Tickets für die Rosa-Luxemburg-Konferenz
Gegründet 1947 Donnerstag, 2. Oktober 2025, Nr. 229
Die junge Welt wird von 3036 GenossInnen herausgegeben
Tickets für die Rosa-Luxemburg-Konferenz Tickets für die Rosa-Luxemburg-Konferenz
Tickets für die Rosa-Luxemburg-Konferenz
Online Extra
02.10.2025, 15:05:41 / Ausland
Ukraine-Krieg

Nordukraine ohne Strom

Russische Angriffe auf Energieinfrastruktur sorgen für Stromausfall und Chaos in Sumi, Tschernihiw und Kiew
Von Reinhard Lauterbach
2025-10-01T162704Z_371269268_RC2Q1HABGA53_RTRMADP_3_UKRAINE-CRIS
Schutzvorkehrungen gegen russische Drohnenangriffe in der Ukraine

Eine neue Welle russischer Angriffe auf Objekte der ukrainischen Energieversorgung hat in der Nacht zum Donnerstag in den nördlichen Bezirken Sumi und Tschernihiw zu stundenlangen Stromausfällen geführt. Betroffen war auch die einst als Wohnort für die Beschäftigten des Atomkraftwerks Tschernobyl errichtete Stadt Slawutitsch. An dem stillgelegten AKW entstand offenbar kein Schaden. In Kiew sorgten über der Stadt und dem nahegelegenen Kiewer Stausee kreisende Drohnen für ein Chaos im morgendlichen Berufsverkehr. Die U-Bahn stellte den Betrieb zwischen den Stadtteilen rechts und links des Dnipro ein, weil nicht klar war, ob die Drohnen nicht die Brücken – die U-Bahn überquert den Fluss oberirdisch – angreifen würden. Ziel russischer Angriffe war auch ein Eisenbahndepot in Odessa, wo ein Beschäftigter Splitterverletzungen davontrug.

An der Front setzen russische Einheiten offenbar ihren langsamen Vormarsch auf dem Gebiet des Bezirks Dnipropetrowsk fort. Die ukrainische Seite DeepState bestätigte den Verlust mehrerer Ortschaften in diesem und dem westlich anschließenden Bezirk Saporischschja. Kiew meldete dagegen Abwehrerfolge bei Dobropillja nördlich von Pokrowsk. Russland gab an, Kontrolle über die Stadt Kupjansk im Bezirk Charkiw zu gewinnen. Hier werde schon in der Innenstadt gekämpft. Die ukrainischen Behörden sperrten den Zugang zu der Stadt und stellten auch die Evakuierung von Zivilisten ein. Banken und Kliniken sind ohnehin schon länger geschlossen.

Charakteristisch für die Lage im Kampfgebiet ist, dass beide Seiten nur noch kleine Gruppen von Soldaten einsetzen. Denn größere Ansammlungen von Kämpfern laufen Gefahr, von Drohnenpiloten der gegnerischen Seite entdeckt und getötet zu werden. Das Schema ist offenbar, dass Stoßtrupps der einen Seite auf Quads, Fahrrädern oder sogar zu Fuß in die dünn besetzten Stellungen des Gegners eindringen und dessen Abwehrfeuer auf sich zu ziehen versuchen. Anschließend werden die Positionen der Verteidiger geortet und an die Drohnenabteilungen weitergegeben. Diese versuchen dann, die Stellungen zu zerstören und ihre Besatzung zu töten. Beide Seiten klagen darüber, dass es entlang der Frontlinie auf jeweils 20 Kilometer Tiefe eine »Todeszone« gebe, in der entdeckte Soldaten nur noch minimale Überlebenschancen hätten.

Eine technisch-taktische Neuerung hat sich offenbar Russland einfallen lassen: Die schon seit längerem verwendeten Drohnen, die mithilfe von bis zu 20 Kilometer langen Glasfaserkabeln mit dem Bediener verbunden sind – sie können nicht durch elektronische Kampfmittel abgelenkt werden, weil sie über die Kabel gesteuert werden –, tragen nach ukrainischen Angaben neuerdings bis zu vier weitere Drohnen auf dem »Rücken«. Wenn die Reichweite der Mutterdrohne nach 20 Kilometern erschöpft ist, geht sie zu Boden und steuert die Tochterdrohnen, die anschließend noch 20 Kilometer weiterfliegen und das ukrainische Hinterland unsicher machen können. Zuletzt war von Angriffen solcher Drohnen etwa auf Evakuierungstransporte in Richtung Slowjansk berichtet worden.

Indirekt bestätigt wird diese Entwicklung durch einen jüngsten Presseartikel des früheren ukrainischen Oberbefehlshabers Walerij Saluschnij. Er schreibt darin von einer neuerlichen Stagnationsphase der Kämpfe, bei der allerdings Russland die Chance habe, das annähernde Gleichgewicht zu seinen Gunsten zu verändern. Saluschnij rief die ukrainische Regierung auf, die Anstrengungen, technologisch Schritt zu halten, zu zentralisieren und zu verstärken. Sollte der Oberbefehlshaber sich entscheiden, als Präsidentschaftskandidat anzutreten, hätte er gute Chancen, gewählt zu werden und sich anschließend an dieser Aufgabe zu versuchen. Gegenwärtig ist er Botschafter der Ukraine in London und gilt dort als gut vernetzt mit dem britischen Geheimdienst MI6. Ebenfalls aus Großbritannien und mutmaßlich vom MI6 inspiriert, kamen am Donnerstag in mehreren Medien Spekulationen über eine bevorstehende ukrainische Offensive gegen die Krim oder einen größeren Sabotageangriff auf die Brücke von Kertsch auf.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.