Es soll geschossen werden
Von Kristian Stemmler
Die Union lässt keine Bedrohung ungenutzt, erst recht keine hausgemachte. Die nicht abreißende Reihe ominöser Drohnensichtungen am Himmel über den NATO-Staaten Polen, Dänemark, Norwegen und andernorts nutzen CDU und CSU, um die Ermächtigung von Militär und Polizei voranzutreiben. Auf Vorstöße seiner Schwesterpartei auf Bundesebene folgte Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder. Am Montag hat er nach einer Sitzung seines Parteivorstands in München angekündigt, der bayerischen Polizei mit einem Drohnenabwehrgesetz das »sehr schnelle« und »selbständige« Abschießen von kleinen, unbemannten und ferngelenkten Flugobjekten zu erlauben. Söder wolle dabei eng mit der Bundesregierung abgestimmt vorgehen.
Diese hat vielmehr den Einsatz der Bundeswehr im Inneren im Sinn. »Wir haben in Deutschland jemanden, der die Fähigkeit hat, und der muss auch die Möglichkeit bekommen, Drohnenangriffe wirksam abzuwehren«, sagte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Thomas Röwekamp (CDU), am Montag im ZDF-»Morgenmagazin«. Dazu müsse rechtlich »Klarheit geschaffen« werden. Röwekamp unterstütze die Pläne von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), der am Wochenende die Errichtung eines speziellen Kompetenzzentrums angekündigt hatte, mit dem Bund, Länder und Bundeswehr vernetzt werden sollen. Außerdem kündigte der Minister eine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes an. Das Land erlebe jeden Tag »Ausspähungshandlungen« über militärischer, aber auch ziviler Infrastruktur, behauptete der CDU-Politiker. »Wir sind nicht mehr im Frieden, wir werden bedroht durch Russland schon jetzt und müssen darauf eine geeignete Antwort finden«, sagte Röwekamp.
Man müsse sich darüber im klaren sein, dass Überflüge von Drohnen »Tests insbesondere der Russen sind, wenn es darum geht, wie stark wir und wie entschlossen wir bereit sind, uns zu verteidigen«, behauptete Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) am Montag gegenüber den Sendern RTL/N-TV. Es gelte, jetzt »starke Signale« zu senden sowie entschlossen zu zeigen, dass man sich so etwas nicht bieten lasse. Frei erklärte, dass die Zwischenfälle in Skandinavien Diskussionsgegenstand auf der bevorstehenden Kabinettsklausur sein werden.
Um die Umsetzung zeigten sich zunächst Berufsvereinigungen der Polizei besorgt. »Ein reiner Abschuss von Drohnen im Inland«, gerade im Bereich von kritischer Infrastruktur wie etwa Flughäfen, sei »ein kaum kalkulierbares Risiko«, sagte Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für die Bundespolizei, gegenüber der Rheinischen Post. Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Dirk Peglow, meldete rechtliche Bedenken an. Der Einsatz der Bundeswehr im Inland sei nur unter »ganz engen, klar definierten Voraussetzungen« erlaubt, etwa bei einer Naturkatastrophe, sagte er dem Handelsblatt.
Als »Experte« war Michael Schöllhorn, Vorstandschef der Airbus-Militärsparte, im Podcast des Bild-Gesichts Paul Ronzheimer zu Gast und warnte: Die Bundesrepublik sei nicht gut auf die Abwehr feindlicher Drohnen vorbereitet. Das gelte sowohl für Abwehrwaffen als auch für die rechtliche Situation, sagte der Rüstungsmanager. »Ich glaube, unser System braucht zu lange, um sich an die sehr, sehr schnell wachsende Bedrohungslage anzupassen.« Eine Drohne könne im Zweifel nur die Bundeswehr abschießen. Es gebe dafür aber kaum eine geeignete Bewaffnung. Über einer Stadt werde man keine Luft-Luft-Rakete einsetzen können, sagte Schöllhorn.
Tatsächlich verfügt die Bundeswehr bereits über die zum Einfangen von kleineren Drohnen notwendige Technologie. So hat der Hersteller Argus Interception die Lieferung von mit Netzen ausgestatteten Abfangdrohnen mittlerweile abgeschlossen, wie das Fachportal hartpunkt.de am Freitag unter Verweis auf Unternehmensangaben berichtete. »Unsere Technologien sind nicht nur militärisch relevant – sie schützen auch kritische Infrastrukturen«, teilte Geschäftsführer Sven Steingräber demnach mit.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (30. September 2025 um 13:20 Uhr)Eine Drohne schnell abzufangen, ist eine große Herausforderung. Zwar lassen sich kleinere Drohnen grundsätzlich zum Beispiel mit einer Schrotflinte, oder mit einem Maschinengewehr abschießen. Doch in besiedeltem Gebiet besteht die Gefahr, dass durch die Projektile oder durch die herabstürzende Drohne Personen verletzt werden oder Sachschäden entstehen. Eine Alternative sind Netzkanonen, die ein Netz über die Drohne werfen. Allerdings stürzt sie dann ebenfalls ab. Was ebenfalls zum Einsatz kommt, sind elektronische Systeme. Diese funktionieren bei kommerziellen Drohnen, indem sie dem Fluggerät einen Befehl schicken, dass es landen soll. Bei manipulierten oder nichtkommerziellen Systemen versagt das System. Mit einem Störsender lässt sich die Fernsteuerung einer Drohne auch komplett unterbrechen, was je nach Modell zum Absturz oder zu einer kontrollierten Landung führt. Im Umfeld eines Flughafens kann ein solches Störsignal aber möglicherweise unerwünschte Folgen haben. EU-»Drohnenwall« gegen Russland bleibt weiterhin vage.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Limassol (30. September 2025 um 11:02 Uhr)Die Politik muss natürlich auch regeln, wie mit fliegenden Untertassen umzugehen ist. Bis dahin könnte man die Beschäftigung mit den wirklich dringenden Problemen des Landes und seiner Bevölkerung nicht nur teilweise, sondern auch komplett aussetzen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (29. September 2025 um 20:46 Uhr)»Drohnensichtungen«: Welche Arten von Drohnen wurden denn gesichtet? Bei mir ist ist aus dem Mediengelaber der letzten Tage nur die Art »Multikopter« angekommen. Der Versuch, brauchbare Informationen zu Geschwindigkeit und Reichweite von solchen Teilen zu finden, endet recht unspektakulär. Die google-KI schreibt: »Beispiele für Reichweiten: Hobby-Drohnen: Diese haben oft eine Reichweite von wenigen Kilometern. Professionelle Systeme (z.B. für Rettungsdienst): Theoretische Anforderungen: Laut einer Studie der ADAC Luftrettung sind für die Verbesserung der Notfallversorgung ab einem Einsatzradius von 25 bis 30 Kilometern eine Mindestreichweite von etwa 150 Kilometern und eine Fluggeschwindigkeit von 100 bis 150 km/h notwendig. Simulationen: Solche Einsatzradien und Reichweiten wurden durch Computersimulationen auf Basis historischer Daten in Modellregionen durchgespielt, um das Potenzial von Multikoptern im Rettungsdienst zu untersuchen.« Lassen wir einmal die Reichweite beiseite und überlegen, wie lange ein solches Teil für mehrere hundert Kilometer bräuchte: Mehrere Stunden. Es muss ja irgendwo gestartet worden und wieder gelandet sein. Diese Annahme wird von der Berichterstattung erzwungen. Hätte man so ein Teil irgendwo gefunden und seinen Ursprung als »russisch« nachweisen können, was wäre da für ein medialer Sturm losgebrochen worden. Man wird wohl nicht weit von den Tatsachen enfernt liegen, wenn man folgert, dass die UFOs von für gewöhnlich gut informierten Interessenten gelenkt wurden und der kognitiven Kriegführung gegen die eigene Bevölkerung dienen. Das eigene Volk war ja stets die Geisel der Herrschenden, nicht nur im Krieg.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Stephan K. aus Neumarkt i.d.OPf. (29. September 2025 um 20:02 Uhr)Mir ist vollkommen unklar, warum Drohnen, die unbefugt Territorien oder gar sicherheitsrelevante Bereiche überfliegen (oder Privatsphäre verletzen) nicht abgeschossen werden oder nach geltendem Recht nicht abgeschossen werden dürfen. Wenn ich als Person über eine Kasernenmauer oder -zaun klettere, muss ich damit rechnen, erschossen zu werden. Sind bisher die Drohnen vielleicht nur nicht abgeschossen worden, weil sonst schnell klar würde, dass sie mit Russland nichts zu tun haben? Könnte das Geheimnis der Herkunft der Drohnen sich sonst aufklären? Gibt es bisher überhaupt nur einen einzigen stichhaltigen Beweis für alle möglichen Formen der russischen hybriden Kriegsführung? Gibt es einen einzigen Beleg dafür, dass russische Drohen hier oder in Dänemark über Kasernen und Flughäfen kreisen?
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