Tshisekedi pokert
Von Christian Selz, Kapstadt
Verbunden mit schweren Vorwürfen gegen die Regierung des Nachbarlands Ruanda, hat der Präsident der Demokratischen Republik (DR) Kongo, Félix Tshisekedi, zu Wochenbeginn seine Zweifel am Friedensprozess im Osten des Landes ausgedrückt. Ein von den USA im Juni vermitteltes Friedensabkommen mit Kigali habe entsprechend bisher nicht zu einer Beruhigung der Lage im Konfliktgebiet geführt, erklärte Tshisekedi auf einer Pressekonferenz am Rande der Generalversammlung der Vereinten Nationen am Montag in New York.
»Sie tun so, als würden sie ihre Truppen zurückziehen, aber in Wirklichkeit verstärken sie ihre Unterstützung für die ›M 23‹«, erklärte der kongolesische Staatschef in bezug auf die Regierung Ruandas. Diese versuche, »auf Zeit zu spielen, um die Krise zu vertiefen«. Kigali streitet seine Verbindung zu der Miliz zwar in aller Regel ab, UN-Expertenkommissionen haben aber bereits mehrfach nachgewiesen, dass die »M 23«, die derzeit weite Areale im Osten der DR Kongo hält, von Ruandas Militär nicht nur logistisch unterstützt und mit Waffen ausgerüstet, sondern faktisch gelenkt wird.
In der vergangenen Woche waren »M 23«-Truppen erneut auf mehrere Dörfer im Kongo vorgerückt. Am Sonntag flog das kongolesische Militär dann Luftangriffe auf ihre Stellungen. Direkte Friedensgespräche der kongolesischen Regierung auch mit Milizvertretern, die im Juli unter Vermittlung Katars und im Beisein eines Sondergesandten der US-Regierung zu einem ersten Waffenstillstandsabkommen geführt hatten, sind inzwischen versandet. Eine Frist zum Abschluss eines Friedensvertrags war im August ereignislos verstrichen. Anschließend kam es zwar zu neuerlichen Gesprächen, diese blieben jedoch ohne konkrete Ergebnisse. Die »M 23« verlangt von Kinshasa die Freilassung von Gefangenen, die kongolesische Regierung fordert dagegen zunächst den Abschluss eines formalen Abkommens. Tshisekedi deutete nun in New York jedoch an, dass ein erster Austausch von Gefangenen bevorstehen könnte. »Wir warten darauf, dass uns das Rote Kreuz grünes Licht gibt.«
Während Tshisekedi US-Präsident Donald Trump zwar dafür dankte, dass dieser versucht habe, den Konflikt zu befrieden, stellte er zugleich klar, dass die Vermittlungsversuche Washingtons nicht bedeuteten, »dass wir unsere Bodenschätze versteigern«. Trump hatte seine Einmischung in den Konflikt zuvor in direkten Zusammenhang mit dem präferierten Zugang zu für die Elektronik- und Rüstungsindustrie wichtigen Rohstoffen für US-Unternehmen gebracht. Tshisekedi verwies statt dessen auf eine bestehende strategische Partnerschaft seines Landes mit der Volksrepublik China. Eine »ähnliche Partnerschaft« werde derzeit mit Washington ausgehandelt, so Tshisekedi, der fortfuhr: »Und wir hoffen, dass wir sie zum Abschluss bringen.« Die DR Kongo wolle in diesem Rahmen »an der Entwicklung der Bergbauindustrie, der Wertschöpfungskette und der Infrastruktur arbeiten, mit besonderem Fokus auf den Bereich Energie«, führte der Staatschef aus.
Der Osten der DR Kongo ist bekannt für seinen Rohstoffreichtum, insbesondere an seltenen Erden. Ein offenes Geheimnis ist, dass ein großer Teil der in den von der »M 23« kontrollierten Gebieten abgebauten Mineralien über Ruanda geschmuggelt wird. Das relativ kleine, rohstoffarme Land hat dazu sogar eigene Weiterverarbeitungsanlagen aufgebaut – mit Fördermitteln der EU. Die Regierung in Kigali, an deren Spitze seit Ende des Völkermords 1994 Paul Kagame steht, gilt als treuer Verbündeter des Westens.
Tshisekedis Verweis auf die strategische Partnerschaft der DR Kongo mit China darf daher durchaus als gezielte Provokation Washingtons gewertet werden. Die Absicht dahinter dürfte die Stärkung der eigenen Verhandlungsposition in den weiteren Verhandlungen mit Ruanda sein. Die Kalkulation: Washington soll Kigali unter Druck setzen, seine Proxymiliz »M 23« abzuziehen, wenn es Zugang zu den Rohstoffen der DR Kongo bekommen möchte. Ob dieser Plan aufgeht, ist allerdings unsicher. Denn es ist wahrscheinlich, dass ein guter Teil der Bodenschätze auch jetzt schon bei Konzernen der westlichen Partner Kigalis landet.
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