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Aus: Ausgabe vom 26.09.2025, Seite 7 / Ausland
Libyen-Affäre

Sarkozy hinter Gittern

Libyen-Affäre: Fünf Jahre Gefängnis für französischen Expräsidenten wegen Bildung krimineller Vereinigung
Von Hansgeorg Hermann
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Vor dem Urteil offenbar noch siegesgewiss: Sarkozy betritt am Donnerstag das Gericht in Paris

Frankreichs früherer rechter Staatschef Nicolas Sarkozy muss ins Gefängnis, obwohl er am Donnerstag morgen vor Gericht zunächst mit einem lediglich halben Schuldspruch davongekommen war. Angeklagt wegen Korruption, illegaler Finanzierung seiner Wahlkampagne 2007, Bildung einer kriminellen Vereinigung und Veruntreuung öffentlicher Gelder, ließen die Richter des Nationalen Finanzgerichtshofs (PNF) nur die Komplizenschaft in einem kriminellen »Pakt« übrig, der seinerzeit die Kampagne des damaligen Präsidentschaftskandidaten mit Millionen Euro aus dem damals von Muammar Al-Ghaddafi regierten Libyen finanziell absichern sollte. Dem partiellen Schuldspruch folgte einige Stunden später allerdings das von PNF-Präsidentin Nathalie Gavarino im Detail begründete unerwartet harte Strafmaß: fünf Jahre Gefängnishaft, die im Gesetz für dieses Delikt vorgesehene Höchststrafe, die er in den nächsten Wochen – noch vor einem neuerlichen Prozess in einer von seinen Anwälten sofort angekündigten Berufung – antreten muss.

Die Anklage hatte im Februar sieben Jahre Freiheitstrafe, davon ein Jahr in geschlossener Haft, sowie 300.000 Euro Geldstrafe gefordert. Der seine »völlige Unschuld« reklamierende frühere Staatschef ließ ausrichten, »selbst ein einziger Tag« in Haft sei »ein Tag zuviel«. Sarkozy verwies noch im Gerichtsgebäude auf die angeblich »ausschließliche Verantwortung« seiner ehemaligen »Mitarbeiter«, die »die Idee einer illegalen Finanzierung meiner Kampagne hatten«. Es gebe seit Donnerstag »kein Vertrauen mehr in die französische Justiz – das Urteil ist ein Skandal, das ist Frankreich heute«.

Das Strafmaß und der sofortige Vollzug der Gefängnishaft wurden von der Politikerkaste des Landes als »unerhörter Vorgang« mit einiger, sogar öffentlich gezeigter »Betroffenheit« aufgenommen. Bis zum Donnerstag galt Sarkozy, in der sogenannten Abhöraffäre zu Beginn des Jahres bereits zu einem Jahr Gefängnis verurteilt und bis Mai Träger einer elektronischen Fußfessel, immer noch als graue Eminenz, wahlweise als »böser Geist« der Pariser Politikszene: Berater des aktuellen Präsidenten Emmanuel Macron, erste Anlaufstelle des neuen Premierministers Sébastien Lecornu, Dinergesprächspartner des Anführers des ultrarechten Rassemblement National (RN), Jordan Bardella …

Überschattet wurde der Prozess vom plötzlichen Tod eines der wichtigsten Zeugen der Anklage, des frankolibanesischen Geschäftsmanns und Waffenschiebers Ziad Takieddine, am Tag vor der Urteilsverkündung. Takieddine galt nicht nur als unverzichtbarer Unterhändler, der zwischen den Vertrauten Sarkozys und Ghaddafis das von den Ermittlern beklagte Finanzierungsgeschäft auf Gegenseitigkeit begleitet habe. Er hatte zwischenzeitlich Sarkozy und dessen Leute – insbesondere dessen ehemaligen Kabinetts- und Kampagnenchef Claude Guéant sowie Sarkozys später zum Innenminister ernannten Jugendfreund Brice Hortefeux – schwer belastet. Den beiden Mitangeklagten habe er unter anderem fünf Millionen Euro Bargeld aus libyschen Kassen übergeben. Im Gegenzug sollte Sarkozy für die internationale politische Rehabilitierung des bis dahin im Westen als »Paria« isolierten libyschen Präsidenten sorgen. Eine Bedingung, die einige Monate nach Sarkozys Wahlsieg mit einem pompösen Empfang Ghaddafis in Paris – Staatsbankett in Versailles, Beduinenzelt im Park des Gästehauses Hôtel de Marigny – nach Ansicht der Ermittler auch erfüllt wurde.

Übrig blieb nach dem Urteil vom Donnerstag auch ein Bauernopfer: Sarkozys Schatten Guéant, der »alles kontrollierte, alles entschied, alles abzeichnete«, wie ehemalige Subalterne zu Protokoll gaben, die ihm deshalb den Beinamen »Kardinal« verpasst hatten. In allen drei Anklagepunkten schuldig gesprochen, schluckte Guéant – im Gegensatz zu Sarkozy und Hortefeux, der zwei Jahre Haft erhielt – mit sechs Jahren die Hauptschuld für den, wie sein ehemaliger Chef zu Recht bemerkte, »Skandal«, der nach Ansicht politischer Beobachter »systemisch« ist: Seit Jahrzehnten seien nahezu alle Staatschefs und Regierungen der V. Republik letztlich in kriminelle Entscheidungen und Handlungen einbezogen gewesen.

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