Haben Kubas Solarpanele »Melissa« überstanden?
Interview: Gitta Düperthal
Das sozialistische Kuba muss seit Jahrzehnten Sanktionen der USA erleiden. Präsident Donald Trump hat diese verschärft. Hinzu kamen die Zerstörungen durch den jüngsten Hurrikan »Melissa«, der Ende vergangener Woche in den Provinzen Santiago de Cuba, Granma, Holguín und Guantánamo schwere Schäden anrichtete. Was trifft Kuba schlimmer: Trump oder »Melissa«?
Beides ist niederschmetternd. Trumps Außenminister Marco Rubio hatte sich vor der Machtübernahme dezidiert darauf vorbereitet, Kubas Wirtschaft zu treffen: ob die Tourismusbranche oder das Entsenden von Ärztebrigaden. Er drohte, alle zu sanktionieren, die Kuba Zusammenarbeit in Aussicht stellten. Verbreitet wird die absurde Behauptung, kubanische Zigarren würden von Zwangsarbeitern in Gefängnissen hergestellt. All das soll Kubas Deviseneinnahmen schmälern. Der Hurrikan hat den Osten der sozialistischen Inselrepublik heftig erwischt; große Regenmengen gingen nieder, verursachten Schäden. Was die Energiewirtschaft betrifft: Offenbar erlitten die von der Volksrepublik China an Kuba im großen Stil gelieferten Solaranlagen – 55 Solarparks mit einer Leistung von je 22 Megawatt, jeweils so groß wie 20 Fußballfelder und über ganz Kuba verteilt – nur geringen Schaden. Sie sind stabil.
Ihr Netzwerk »Interred Cooperación« startete 2021 ein Projekt, um den Energiemangel auf der Insel zu überwinden. Funktionieren die Anlagen noch?
Von uns gespendete Photovoltaikanlagen sind auf Industriedächern von Pharmabetrieben im Umfeld von Havanna installiert, wo der Sturm nicht wütete. Ihr Strom wird direkt in Betriebe für die Produktion von Medikamenten eingespeist. Als vor einem Jahr ein Hurrikan über Havanna aufzog, gab es an den Anlagen auch kaum schlimme Schäden. Sie sind resistent gegen Stürme aufgebaut, damit der Wind keine Angriffsfläche hat. Die von uns gelieferte Anlage liefert seit vier Jahren Strom, ohne dass es irgendeinen Schaden gegeben hätte. Verschleißteile mussten nicht nachgeliefert werden, Wartungskosten fielen nicht an.
Die Volksrepublik China errichtet weiterhin fleißig Solarparks auf Kuba. Wie ist das politisch zu werten?
Es hilft, die Energiekrise zu überwinden und teilweise marode Ölkraftwerke zu ersetzen. Wegen des durch die USA verursachten Devisendesasters ist die Ölförderung rückläufig, zum Beispiel durch Ersatzteilmangel für die Pumpen. Ohne Energie funktioniert auf Kuba nichts, weder die Lebensmittelversorgung noch die Zuckerproduktion oder die industrielle Produktion. Der öffentliche Nahverkehr kann nur sporadisch fahren. Chinas Lieferungen heben den Solaranteil über zehn Prozent an der gesamten Stromversorgung und kompensieren so die schlimmsten Auswirkungen der Sanktionen der Trump-Regierung. Um die zu lockern, muss der politische Druck steigen.
Wer wäre in der Lage und auch willens, diesen Druck auszuüben?
90 Prozent der UNO, insgesamt 165 Staaten, forderten Ende Oktober das Ende der Blockade gegen Kuba. Zwölf enthielten sich, sieben waren dagegen. Aber wirklich getan wurde nichts, um die USA zu bewegen, ihre Wirtschafts-, Handels- und Finanzembargos zu unterlassen. Auch die deutsche Regierung gibt ein jämmerliches Bild ab. Um so wichtiger ist die Solidarität etwa von China und Vietnam. Kuba merkt gerade jetzt, nach dem Hurrikan, dass es Freunde auf der Welt hat.
Sollten die Industrieländer Schadenersatz leisten, weil die durch sie verursachte Klimakrise die sozialistische Inselrepublik belastet?
Die Forderungen der südlichen Staaten, ihnen Ausgleichszahlungen zu leisten, sind berechtigt. Kuba trägt kaum zur globalen Erderwärmung bei, leidet aber unter den Folgen. Der ansteigende Meeresspiegel greift die Küsten an. Die Hurrikanintensität hat sich seit dem Jahr 2000 verdreifacht. Wir können als kleiner Verein nur minimal dazu beitragen, die Krise abzumildern, haben es aber geschafft, eine Energiemenge zu ermöglichen, wie sie von 4.000 Balkonkraftwerken ausgehen würde. Unser neues Projekt versorgt Studierende der Lateinamerikanischen Medizinischen Hochschule (ELAM) in Havanna mit Solarpanelen.
Lothar Reininger ist Vorstandsmitglied des Netzwerkes Interred Cooperación e. V. und Projektverantwortlicher für gespendete Solaranlagen auf Kuba.
Mehr Infos: interred-org.de
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