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26.09.2025, 14:00:00 / Ausland
Nahostkonflikt

Gaza-Flottille auf Kurs

Israel attackiert Aktivisten in internationalen Gewässern. Italien und Spanien entsenden Marine, Deutschland diffamiert Teilnehmer
Von Carmen Eckhardt
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Ablegen in Kreta: Auf dem Seeweg sollen die Schiffe die israelische Blockade durchbrechen (25.9.2025)

»Wir lassen uns von psychologischer Kriegsführung nicht einschüchtern«, sagt die Berlinerin Luna Sbou. Sie ist als »Organiser« der »Global Sumud Flotilla« für das Boot »Paola 1« zuständig. Schon im malerischen Hafen von Portopalo im Süden Siziliens, dem Startpunkt der »Paola 1« und weiterer Schiffe, wurden regelmäßig Drohnen gesichtet. Zunächst weit entfernt und nicht gefährlich erscheinend.

Seit dem 19. September ist die »Paola 1« mit seiner achtköpfigen Besatzung unterwegs in internationalen Gewässern mit direktem Kurs auf Gaza. Seither kein Abend, an dem nicht Drohnen beobachtet wurden – unter anderem bewaffnungsfähige Aufklärungsdrohnen vom Typ »Heron 1« – von israelischen Luftstreitkräften eingesetzt, mit einer Reichweite von mehr als 1.000 Kilometern.

Es weht ein frischer Herbstwind, Stürme stehen an. Die Flottille befindet sich in internationalen Gewässern auf der Höhe von Kreta, circa 600 Seemeilen von Gaza entfernt, dem Ziel der Mission. In der Nacht auf Mittwoch kreuzten plötzlich an die 15 Drohnen lautlos über der Flottille. »Um 22.07 Uhr erfolgte der erste direkte Angriff auf unser Boot. Ein lauter Knall und ein sehr helles Licht trafen unmittelbar am Mast in der Nähe des Steuerrads«, so erinnert Hakan, deutscher Teilnehmer auf der »Maria Christina«, den gewaltsamen Angriff.

Zu den eingesetzten Drohnen gehörten waffenfähige Quadrocopter – Drohnen mit vier Rotoren. Elfmal warfen sie Brand- und Sprengvorrichtungen auf neun der Boote ab, vier sind dabei beschädigt worden. Und es wurden Chemikalien abgeworfen. »Ein Quadrocopter flog nur drei Meter über uns, wir sind sofort in Deckung gegangen. Glücklicherweise wurde niemand verletzt«, sagt Louna.

Der Drohnenangriff ist völkerrechtswidrig. Gemäß Artikel 70 des Zusatzprotokolls I zu den Genfer Konventionen sind Transporte von Hilfsgütern und humanitärem Personal sowie Schiffe, die mit der Lieferung lebenswichtiger Güter an bedürftige Zivilisten befasst sind, geschützt – so das humanitäre Völkerrecht.

Entsprechend wurden Behörden und Medien von unterstützenden Teams der Flottille informiert. Während die italienische Regierung zwei Marineschiffe zur Beobachtung losgeschickt hat, erklärt Pedro Sánchez, spanischer Ministerpräsident, dass die Bürger der 45 Nationen, die an der Hilfsmission teilnehmen, jedes Recht hätten, unversehrt im Mittelmeer zu segeln. »Die spanische Regierung fordert, dass das Völkerrecht eingehalten wird«, sagte er und entsandte seinerseits ein Patrouillenboot von Cartagena an die Küste Israels.

Auf wiederholte Anfrage äußert ein Pressesprecher des Auswärtigen Amtes, was seine Behörde zum Schutz der deutschen Bürger an Bord der Flottille zu tun gedenke. Sie stünden mit der israelischen Regierung in Kontakt und hätten sie zur Einhaltung völkerrechtlicher Pflichten in ihrem Vorgehen aufgefordert, so der nicht namentlich genannte Sprecher gegenüber den Organisatoren der Flottille. Das Auswärtige Amt habe dazu aufgerufen, den Schutz der an Bord Befindlichen unbedingt zu gewährleisten. Darauf, dass deutsche Staatsbürger bereits in internationalen Gewässer angegriffen worden sind, geht er mit keinem Wort ein. Desweiteren äußert er: »Die israelische Regierung hat öffentlich gemacht, dass sie den Schiffen der Flottille keinen Zugang zu einem aktiven Kriegsgebiet gewähren und die Fahrt nach Gaza verhindern wird. Das Risiko eines – auch gewaltsamen – Eingreifens der israelischen Seite, um die Flottille zu stoppen, ist daher gegeben.« Heißt im Klartext: kein Schutz der Flottille durch die deutsche Regierung. Ein gewaltsames Vorgehen gegen deutsche Staatsbürger wird in Kauf genommen.

Das Auswärtige Amt agiert anscheinend wie ein Sprachrohr des israelischen Regimes. Längst läuft eine Verleumdungskampagne gegen die Menschenrechtsaktivisten der Mission, indem ihnen Kontakte zum Terrorismus unterstellt werden. Dass die dabei unterstellte »Kontaktschuld« ein Rechtsinstitut aus der Nazizeit ist, fällt unter den Tisch. Tür und Tor zum gewaltsamen Angriff der humanitären Mission durch das israelische Militär sind geöffnet – mit Duldung der deutschen Regierung.

Noch sind es rund fünf Tage, bis die Flotte Gaza erreicht. Angst greift um sich. Hakan, deutscher Teilnehmer und Organisator auf der »Maria Christina«, beteuert: »Trotz aller Angriffe und Drohungen werden wir unsere Mission unbeirrt fortsetzen.«

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