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Aus: Ausgabe vom 07.11.2025, Seite 4 / Inland
NSU-Prozess in Dresden

Mehr als ein »Trio«

Dresden: 14 Jahre nach Auffliegen des NSU beginnt der Prozess gegen Zschäpe-Vertraute
Von Kristian Stemmler
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Vor dem Dresdner Oberlandesgericht erinnerten am Donnerstag Demonstranten an die Verbrechen des NSU

Anders als es Begriffe wie »Trio« oder »Zelle« nahelegen, hat die faschistische Gruppe »Nationalsozialistische Untergrund« (NSU) nicht im Alleingang operiert und gemordet, sondern war eingebunden in ein Netzwerk von Unterstützern. Zu diesem soll auch Susann E. gehört haben, engste Vertraute von NSU-Kernmitglied Beate Zschäpe. Am Donnerstag hat vor dem Oberlandesgericht Dresden der Prozess gegen E. begonnen – fast auf den Tag 14 Jahre nachdem die Leichen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im thüringischen Eisenach gefunden wurden und der NSU aufflog.

Zum Prozessauftakt schwieg die Angeklagte, der die Bundesanwaltschaft unter anderem Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorwirft. Seine Mandantin werde sich zu den Vorwürfen »vorerst nicht äußern«, erklärte einer der Anwälte von E. Sie machte lediglich wenige persönliche Angaben. Die gelernte Hauswirtschafterin und mehrfache Mutter lebt demnach in der Nähe von Zwickau und ist als Pflegekraft tätig.

Susann E. ist die Frau des Neonazis André E., der im Juli 2018 im Münchner NSU-Prozess zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war, weil er Mundlos und Böhnhardt etwa Wohnungen verschafft und Wohnmobile angemietet hatte. Ähnliches wird seiner Frau vorgeworfen. Susann E. soll laut Anklage Zschäpe mindestens fünfmal ihre Krankenkassenkarte für eine Zahnarztbehandlung überlassen haben.

Außerdem soll sie dem NSU ihre Personalien zur Beschaffung von Bahncards zur Verfügung gestellt haben, erklärte der Vertreter der Bundesanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Wolfgang Barrot, laut AFP. Die Angeklagte habe zudem Zschäpe und Böhnhardt zu einem Abholtermin für ein Wohnmobil gefahren. Dieses nutzten Böhnhardt und Mundlos für ihren letzten Raubüberfall in Eisenach im November 2011. Anschließend wurden die beiden Täter in dem Wohnmobil erschossen – laut offizieller Version begingen sie Suizid.

Mit Zschäpe habe die Angeklagte ab 2006 eine »intensive und vertrauensvolle Freundschaft« mit gemeinsamen Aktivitäten und Ausflügen geführt, sagte Barrot. Spätestens ab dem Jahr 2007 soll E. gewusst haben, dass Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos rassistische Morde und Sprengstoffanschläge begangen hatten. Ungeachtet dessen »entschied sie sich, ihre Freundin Zschäpe und das Trio in der Illegalität weiter zu unterstützen«, erklärte der Oberstaatsanwalt. Bei einer Verurteilung droht E. eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Vor dem Gericht demonstrierten dutzende Menschen, hielten Plakate hoch mit Aufschriften wie »Das Problem heißt immer noch Rassismus« und »Naziterror bekämpfen und Betroffene entschädigen«. Für den Prozess sind 42 Termine bis Ende Juni 2026 angesetzt.

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