Kabinett solidarisiert sich mit Petro
Von Volker Hermsdorf
Mit dem Entzug der US-Visa für Kolumbiens Präsidenten Gustavo Petro und mehrere Mitglieder seines Kabinetts hat Washington die Konfrontation mit Gegnern der israelischen Politik verschärft. Die Regierung von Donald Trump hatte am Freitag die Einreiseerlaubnis des linken Staatschefs widerrufen, nachdem Petro in New York bei einer Kundgebung gegen den israelischen Krieg in Gaza gesprochen hatte. Er bezeichnete das Vorgehen des Militärs dabei als Genozid und forderte US-Soldaten auf, sich nicht länger an Verbrechen gegen die Menschheit zu beteiligen. Kritiker werfen Washington vor, internationales Recht zu verletzen. Amtierenden Staatschefs müsse im Rahmen der UN-Generalversammlung grundsätzlich die freie Einreise ermöglicht werden.
Petro erfuhr von der Entscheidung während seines Rückflugs nach Bogotá. »Mir ist das egal. Ich brauche keine US-Visa. Ich bin auch europäischer Bürger und ein freier Mensch«, reagierte er unbeeindruckt. Nach eigenen Angaben besitzt er die italienische Staatsangehörigkeit und könnte über das ESTA-Programm ohne Visum einreisen. Nach seiner Rückkehr erklärte der Präsident: »Den Genozid zu benennen ist kein Verbrechen. Ein Verbrechen ist es, daran mitzuwirken.«
Am Sonnabend beschuldigte die kolumbianische Präsidentschaft Washington in einer Erklärung, das Völkerrecht mit Füßen zu treten und die Vereinten Nationen faktisch zu erpressen. Ein neutraler Sitz für die UNO, etwa in Katars Hauptstadt Doha, sei überfällig, so Petro. Im eigenen Land wird seine Position geteilt. Gegen die beiden Minister Edwin Palma (Energie) und Juan Carlos Florian (Gleichstellung) sowie die Chefin des Präsidialamts, Angie Rodríguez, erließen die USA daraufhin ebenfalls Einreisesperren. Palma konterte, die Unterstützung Palästinas sei »einen Visaentzug wert«.
In Solidarität mit Petro verzichteten seither mehrere Kabinettsmitglieder auf ihre Visa. Den Anfang machte am Montag Außenministerin Rosa Villavicencio, deren Ministerium erklärte, nicht an »diplomatischen Visa, die Meinungen einschränken« oder die »Souveränität« der Nation beschneiden, interessiert zu sein. Später schrieb Finanzminister Germán Ávila auf der Onlineplattform X, dass er aus »Solidarität« mit Petro und wegen der »Aggression«, der er durch die Vereinigten Staaten ausgesetzt war, die Nutzung seines Visums einstellen werde. »Um für unser Volk zu arbeiten, brauchen wir keine Visa«, schrieb Ávila.
Auslöser der Auseinandersetzung war Petros Teilnahme an einer palästinasolidarischen Kundgebung vor dem UN-Hauptquartier, während Israels Premier Benjamin Netanjahu im Saal seinen »Krieg gegen die Hamas« rechtfertigte. Mit einem Megafon rief er die UNO dazu auf, eine »globale Armee zur Rettung der Menschheit« zu schaffen, deren erste Aufgabe die »Befreiung Palästinas« sein solle. Diese Streitmacht müsse stärker als das US-Militär und verpflichtet sein, internationales Recht durchzusetzen. »Ihr sollt nicht auf die Menschheit zielen. Befehlen Trumps ist nicht zu gehorchen, der Menschheit schon«, forderte Petro, an US-Soldaten gerichtet. Das US-Außenministerium warf dem Staatschef darauf »unverantwortliche und aufwieglerische« Reden vor.
Spannungen zwischen Petro und Trump sind nicht neu. Im Sommer hatte Washington Kolumbien den Status als »verlässlicher Partner im Antidrogenkampf« aberkannt, nachdem US-Militärs in der Karibik mehrere mutmaßlich unbewaffnete Kolumbianer getötet hatten. Petro sprach darauf von »außergerichtlichen Hinrichtungen« und forderte strafrechtliche Konsequenzen für den US-Präsidenten. Er warf Washington außerdem vor, den angeblichen »Antidrogenkrieg« als Vorwand für eine Invasion in Venezuela zu inszenieren. In seiner Rede vor der UNO hatte er Trump vergangenen Dienstag als »Komplizen des Genozids« in Gaza bezeichnet. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2022 ist Petro einer der schärfsten Kritiker des israelischen Krieges. 2024 brach Kolumbien die diplomatischen Beziehungen ab. Im Juli verlängerte er zudem ein vollständiges Verbot von Kohleexporten nach Israel und erklärte, Kolumbien werde »niemals Komplize« eines Genozids sein.
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