Doppeldenkfabrik
Von Pierre Deason-Tomory
In der Deutschlandfunk-Familie waltet mutmaßlich eine Redaktion für Wahrheit ihres Amtes, die dafür zuständig ist, die Sprache der Senderwirklichkeit anzupassen. Das tut sie, indem sie unseriöse Begriffe durch regelbasiertes Vokabular ersetzt, etwa das negativ-feindliche »Problem« durch die proaktive »Herausforderung«. Kein Grund zur Aufregung, das Publikum findet’s gut. Die Hörer haben bei der alljährlichen Abstimmung für die sogenannte Denkfabrik ein Diskussionsthema gewählt, dessen Fragestellung schon Propagandanebel verbreitet: »Das Recht des Stärkeren und wie Machthaber die Welt neu ordnen.« Als ob in der guten alten Welt bis neulich nicht das Recht des Stärkeren geherrscht hätte – in Vietnam. Jugoslawien. Afghanistan. Irak.
Wir sehen, der Deutschlandfunk und sein Empfängervolk verstehen sich prächtig! Redakteure und Hörer werden jetzt ein Jahr lang miteinander beschwatzen, wie man dem US-amerikanischen Hegemon dabei helfen könnte, aufstrebende Schwellenländer so lange mit Menschenrechtsfolklore zu bombardieren, bis sie alle ihre seltenen Erden herausrücken. Zu schade, dass die Deutschlandradios nicht mit Benzin laufen, sonst könnte man die »Denkfa-brik« vom saudi-arabischen Ölmulti Aramco sponsern lassen. Im Gegenzug würde DLF Kultur live vom Halsabschneiden im WM-Stadion von Riad berichten, immer sonntags vor der christlichen Kurzandacht. Darin spricht in dieser Woche übrigens Pfarrer Jörg Michael über »Das Jüngste Gericht. Hölle oder Gnade – was kommt zum Schluss?« (So., 7.05 Uhr).
Ich hoffe doch, ein Gnadenschuss, möchte man die Frage beantworten, denn siehe: »Wer Pläne macht, wird ausgelacht«, entmutigt das zweigeteilte aktuelle Soloprogramm von Johann König, aufgenommen im April in Wrecklinghausen (Di. und Mi., 20.03 Uhr, WDR 5). Nichts zu lachen haben die indischen Kurierfahrer in der neuen Ausgabe der »Deep Doku«, die sich »Im Lieferdienst-Universum« verdingen müssen (Mi., 19.05 Uhr, Radio 3). In der Seniorenresidenz Hill Topp zieht Corona ein, das Personal verschwindet und die Bewohner drehen auf feine englische Art frei. Das ist das Szenario von Alan Bennetts zuletzt erschienenem Lustspiel »See you later«, aus dem Florentin Groll lesen wird (Do., 11.05 Uhr, Ö 1).
Am Wochenende sendet NDR Kultur einen Hörspielklassiker der Molière-Komödie »George Dandin oder Der gefoppte Ehemann« von Kurt Ehrhardt (NWDR 1952, Fr., 18.05 Uhr), der RBB überträgt live vom »Jazzfest Berlin« (Sa., 20.03 Uhr, Bremen Zwei, BR Klassik, NDR Kultur, Radio 3, SR Kultur, SWR Kultur, WDR 3) und der Deutschlandfunk bringt das Hörspiel des Monats Oktober der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste, »Vom Gebrauch des Menschen« von Aleksandar Tišma (MDR, NDR 2025, Sa., 20.05 Uhr).
Hier haben wir noch vier Stücke mit drei Premieren: Die ersten zwei bzw. drei Folgen der Serie »Lamyas Buch der Scharlatane« von Amal El Ommali und Andrea Geißler (HR 2025, Ursendung, So., 14.04 Uhr, HR 2 Kultur, 15.05 Uhr, Bayern 2, 17.04 Uhr, SR Kultur). Das Hörspiel »Mama Mega« von Ava Tabita Yul über das therapeutische Brechen von Muttitabus und Erziehungsregeln (RBB 2025, Ursendung, So., 16.05 Uhr, Mo., 19.05 Uhr, Radio 3). Robert Wilsons Bearbeitung von Alfred Jarrys Groteske »Ubu« (DLF Kultur 2023, So., 18.30 Uhr), und schließlich beginnt die 14teilige Lesung des in diesem Jahr auf Deutsch veröffentlichten Romans »Das Game« von Joseph Incardona, eingesprochen von Lou Strenger (BR, MDR, SWR 2025, Mo., 9.04 und 19.04 Uhr, MDR Kultur).
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