In gefährlichen Gewässern
Von Carmen Eckhardt
Die humanitäre »Global Sumud Flotilla« ist weiter auf Kurs, die israelische Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen. »Die letzte Nacht war gut, wir konnten uns alle an das Sicherheitsprotokoll halten. Es gab aber einige Menschen, die sehr aufgebracht waren«, sagt Louna Sbou, Organisatorin auf der »Paola 1«, gegenüber jW. Sie versah am Mittwoch in den frühen Morgenstunden den Wachdienst, als eine Fregatte der israelischen Marine eine Einschüchterungsaktion startete. Das Führungsschiff »Alma« wurde gefährlich nah umkreist, die Kommunikationssysteme an Bord wurden aus der Ferne deaktiviert. Dieses Manöver wiederholte das Kriegsschiff bei anderen Booten der Hilfsflotte. Dann drehte es ab. Sbou hat vorsorglich die Sicherheitsprotokolle aktiviert, auch um die Besatzung auf ein mögliches Kidnapping vorzubereiten. Am Tag zuvor schon war der »Paola 1« mutmaßlich ein U-Boot gefolgt. Das Echolot hatte in tiefen Gewässern nur 4,5 Meter über Grund angezeigt, etwas hatte sich über einen längeren Zeitraum unter dem Schiff befunden.
Die aus circa 40 Schiffen bestehende Flottille befindet sich inzwischen unmittelbar in der Hochrisikozone. Die Situation ist besorgniserregend. Die italienische Marinefregatte »Alpino« zum Schutz der Hilfsmission ist angesichts des Erreichens des von Israel reklamierten Seegebiets 150 Seemeilen vor der Küste des Gazastreifens abgedreht. Das Kriegsschiff stehe italienischen Aktivisten zur Verfügung, die Boote der Flottille verlassen möchten. Dies könne unter Einhaltung internationaler Vorschriften und Sicherheitsmaßnahmen erfolgen, teilte der Generalstab der Marine mit. Die Fregatte werde nicht weiter in Richtung Gazastreifen vorrücken, um eine mögliche Konfrontation mit Israel zu vermeiden. Ein spanisches Marinekriegsschiff tat es ihr am Mittwoch gleich. Umweltminister Óscar Lopez erklärte: »Wir sind so weit gegangen, wie wir konnten.« Die Fregatte werde an dieser Grenze bleiben, um Hilfe zu leisten. Man habe die Aktivisten aufgefordert, sie nicht zu überschreiten. Unklar ist, wie es um die türkische Marine steht, die die Flottille ebenfalls begleitet hatte.
Israels Propagandamaschine läuft unterdessen auf Hochtouren. In einer Erklärung vom Dienstag beschuldigte das dortige Außenministerium die Flottille, unter der Führung der Hamas zu stehen und »ohne Genehmigung und unter Verletzung des Völkerrechts zu segeln, um die Blockade des Gazastreifens, der auch als Kriegsgebiet definiert ist, zu durchbrechen«. Zwei auf X veröffentlichte Dokumente sollten eine »direkte Beteiligung der Hamas an der Finanzierung und Durchführung der Sumud-Flottilla beweisen«. Angeblich wurden die Dokumente im Gazastreifen entdeckt und würden nun zum ersten Mal veröffentlicht. In den Trümmern scheint es noch anderes zu entdecken zu geben für die israelische Propaganda als Tod und unermessliches Leiden.
Eine Sprecherin der Flottille, Maria Elena Delia, bezeichnete die Behauptung Israels als »Propaganda«: »Die vorgelegten Papiere beweisen weder die Finanzierung noch die Kontrolle der Global Sumud Flotilla durch die Hamas«, sagte sie. Israel wiederholt ein beunruhigendes Muster, das bereits 2010 bei der »Mavi Marmara« bedient wurde – einem Vorfall vor 15 Jahren. Damals weigerten sich sechs zivile Schiffe einer von den Organisatoren als »Gaza Freedom Flotilla« bezeichneten Flotte, nach ähnlichen Beschuldigungen und einer Warnung der israelischen Marine anzuhalten. Sie wurden in internationalen Gewässern des Mittelmeers überfallen, zehn Menschen dabei getötet. Jede Person wisse, worauf sie sich eingelassen hat, sagt Louna Sbou. Jede Nacht würden Drills und Trainings durchgeführt. Abgesprungen ist bislang niemand.
Das Auswärtige Amt und dessen Leiter Johann Wadephul (CDU) reagierten bis Redaktionsschluss nicht auf die jW-Anfrage, wie die BRD den Vorgaben der Genfer Konventionen bezüglich der Hilfslieferung der Flottille gerecht werden wolle, an die sie völkerrechtlich gebunden ist. Schließlich sind Angriffe auf humanitäre Helfer als Kriegsverbrechen einzustufen. Eine weitere Frage bleibt ebenfalls unbeantwortet: Wie gedenkt der Außenminister die auf den Booten befindlichen deutschen Bürger vor Gewalt zu schützen?
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