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Aus: Ausgabe vom 15.07.2025, Seite 7 / Ausland
Treffen zu Gazakrieg

Druck auf Israel erhöhen

In Kolumbien kommen Staaten der »Gruppe Den Haag« zusammen, um Tel Avivs Straflosigkeit etwas entgegenzustellen
Von David Siegmund-Schultze
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Lautstarke Solidarität mit Gaza: Ein übliches Bild in Kolumbien (Bogotá, 29.11.2023)

Sie wollen der Straflosigkeit Israels etwas entgegenstellen: An diesem Dienstag und Mittwoch kommen die Staaten der »Gruppe Den Haag« in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá zusammen. Sie wollen konkrete Maßnahmen gegen Tel Aviv beschließen, damit das Land den genozidalen Krieg im Gazastreifen beendet. Es wird das erste Treffen des im Januar in Den Haag gegründeten Zusammenschlusses sein, dem zunächst Südafrika, Senegal, Namibia, Bolivien, Honduras, Malaysia und Kolumbien angehörten – nun sind noch Kuba und Belize hinzugekommen.

Sein Ziel ist es, Druck zur Umsetzung der Entscheidungen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) und des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zum Schutz der Palästinenser und zur Durchsetzung ihrer Rechte aufzubauen. Neben der Einhaltung der entsprechenden Urteile – inklusive des vom IStGH erlassenen Haftbefehls gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu – hatten die Staaten sich bereits in Den Haag zu einem Waffenembargo und dem Verbot der Nutzung ihrer Häfen für Schiffe, die Rüstungsgüter oder Treibstoff nach Israel liefern, verpflichtet.

Kolumbiens Präsident Gustavo Petro kündigte das Treffen der Länder aus dem globalen Süden am Donnerstag in einem Kommentar in der britischen Zeitung The Guardian an: »Ohne entschlossenes Handeln laufen wir Gefahr, die globale Rechtsordnung ihrer letzten Schutzmechanismen für weniger privilegierte Nationen zu berauben.« Im September 2024 habe die UN-Generalversammlung entschieden, dass Israel binnen zwölf Monaten die völkerrechtswidrige Besatzung der palästinensischen Gebiete beenden muss. »Die Uhr tickt jetzt«, so Petro. Viel zu viele Staaten würden sich aber von strategischen Kalkulationen leiten lassen, statt ihren rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen – etwa wirtschaftliche Beziehungen mit israelischen Firmen in den besetzten Gebieten einzustellen. Petro hatte bereits im Mai 2024 den Krieg in Gaza als Genozid bezeichnet und jegliche diplomatische Beziehungen mit Tel Aviv abgebrochen. Auch die historisch enge militärische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern wurde durch Kolumbiens Präsident aufgekündigt.

Neben Delegationen unter anderem aus China, Katar und Portugal werden auch der Exparteivorsitzende der britischen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, und Francesca Albanese, UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete, bei dem Treffen sein. Die erst vergangene Woche von den USA sanktionierte Albanese ließ auf X wissen: »Es ist eine Ehre, die Gruppe Den Haag in ihrem Kampf für Gerechtigkeit und Frieden auf der Basis der Menschenrechte zu unterstützen.«

Bis jetzt haben jedoch weder die Maßnahmen der Gruppe noch UN-Resolutionen oder Urteile internationaler Gerichte Wirkung erzielen können – Israel führt den Krieg im Gazastreifen mit unveränderter Brutalität fort. Am Montag tötete die Armee mindestens 28 Palästinenser, darunter Menschen in der Nähe einer Verteilstelle für Hilfsgüter. Das berichtet Al-Dschasira unter Berufung auf die Gesundheitsbehörde der Enklave. Am Vortag hatte das Militär demnach 95 Menschen getötet.

Derweil ist von den indirekten Gesprächen zwischen Hamas und Israel zu einer 60tägigen Waffenruhe und einem Geiselaustausch keinerlei Fortschritt zu vernehmen. Am vergangenen Mittwoch hatte die israelische Regierung die Forderung eingebracht, dass 40 Prozent des Küstenstreifens – inklusive der Stadt Rafah im Süden – dauerhaft unter Israels Kontrolle gestellt werden sollen. Zwei Tage zuvor hatte Verteidigungsminister Israel Katz angekündigt, auf den Trümmern Rafahs werde eine »humanitäre Stadt« errichtet, in die die Bevölkerung Gazas »umgesiedelt« werden soll – bevor diese »freiwillig« in Drittländer »ausreisen« soll.

Israels Oppositionsführer Jair Lapid übte am Sonntag Kritik an dem Plan: Der Bau des Lagers sei zu teuer und aus jeglicher Perspektive – sicherheitstechnisch, politisch, ökonomisch und logistisch – eine »schlechte Idee«, sagte er im Radioprogramm der Armee – moralische Einwände äußerte er nicht. Expremier Ehud Olmert (2006–2009) konstatierte gleichentags gegenüber der britischen Tageszeitung The Guardian: »Es ist ein Konzentrationslager. Es tut mir leid.«

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