Worin genau bestehen die Verbindungen nach Israel?
Interview: Leon Wystrychowski
Seit Juli läuft eine Kampagne gegen die Hochschulgruppe »Students for Palestine« an der Frankfurter Goethe-Universität, in der Sie engagiert sind. Können Sie kurz zusammenfassen, wie es dazu kam und worum es dabei geht?
Julia S.: Auf Flyern haben wir unsere Unileitung für die Ausweitung der Kooperationen mit israelischen Unis während des Genozids kritisiert und ein Ende der Kooperationen gefordert. Daraufhin gab es scharfe Reaktionen und sogar Anzeigen. Ein Protest gegen den Besuch einer Delegation der Universität Tel Aviv war Anlass für ein Hausverbot gegen eine Genossin, weitere Anzeigen und Hetze durch die Springer-Presse. Im hessischen Landtag wurde über uns auf Antrag der AfD diskutiert. Diese ganze Repression und die Darstellung von uns als »gefährlich« sollen von der tatsächlichen Gewalt ablenken.
Wie meinen Sie das?
Meva M.: Eine der ersten Diffamierungen gegen unsere Gruppe lautete, wir seien eine Gefahr für den Kindergarten am Campus, obwohl dessen Leitung öffentlich widersprach. Jetzt behauptet Bild, wir hätten »jüdische Wissenschaftler bedroht«, obwohl die Polizei vor Ort war und keine Gefahr erkennen konnte. Wir haben die Universität wiederholt zum Dialog aufgefordert – sie reagiert, indem sie uns öffentlich als gewaltbereiten Schlägertrupp darstellt. Das ist pure Projektion: Der Genozid, den unsere Uni unterstützt, ist Gewalt in ihrer schlimmsten Form. Und auch körperliche Angriffe durch Zionisten an unserem Campus werden ignoriert.
Die Kampagne richtet sich auch gezielt gegen einzelne Personen.
M. M.: Ja, im Juli wurde ein Mitglied von uns von Bild gedoxxt, also durch Veröffentlichung personenbezogener Daten bloßgestellt. Sie überhäuften ihn mit Diffamierungen als »Antisemit« und »Terrorunterstützer«. Obwohl sich Teile der Uni kritisch zu dieser krassen Diffamierung äußerten, arbeitet die Leitung mittlerweile wieder mit Bild zusammen, wenn es darum geht, gegen uns zu schießen: Sie gab Statements und lieferte offenbar sogar Videomaterial aus dem Präsidiumsgebäude für einen Artikel, in dem einzelne von uns als »Rädelsführer« markiert werden und unsere Exmatrikulation gefordert wird. Von dem Hausverbot und den Anzeigen war ja schon die Rede. Wie gehen Sie damit um?M. M.: Diese ganze Hetze und Bedrohung ist wirklich belastend. Aber das ist selbstverständlich genau der Sinn: uns Angst zu machen. Obwohl der Fokus unserer Arbeit auf dem Genozid und der Mittäterschaft unserer Universität bleibt, sind wir gezwungen, Zeit und Energie zu investieren, unsere Mitglieder bestmöglich vor Repressionen zu schützen und sie juristisch zu begleiten. Auch das ist selbstverständlich Ziel der Angriffe.
Sie kritisieren, dass es der Universität vor allem darum gehe, vom ursprünglichen Thema abzulenken, nämlich der geäußerten Kritik an den Verbindungen nach Israel. Also lassen Sie uns darüber reden. Worin bestehen diese Verbindungen und was genau kritisieren Sie daran?
J. S.: Die Goethe-Uni unterhält Partnerschaften zu israelischen Unis in Tel Aviv, Haifa und im 1967 besetzten Jerusalem. Diese sind seit jeher zentraler Bestandteil der Besatzung. »Unsere« Partnerunis bilden Angehörige der israelischen Armee aus und betreiben Militärforschung. Aber es ist nicht »nur« das. Alle drei führen Landraub in Form von sogenannten archäologischen Ausgrabungen in palästinensischen Dörfern durch. Ihre Rechtswissenschaften entwickeln »juristische Innovationen« wie die »Kasher-Yadlin-Doktrin« der israelischen Streitkräfte, die international als Kriegsverbrechen eingestuft wird. Was besagt diese Doktrin?J. S.: Sie stellt eine Hierarchie auf, der zufolge das Leben israelischer Zivilisten und Soldaten über dem von Zivilisten unter feindlicher Regierung steht. Politikwissenschaften, Philosophie und Ethik legitimieren die Besatzung. Wissenschaftler wie Maya Wind haben eindrücklich gezeigt, wie jede Fakultät an jeder israelischen Uni dem Zionismus und der »ethnischen Säuberung« Palästinas zuarbeitet. Dementsprechend ordnen wir Kooperationen mit solchen Unis als Beteiligung ein und fordern ihre Beendigung. Wir fordern aber auch, dass Beteiligte zur Rechenschaft gezogen werden und wir uns verpflichten, uns am Wiederaufbau des Bildungssystems in Gaza zu beteiligen.
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