Haudrauf in der verbotenen Stadt
Von Maximilian Schäffer
Sogenannte Crossovers, also Handlungsüberschneidungen zweier in sich geschlossener Welten, sind vor allem in Comics sehr beliebt. Ein Universum trifft das andere: Marvel vs. DC, Batman gegen Hulk. Simpsons kontra South Park. In letzter Zeit praktizieren auch Craft-Bier-Brauereien gerne Kooperationen ihrer Unternehmen, um irgendwelche Variationen von Indian Pale Ale auf den Markt zu werfen. Es braucht dem Konsumenten bekannte, eng definierte Genregrenzen, damit so eine Begegnung wirklich als Kollision unvereinbarer Mikrokosmen wahrgenommen werden kann. Ein neuer Film namens »Kung Fu in Rome« (OT: »La città proibita« – Die verbotene Stadt) verrät seinen Crossover-Ansatz schon im Titel: Fernöstliche Kampfkunst trifft europäisches Narrativ, B-Movie die ewige Stadt. China trifft Italien.
Leider auch: Heiterer Schwachsinn trifft bierernstes Drama. Schade, dass man zwischen den doch recht rar gesäten Kampfszenen auch ein absolut hölzern inszeniertes Gesülze um Liebe und Verrat erdulden muss. Ein Gestammel, das sich dazu noch bemüht antirassistisch gibt, aber gleichzeitig alle kulturellen Stereotypen bedient und politisch betont antichinesisch daherkommt. Und das knallharte 138 Minuten lang. Dabei sind die Martial-Arts-Passagen des Spaghettiprüglers im Gegensatz zu seinen Dialogsequenzen absolut straff und fetzig inszeniert. Hauptdarstellerin Yaxi Liu ist vor allem Stuntfrau, wirkte unter anderem in Disneys »Mulan«-Realverfilmung von 2020 mit. Grandios, die faktische Eröffnungsszene in einer chinesischen Küche, wo sie Dutzende Angreifer mit Witz und Charme und äußerster Brutalität abwehrt. Alle Bewegungen sind rasant getaktet. Da wird getreten, gestochen und frittiert. Nachdem sich garstige Schergen auf dem Boden winden, verlässt die Gute seelenruhig das Restaurant – erst jetzt verrät es sich – in der italienischen Hauptstadt.
Wie die chinesische Kung-Fu-Kämpferin dort hinkam? Der Film doziert es gleich zu Beginn: In China galt von 1977 bis 2016 die Einkindpolitik. Deswegen musste die kleine Mei zusammen mit ihrer Schwester Yun versteckt in der Provinz Fujian aufwachsen, in einem Haus mit Innenhof aus der Kaiserzeit, in dem sie von ihrem Vater auf Kampf gedrillt wurde. Wahrscheinlich, um im Widerstand gegen den Kommunismus stark zu sein – so genau spricht man das nicht aus, obwohl angebliche Grausamkeit und Unfreiheit in der Volksrepublik schon eines der Leitmotive der Handlung sind. Und weil es dort nun einmal schrecklich zugeht, wird Schwester Yun kurzerhand von der Mafia zwangsprostituiert und nach Europa verschifft. Mei macht sich auf, sie wiederzufinden.
Gleichzeitig gibt es da die Italiener: Marcello (Enrico Borello) kocht im familieneigenen Restaurant, das er mit seiner frustrierten Mutter Lorena (Sabrina Ferilli) allein betreibt, seitdem der Vater mit einer Chinesin durchgebrannt ist. Diese Chinesin ist selbstverständlich Meis Schwester. So trifft man sich. Denn auf einmal werden beide ermordet: Vater und Schwester. Da gibt es einen rassistischen Mafiaboss, dazu die Chinesenmafia und weitere dubiose Vorgänge im römischen »Chinatown« Esquilino. Ein Rachefeldzug beginnt, der gleichzeitig zur Liebesgeschichte führt. Gefühle brauchen bekannterweise wenig der Worte, deswegen verständigen sich die beiden Turteltauben konsequent per Handy-Übersetzer. Das führt zu durchaus charmanten Szenen, besonders wenn niemand den Mund aufmacht.
Regisseur Gabriele Mainetti ist bekannt für seine ungewöhnlichen Ideen, die immer freiwillig-unfreiwillig am Trash kratzen wie der Zirkus-Nazi-Film »Freaks Out« (2021) und sein Tribut an das Cyborg-Manga »Jeeg Robot« (2015). Mit genügend Chips und Bier kann auch »Kung Fu in Rome« ein vergnüglicher Film sein. Allerdings wären eher 88 statt 138 Minuten die angemessene Spieldauer für so ein mit Politik und Tränen garniertes Haudrauf.
»Kung Fu in Rome« , Regie: Gabriele Mainetti, Italien 2025, 138 Min., bereits angelaufen
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