Rekordrallye bei Firmenpleiten
Von Oliver Rast
Sie erzielen eine Bestmarke nach der anderen. Sie produzieren in Serie: Pleiten. Unternehmensbosse konkurrieren sich zugrunde, fighten vergeblich um »Marktanteile«. Zwischenergebnis: Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen hat den höchsten Stand seit zwölf Jahren erreicht, teilte die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) am Montag mit. Die aktuellsten Daten des Statistischen Bundesamtes beziehen sich auf Juli 2025. Demnach haben Geschäftsführer und Vorstände in Deutschland 13,4 Prozent mehr Regelinsolvenzen beantragt als im Vorjahresmonat.
Die Gründe, dreierlei. Rückläufige Exporte – besonders in die USA –, sinkende Industrieproduktion und schwache Konjunktur, so DIHK-Chefanalyst Volker Treier. »Das sind keine guten Nachrichten für den Wirtschaftsstandort Deutschland.« Und der Dachverband der deutschen gewerblichen Wirtschaft prognostiziert für das laufende Jahr mehr als 22.000 insolvente Unternehmen. Im Schnitt rund 60 täglich.
Immer mehr zahlungsunfähige Unternehmen seien ein »multifaktorielles Phänomen«, wurde Christoph Niering am Montag in einer Stellungnahme zitiert. Externe Ereignisse gehörten dazu. Etwa verursachten Lieferkettenstörungen, Naturkatastrophen und geopolitische Krisen »unerwartete Betriebsstörungen«, weiß der Vorsitzende des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter (VID). Wichtig: »Überbordende Bürokratie« sei indes kein Hauptfaktor eines Konkurses.
Das Problem: Ein Bankrott betrifft zuallererst Mehrwertproduzenten, nicht die Chefetagen. »185.000 Beschäftigte sind allein im vergangenen Jahr Opfer von Firmenpleiten geworden – ein trauriger Rekord«, sagte die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht am Montag jW. Der Pleitegeier kreise längst über hiesigen Betriebslandschaften. »Deutschland steckt in der ›Merzession‹«, so Wagenknecht weiter. Ein Giftmix aus immer höheren Staatsschulden, schrumpfender Wirtschaft und steigender Arbeitslosigkeit.
Ähnlich äußerte sich Janine Wissler (Die Linke). »Die Rekordzahlen bei Firmeninsolvenzen sind ein klares Alarmsignal«, so die Vizevorsitzende ihrer Bundestagsfraktion am Montag zu jW. Dabei hätten es nicht nur exportabhängige Branchen extrem schwer, gleichfalls der klassische Einzelhandel und die Gastronomie. Was tun? »Es braucht eine Umverteilungspolitik, damit die Mehrheit der Bevölkerung endlich mehr Geld im Portemonnaie hat.« Dafür könne die Bundesregierung viel tun, beispielsweise die Verwirklichung »höherer Löhne durch bessere Tarifbindung, Einkommensteuersenkungen für Klein- und Mittelverdiener, eine Stärkung der Renten und der Sozialleistungen, vor allem für arme Familien und Kinder«.
Und DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell betonte auf Nachfrage dieser Zeitung: Die Investitionen aus dem Sondervermögen müssten zügig und gezielt in eine bessere Infrastruktur und einen Ausbau der Digitalisierung fließen. »Auch bei Förderprogrammen zur sozialökologischen Modernisierung der Wirtschaft brauchen wir mehr Investitions- und Planungssicherheit.« Mehr noch, um eine akute Deindustrialisierung zu stoppen, »muss ein echter Industriestrompreis kommen«.
Ist eine Trendwende in Sicht? Offenkundig nicht. Da scheinen sich viele Beobachter einig. Das heißt: Die Rallye geht weiter. Von Firmenpleite zu Firmenpleite.
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa19.01.2019
Standesorganisation DGB
- Oliver Berg/dpa04.09.2018
Mangel hausgemacht
- Sven Hoppe/dpa19.07.2017
Unattraktive Lehrstellen
Mehr aus: Inland
-
Die Champions gegen die drei R
vom 14.10.2025 -
Für den Kiez statt für den Krieg
vom 14.10.2025 -
Kreditfalle Militarisierung
vom 14.10.2025 -
Deutsche Reeder für globalen Klimaschutz
vom 14.10.2025 -
»Wir haben keine Auskunft erhalten«
vom 14.10.2025 -
»Faktisch wird das System ausgetrocknet«
vom 14.10.2025