieser nunmehr vierten Waldtagung hat Martin Häusling, EU-Abgeordneter der Grünen, eingeladen. Seine Partei plaziert Umweltthemen, aber am Ende bleibt davon oft nur die Absichtserklärung übrig, ein paar Bäume zu pflanzen. Befürchten Sie das diesmal auch?
Wir hatten uns von der letzten Legislaturperiode mit den Grünen in vielen Ministerien einiges erhofft. Die EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie, RED III, hätte seit dem 25. Mai 2025 in nationale Gesetzgebung implementiert sein sollen. Darin geht es auch darum, wieviel Biomasse Flächen entnommen werden darf.
Die Grünen hatten sich einschüchtern lassen. Von ihren tollen Plänen blieb wenig. Bei der Tagung aber diskutieren Vertreterinnen und Vertreter von Waldwirtschaft, Umweltverbänden und Parteien verschiedener Couleur auf Augenhöhe. Im Idealfall bleibt das im Gedächtnis und wirkt sich positiv auf den Waldnaturschutz aus.
Jana Ballenthien ist Waldreferentin bei »Robin Wood« e. V.
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besondere Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
Yves Herman/REUTERS23.05.2024»Jetzt herrscht Katzenjammer«
Karina Hessland/imago14.03.2024Konfliktfeld Acker
IMAGO/Pond5 Images27.09.2023»Weg von dieser industrialisierten Landwirtschaft«
Mehr aus: Inland
-
Worin genau bestehen die Verbindungen nach Israel?
vom 07.11.2025 -
Rechter Feldzug
vom 07.11.2025 -
Mehr als ein »Trio«
vom 07.11.2025 -
Planvoll produzieren
vom 07.11.2025 -
Neue Debatte um Sexkaufverbot
vom 07.11.2025