Abrechnung mit Exmachthaber
Von Christian Selz, Kapstadt
Ein Militärgericht in Kinshasa hat den ehemaligen Präsidenten der Demokratischen Republik (DR) Kongo, Joseph Kabila, zum Tode verurteilt. Ihm waren Hochverrat, Kriegsverbrechen, Verschwörung und das Organisieren eines Aufstands zusammen mit der vom Nachbarland Ruanda unterstützten Miliz »M 23« vorgeworfen worden. Der Richterspruch erging in Abwesenheit Kabilas, der sich auch von niemandem vertreten ließ.
»In Anwendung von Artikel 7 der Militärstrafgesetzgebung ist hier eine einzige Strafe vorgesehen, nämlich die höchstmögliche, die Todesstrafe«, erklärte Generalleutnant Joseph Katalayi, der dem Tribunal vorstand, am Dienstag bei der Urteilsverkündung. Dennoch verhängte das Gericht sehr wohl eine weitere Strafe: Kabila soll umgerechnet 28 Milliarden Euro an den Staat sowie an die vom Vormarsch der »M 23« betroffenen Provinzen Nord- und Südkivu zahlen. Die Summe übersteigt selbst die von Kabila und dessen Familie während seiner kleptokratischen Herrschaft mutmaßlich veruntreuten dreistelligen Millionensummen um ein Vielfaches. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass das Geld je fließen wird. Vielmehr gilt das Urteil als symbolisch. Es soll in erster Linie verhindern, dass Kabila, dessen Aufenthaltsort derzeit unbekannt ist, die Opposition in der DR Kongo von neuem vereinigen kann.
Das Urteil ist eine weitere Eskalationsstufe in der Fehde des Exstaatschefs mit der aktuellen Führung um Präsident Félix Tshisekedi. Kabila, der 2001 nach der Ermordung seines 1997 an die Staatsspitze gelangten Vaters Laurent-Désiré Kabila die Macht übernommen hatte, hätte gemäß Verfassung eigentlich bereits 2016 nach zwei Amtszeiten abtreten müssen. Er zögerte jedoch Wahlen hinaus und blieb so bis Anfang 2019 im Amt. Bei den vorhergehenden Wahlen von Ende 2018 hatte Kabila zwar seinen Wunschkandidaten nicht durchsetzen können. Wahlbeobachter unter anderem der Afrikanischen Union äußerten aber Zweifel am angeblichen Sieg Tshisekedis. Durchgestochene Ergebnisse der Wahlkommission zeigten damals, dass ein anderer Oppositionskandidat die meisten Stimmen erhalten hatte. Kabila soll jedoch einen Pakt mit Tshisekedi geschlossen haben. Darauf deutete damals die Tatsache hin, dass der neue Präsident den alten Machthaber nicht nur als »Partner im demokratischen Wandel« bezeichnete, sondern dessen Vertrauten Sylvestre Ilunga gar zum Premierminister bestimmte. Kabila selbst wurde zum Senator auf Lebenszeit ernannt und genoss somit lange Immunität.
Doch der Pakt zerfiel. 2023 ging Kabila ins Exil. Im selben Jahr machte er Tshisekedi öffentlich für die Eskalation des Konflikts mit der »M 23« verantwortlich. Er nährte damit Gerüchte, er könne versuchen, mit Hilfe der von Ruanda gesteuerten Miliz erneut die Macht zu übernehmen. Schließlich hatte schon Kabilas Vater mit Unterstützung Ruandas und Ugandas sowie der USA den Langzeitdiktator Mobutu Sese Seko gestürzt. Im Mai dieses Jahres goss Kabila dann weiteres Öl ins Feuer, als er die von der »M 23« kontrollierte kongolesische Grenzstadt Goma besuchte und sich im Beisein von Milizsprecher Lawrence Kanyuka mit lokalen Geistlichen traf. Tshisekedi brandmarkte Kabila daraufhin als Unterstützer der Miliz, der Exstaatschef wiederum bezeichnete sich selbst als Vermittler und seinen Nachfolger als Diktator. Kurz darauf hob der Senat in Kinshasa Kabilas Immunität auf, um das nun abgeschlossene Verfahren zu ermöglichen.
Die Vorwürfe, für die der Expräsident nun verurteilt wurde, stehen in direktem Zusammenhang mit den der »M 23« zur Last gelegten Kriegsverbrechen. Kinshasa erreicht mit dem Urteil zweierlei: Es schließt Kabila formal von einem politischen Wirken in der DR Kongo aus. Sonderlich wahrscheinlich wäre das nach dessen Gang ins Exil aber ohnehin nicht gewesen. Auf der anderen Seite ermöglicht das Urteil der »M 23«, nun das Kabila-Lager auf seine Seite zu ziehen. Die Chancen auf einen Verhandlungsfrieden im umkämpften, rohstoffreichen Osten der DR Kongo sind dadurch nicht gestiegen.
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