Für den Kiez statt für den Krieg
Von Niki Uhlmann
Der Rüstungsgigant und Regierungsliebling Rheinmetall stellt sein Werk in Berlin-Wedding von der Auto- auf die Rüstungszulieferung um. Das stößt vor Ort selbstredend nicht nur auf Zustimmung, weshalb am vergangenen Sonntag gegen die auch in Berlin wieder sichtbar werdende Kriegsindustrie demonstriert wurde. Aufgerufen hatte das Berliner Bündnis gegen Waffenproduktion unter der eingängigen Parole: »Geld für den Kiez statt Waffen für den Krieg.«
Rund 750 Menschen kamen gegen 14 Uhr zum Nettelbeckplatz, unter ihnen linke Gruppen, Mitglieder von Parteien bzw. von deren Jugendverbänden und viele weitere mehr oder minder organisierte Friedensbewegte. Palästinasolidarische Aktivisten stellten einen eigenen Block. Dieser Schulterschluss ergibt sich aus der Verstrickung der Bundesrepublik in Israels Krieg gegen Gaza und seine sukzessive Landnahme im Westjordanland. Das sind Orte, an denen die Munitionshülsen, die Rheinmetall ab 2026 nahe dem Volkspark Humboldthain fertigen lassen will, letztlich zum Einsatz kommen.
Hierzulande »ist das erste Opfer der deutschen Kriegsvorbereitung die Sozialpolitik«, leitete ein Vertreter des Stadtteilkomitees Wedding eine der Reden mit einer unvollständigen Liste von Kürzungen ein: unbeheiztes Freibad, weniger freie Jugendarbeit und mangelhafte Suchtberatung. Das sei allerdings erst der Anfang, plane die Bundesregierung doch, ab 2030 faktisch die Hälfte des Haushalts für das Militär aufzuwenden. Künftig werde das Komitee die Nachbarschaft bei Haustürgesprächen über die ruinösen Folgen des Militarismus aufklären, um einen antimilitaristischen Kiez aufzubauen: »Wir wollen keine Waffen made in Wedding!«
Auch anderswo will man das nicht. Eine Vertrauensfrau der IG Metall bei Mercedes in Bremen verwies auf den sogenannten Operationsplan Deutschland, mit dem die Regierung bundesweit »Krankenhäuser, Straßen und Betriebe zum Kriegsgebiet erklärt« und »den Kriegs- zum Normalzustand macht«. International liefen gegen solche Vorhaben bereits Arbeitskämpfe, von denen die deutschen Gewerkschaften sich »eine Scheibe abschneiden« sollten. In Griechenland sei es zwei Dutzend organisierten Arbeitern gelungen, einen Zug mit Panzern zum Umkehren zu zwingen, in Italien werde aus Solidarität mit Palästina gestreikt. Da in der Bundesrepublik verstärkte Repressionen gegen antimilitaristische Beschäftigte wie zuletzt bei der DHL absehbar seien, brauche es unter und mit Kriegsgegnern fortan unbedingte Solidarität: »Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter!« Dafür gab es viel Applaus.
Insgesamt waren aber auffallend wenige Gewerkschafter vertreten. Einzelne IG-Metall-Vertreter haben sich inzwischen auf die Seite Rheinmetalls geschlagen. Im Juni gaben der Betriebsratsvorsitzende Bernd Benninghaus und sein Stellvertreter Martin Wolfgang Hoffmann ein Interview. Ersterer nannte die Umstellung des Werks in Berlin »ein in die Zukunft gerichtetes positives Zeichen«. Immerhin würden »alle Produktionsarbeitsplätze am Standort erhalten« und perspektivisch noch ausgebaut. Nur »Einzelfälle von Kollegen« störten sich an der Rüstungsindustrie, zumal der ganze Prozess »voll mitbestimmt« ablaufe.
Trotz der überschaubaren Mobilisierung für die Demo am Sonntag war reichlich Polizei vor Ort. Im Fokus stand dabei wie immer die Palästina-Solidarität, der das Zeigen dreieckiger Wassermelonen untersagt wurde. Da man sich daran hielt, fanden die Beamten andere Vorwände, um auf die Menge einzuprügeln, etwa ein zu hoch gehaltenes Banner. Cem Ince, Mitglied der Bundestagsfraktion Die Linke, kritisierte gegenüber jW, dass die Polizei auf der »komplett friedlichen« Demonstration eskaliert sei und ihn als parlamentarischen Beobachter davon abgehalten habe, die polizeilichen Maßnahmen zu beaufsichtigen. Diesen Vorwurf bestätigte die Polizei umgehend, und Ince wurde wenig später ins Gesicht geschlagen und in Gewahrsam genommen. Am Tag zuvor war bereits die Linke-Bundestagsabgeordnete Lea Reisner am Rande einer palästinasolidarischen Demo von einem Polizisten ins Gesicht geschlagen worden.
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