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Aus: Ausgabe vom 14.08.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Handelskrieg

Italien verdrängt chinesisches Kapital

Auf Druck aus Washington will Rom Anteilseigner aus der Volksrepublik beschränken
Von Gerhard Feldbauer
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Die italienische Regierung bemüht sich, chinesische Anteilseigner aus Unternehmen des Landes herauszudrängen. Wie etwa das Handelsblatt am Dienstag berichtete, erwägt Ministerpräsidentin Giorgia Meloni der Forderung von US-Präsident Donald Trump nachzugeben und die Beteiligungen bei staatlichen wie privaten Unternehmen durch chinesische Investoren zu reduzieren. Meloni wolle »Spannungen mit den USA« im Umfeld des sich zuspitzenden Handelskriegs »vermeiden«, hieß es. Einem Bericht des Corriere della Serra zufolge könnte von einem solchen Vorhaben vor allem der Reifenhersteller und Formel-1-Lieferant Pirelli betroffen sein, an dem der chinesische Konzern Sinochem International aktuell noch mit 37 Prozent beteiligt ist.

Wie auch das Düsseldorfer Wirtschaftsblatt bezieht sich der Corriere auf eine Meldung der Agentur Bloomberg, wonach Melonis Aufsichtsbehörden neben Pirelli auch die Investmentgesellschaft CDP Reti im Visier haben. Denn die Holding sei zu 35 Prozent im Besitz des chinesischen Energiekonzerns State Grid Corporation of China (SGCC). Beim Kraftwerkskonzern Ansaldo Energia hat die Shanghai Electric ihren Anteil zuletzt von 40 Prozent auf nur noch 0,5 Prozent reduziert. Mit der sogenannten Golden-Power-Regel kann die italienische Regierung Unternehmen als strategisch bedeutsam oder als kritische Infrastruktur definieren und in ihre Eignerstruktur eingreifen. Bei Pirelli habe ihre Anwendung bereits vor zwei Jahren dazu gedient, Sinochem den Zugang zu hochsensiblen Sensoren in Formel-1-Reifen zu verwehren, berichtete der Corriere. Im April habe der Pirelli-Vorstand demnach auf Anweisung der italienischen Aufsichtsbehörden die Kontrollbefugnisse von Sinochem beschränkt. Das chinesische Unternehmen habe keinerlei lenkenden Zugriff mehr.

Während es sich bei Pirelli laut Bloomberg nur um den »extremsten Fall für die italienische Regierung« handele, sei auch der Zugriff bei CDP Reti bedeutsam. Denn in der Holding seien zwei Posten im Vorstand mit Führungspersonal der SGCC besetzt. Auch die mögliche Hafenübernahme der Großreederei Cosco Shipping vom Hongkonger Konzern CK Hutchison wurde in diesem Zusammenhang erwähnt. Der Hongkonger Konzern stellt 43 Häfen am Panamakanal zum Verkauf, die zunächst an ein Konsortium aus der US-Schattenbank Blackrock und der schweizerischen Reederei MSC, geleitet vom italienischen Geschäftsmann Gianluigi Aponte, gehen sollten.

Insgesamt arbeiten in Italien rund 700 Unternehmen mit chinesischer Beteiligung. Was den Unternehmen jedoch die Handlungsmöglichkeiten in den USA erschwert. So könne allein der geringe Anteil der Shanghai Electric dazu führen, dass Ansaldo Ausschreibungen in den USA verwehrt blieben, erklärte das Handelsblatt. Seit 2019 seien Neuinvestitionen aus China in der EU deutlich zurückgegangen. Im Dezember 2023 hatte Meloni – auch unter Druck aus Washington – den Austritt des Landes aus der »Belt And Road Initiative« bekannt gegeben. Bei einem fünftägigen Staatsbesuch in Beijing hatte Meloni im vergangenen Jahr dann vor allem wieder »die Festigung der Handelsbeziehungen« mit China im Blick, hieß es bei ANSA seinerzeit. Immerhin handele es sich bei der Volksrepublik um den größten Handelspartner Italiens in Asien, hieß es. Damals waren mehrere Memoranden zur Zusammenarbeit im Bildungswesen sowie in den Industriesektoren Elektromobilität und »erneuerbare« Energien unterschrieben worden.

Der Corriere della Serra zitierte einen Sprecher des chinesischen Außenministeriums mit den Worten, die Investitionskooperation zwischen Italien und China bringe »beiderseitigen Nutzen«. In der Volksrepublik »hoffe« man, dass Italien chinesischen Unternehmen »ein faires, gerechtes und diskriminierungsfreies Geschäftsumfeld« biete sowie »legitime Rechte und Interessen wirksam schützt«. Beijing habe chinesische Unternehmen bei der internationalen Zusammenarbeit stets »auf Grundlage marktwirtschaftlicher Prinzipien« unterstützt.

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