Stärker, aber chancenlos
Von Henning von Stoltzenberg
Nach den Stichwahlen um kommunale Spitzenposten in Nordrhein-Westfalen haben die Parteien ihre Ergebnisse bewertet und politische Konsequenzen diskutiert. SPD-Landesvorsitzende Sarah Philipp sprach am Montag im Deutschlandfunk vom Verlust des Oberbürgermeisteramts in Dortmund als »schmerzvoller Niederlage«. Dort hatte die Partei über Jahrzehnte fest verankert regiert, nun aber erstmals seit fast 80 Jahren den Rathausposten an die CDU verloren. Philipp betonte, das müsse vor Ort aufgearbeitet werden. Gleichzeitig könne kein Rathaus auf Dauer »gepachtet« sein. Wichtig sei, die positiven Ergebnisse nicht zu übersehen: In mehreren Städten sei die SPD gestärkt aus den Stichwahlen hervorgegangen.
Tatsächlich erlebte die Partei ein Wechselbad der Gefühle. Neben der Niederlage in Dortmund feierte sie große Erfolge: Nach zehn Jahren gewann sie die Millionenstadt Köln zurück. Torsten Burmester wird dort künftig Oberbürgermeister. In Oberhausen setzte sich Thorsten Berg nach einem knappen Rennen gegen Amtsinhaber Daniel Schranz (CDU) durch. Auch in Mülheim an der Ruhr, Bochum und Wuppertal stellten sich die Wähler mehrheitlich hinter die Sozialdemokraten. Damit verfügt die SPD über 13 Oberbürgermeister in NRW und bleibt stärkste kommunale Kraft.
Der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil zeigte sich trotz des Dortmunder Rückschlags erleichtert. »Das zeigt: Wo wir vor Ort stark verankert sind, können wir mit unserer Politik erfolgreich sein«, sagte er den Blättern der Funke-Mediengruppe. Besonders wichtig sei das Signal, dass die AfD in keiner einzigen Stichwahl Erfolg hatte.
Die CDU konnte in zentralen Städten ihre Position festigen oder ausbauen. Düsseldorfs Amtsinhaber Stephan Keller (CDU) gewann souverän seine zweite Amtszeit, Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen geht bereits in seine dritte Ratsperiode. Auch in Bonn und Aachen entschieden CDU-Kandidaten die Stichwahlen für sich, und in Bielefeld sowie Leverkusen gewannen sie gegen ihre SPD-Kontrahenten. CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst sprach von einem »Votum für eine pragmatische, lösungsorientierte, christdemokratische Politik der Mitte«. Die CDU habe in den vergangenen fünf Jahren in NRW gute Arbeit geleistet, was nun honoriert worden sei.
Die AfD, die bei den Kommunalwahlen vor zwei Wochen ihr Ergebnis auf 14,5 Prozent fast verdreifachen konnte, blieb bei den Stichwahlen ohne Erfolg. In Duisburg setzte sich SPD-Amtsinhaber Sören Link mit 78,6 Prozent klar gegen den AfD-Kandidaten Carsten Groß durch. In Hagen gewann CDU-Bewerber Dennis Rehbein, in Gelsenkirchen die SPD-Sozialpolitikerin Andrea Henze. Dort war im Vorfeld ein AfD-Erfolg nicht ausgeschlossen worden, da die Partei bei den Ratswahlen fast 30 Prozent erreicht und beinahe die SPD überholt hätte.
Deutlich schwieriger war die Lage für die Grünen. Sie konnten zwar in Münster erstmals den Oberbürgermeister stellen, mussten dafür aber in Bonn und Aachen ihre bisherigen Spitzenposten abgeben. In Köln scheiterte ihre Kandidatin Berivan Aymaz deutlich. Schon bei den landesweiten Kommunalwahlen hatten die Grünen deutliche Einbußen verzeichnet. Parteichef Felix Banaszak sprach von einem klaren Auftrag, Vertrauen zurückzugewinnen. »Wir müssen zeigen, dass grüne Politik die richtigen Antworten auf die Fragen der Gegenwart und Zukunft liefert«, sagte er gegenüber dpa.
Die Ergebnisse verdeutlichen eine gemischte politische Landschaft: Die SPD konnte einige Hochburgen zurückerobern, verlor aber symbolträchtig in Dortmund. Die CDU festigte ihre Position in wichtigen Städten. Die AfD bleibt trotz Zugewinnen bisher chancenlos in den Spitzenämtern. Die Grünen mussten – außer in Münster – Rückschläge hinnehmen. Damit bleibt Nordrhein-Westfalen politisch ein umkämpftes Bundesland, in dem SPD und CDU ihre Machtbasis behaupten, während kleinere Parteien zwischen Aufbruch und Ernüchterung schwanken.
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