»Wir werden das Gespräch vor dem Werkstor suchen«
Interview: Niki Uhlmann
Ein Standort des Rüstungskonzerns Rheinmetall in Berlin-Wedding produzierte bislang Bauteile für die Automobilindustrie. Was hat Rheinmetall mit dem ehemaligen Pierburg-Werk vor?
Die Fabrik wird jetzt von der Rheinmetall Waffe Munition GmbH verwaltet. Der Name verrät schon, wo die Reise hingeht. Ab 2026 sollen dort Munitions- und Granatenhülsen gefertigt werden. Weil wir weder im Wedding noch irgendwo auf der Welt eine Waffenproduktionsfabrik haben wollen, protestieren wir.
Wer ist »wir«?
Das Berliner Bündnis gegen Waffenproduktion setzt sich aus rund 20 linken Nichtregierungsorganisationen, einigen Orts- und Jugendgruppen der Linken, Gewerkschaftern und Privatpersonen zusammen. Nach der ersten Demonstration im Mai wurde das Bündnis gegründet und ist seitdem beträchtlich gewachsen.
In Ihrem Aufruf kritisieren Sie, dass Berlin nun Rüstungsstandort wird. Wie stehen die Anwohner dazu?
Im Sinne des Völkerrechts wäre die Fabrik im Kriegsfall ein legitimes Angriffsziel. Dafür schaffen wir gerade mit Infoständen Bewusstsein. Wir hören oft heraus: Die Nachbarschaft will mehrheitlich nicht, dass 200 Meter weiter Waffen hergestellt werden. Gerade Eltern junger Kinder danken uns des öfteren für unseren Einsatz.
Wie rechtfertigt die Berliner Regierung das?
Die Umstellung fügt sich in die Mobilmachung ein. Auch die Hauptstadt soll »kriegstüchtig« werden, heißt es. Die Regierung will auch an den Profiten, die in der Rüstungsproduktion winken, beteiligt werden. Interessant ist, dass bislang keine grandiosen Stellungnahmen veröffentlicht wurden. Ich vermute, dass die Politik den Widerstand der Bevölkerung fürchtet und die Angelegenheit deshalb herunterspielt.
Antimilitaristische Proteste hat die Regierung aber auf dem Kieker. Rechnen Sie mit Repressionen?
Wir haben vorab irrsinnige Auflagen bekommen. Unter anderem dürfen wir keine »dreieckigen Wassermelonen« zeigen. Das erinnere zu sehr an Kennzeichen der Hamas. Da die Auflagen noch nicht schriftlich vorliegen, konnten wir noch nicht rechtlich dagegen vorgehen. Es sollte klar sein, dass ein Wassermelonenverbot vor Gericht nicht zu verteidigen ist. Die Polizei versucht einen Vorwand zu schaffen, um unseren Protest am Sonntag zu knüppeln. Das Knüppeln bei palästinasolidarischen Demonstrationen in Berlin ist inzwischen so sicher wie das Amen in der Kirche.
Man unterstellt dem Bündnis also Antisemitismus?
So ist es. Der Staat greift die palästinasolidarische Schlagseite unseres Protests auf, um uns zu verteufeln. Unser Antimilitarismus soll verunglimpft werden, weil er gesellschaftlich extrem anschlussfähig ist. Umgekehrt gehen Antimilitarismus und Palästina-Solidarität Hand in Hand. Dass hier Waffen produziert werden, die Israel dann in seinen genozidalen Kriegen einsetzt, stört inzwischen eine Mehrheit der Bevölkerung.
Wie sieht es im Werk aus? Sind Gewerkschaft und Beschäftigte für Ihren Protest offen?
Wir haben Kontakte zur IG Metall. In ihren höheren Rängen ist Demilitarisierung trotz des Bekenntnisses zum Frieden in der Satzung aber allenfalls sekundär. Primär geht es um Arbeitsplätze, wobei Kriegsproduktion oft gebilligt wirkt. In diesem Fall gehen aber sogar Arbeitsplätze verloren. Momentan zählt das Werk fast 350 Arbeitsplätze, von denen etwa 40 im Zuge des Umbaus eingestampft werden sollen. Auch zur Belegschaft haben wir einzelne Kontakte, die aber anonym bleiben wollen. Gerade ist es schwer, die Beschäftigten zu erreichen, weil sie an anderen Standorten arbeiten oder umgeschult werden. Das Gespräch vor dem Werkstor werden wir künftig suchen. Dass es im Werk Widerstand gibt, sagt auch die IG Metall.
Weiß das Bündnis von anderen beziehungsweise baldigen Rüstungsstandorten in Berlin?
Standorte dieser Größe sind mir nicht bekannt. Darum fokussieren wir vorerst die Kriegsproduktion im Wedding. Zumal die Umstellung noch verhindert werden kann, wenn genügend Berliner und insbesondere die Belegschaft, die nach der Umschulung besonders wertvoll für Rheinmetall ist, Einspruch erheben. Um mit weiteren Menschen ins Gespräch zu kommen, werden wir im Dezember einen antimilitaristischen Wintermarkt veranstalten.
Joschua Giese ist Schüler und Sprecher des Berliner Bündnisses gegen Waffenproduktion
Aufruf: kurzlinks.de/keinewaffen
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