Auf wessen Kosten?
Von Gisela Sonnenburg
Die »Theaternacht Hamburg« war mal wieder ein voller Erfolg. Auch im Ballettzentrum, das den Namen von John Neumeier trägt, wurde vergangenen Samstag fleißig vor Publikum geprobt. Zudem gab es Mitmachhüpfstunden für die nicht ganz so begabte Bevölkerung. Doch hinter den Kulissen brodelt es. Das renommierte Hamburg Ballett verlor zum Spielzeitbeginn Logo und Homepage, ist jetzt vollständig an die Hamburgische Staatsoper angegliedert. Deren neues Logo besteht wiederum aus einem Piktogramm, das in strengen Linien das zentral gelegene Opernhaus abbildet. Doch gerade diesem Gebäude will der Hamburger Senat den Garaus machen.
Zur Vorgeschichte: Seit Mai 2022 bedrängt der Milliardär und mutmaßliche Steuerflüchtling Klaus-Michael Kühne seine Heimatstadt Hamburg – er wolle ihr ein neues Opernhaus finanzieren. Und zwar genau dort, wo in finsteren Kolonialzeiten die Schiffe gen Afrika ablegten: auf einer Landzunge im Hafen namens Baakenhöft. Der Senat lehnte Kühnes Ansinnen zunächst ab. Aber dann, ganz plötzlich, verkündeten im Februar 2025 Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD), der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die Kühne-Stiftung, man wolle das »Geschenk« annehmen bzw. umsetzen.
An Protest dagegen mangelt es nicht. Zu teuer, zu groß, zu unpraktisch, nicht zentral genug – der Sinn eines neuen Opernhauses erschließt sich kaum. Zwar will die Kühne-Stiftung die Baukosten tragen, doch auf den »restlichen« Ausgaben – Vorbereitung der Baufläche, Hochwasserschutz, dauerhafte Betriebskosten – bliebe Hamburg sitzen.
Mitarbeiter und Besucher der Kühne-Oper müssten zudem quer durch die Stadt und dann noch Richtung Küste fahren: Zentrale Lage geht anders. Trotzdem behauptet jetzt derselbe Kultursenator, der noch vor wenigen Jahren angab, das Traditionshaus der Hamburgischen Staatsoper könne in kleinen Schritten gut saniert werden, man müsse das Haus für eine zeitgemäße Sanierung mindestens zehn Jahre schließen. Diesen Widerspruch monierte die Hamburger Fraktion von Die Linke.
Pünktlich zum Saisonbeginn startete Marco Hosemann von der Linksfraktion eine Onlinepetition. Tenor: »Wir brauchen nicht noch ein Wahrzeichen, sondern eine demokratische, geschichtsbewusste und nachhaltige Stadtentwicklung!« Und: »Kein Megadenkmal für Kühne auf unsere Kosten«.
Kühnes Ehrgeiz, auf dem Baakenhöft etwas zu errichten, das definitiv nicht an Hamburgs Kolonialschuld erinnert, ist aber auch politisch höchst fragwürdig. Zumal auch seine Firma nicht frei von Naziverstrickungen ist. Nah beim Baakenhöft verkümmert die teure Bauruine des »Elbtower«. Auch in diesen hatte »Klaumi« Kühne investiert. Dass andererseits die Elbphilharmonie beim Hafen blüht und gedeiht, liegt an hohen Subventionen und am Marketing, das man ihr angedeihen lässt. Ob man diesen Aufwand für ein neues Opernhaus wiederholen will?
Mehr Spektakel, mehr Bühnentechnik, weniger menschliche Kunst – diese Ideen der Hamburger SPD zeichnen sich für die inhaltliche Ausrichtung der Kühne-Oper ab. Demnächst soll die Bürgerschaft – das Stadtparlament – über die Sache beraten. Die SPD hat vorgebeugt: Eine Kritikerin aus den eigenen Reihen wurde bereits aussortiert.
Für Hosemann von der Linksfraktion ist der Fall klar: »Wir haben eine herrliche Oper in der Innenstadt.« Er fordert deren Instandsetzung, und zwar »zu vernünftigen Preisen«. Mehr als 250 Millionen Euro, so Hosemann, koste die neue Oper die Hamburger Steuerzahler bereits heute. Mindestens 149 Millionen Euro kämen ab Baubeginn dazu. Ungeklärt sind die Betriebs- nebst eventuellen Reparaturkosten. Auch für das dann stillgelegte Traditionshaus zwischen Gänsemarkt und Dammtorbahnhof würde weiterhin Ausgaben anfallen: Man kann es schlecht einfach wegzaubern.
Hosemann und die Linksfraktion sind nicht allein mit ihrer Ablehnung der Senatspläne. 14 Netzwerke und Vereine waren Erstunterzeichner der Petition. Mit dabei ist das Netzwerk Hafen-City. Insgesamt wurden bisher über 5.000 Unterschriften gesammelt. Dass es nicht mehr sind, liegt nicht zuletzt daran, dass Mainstreammedien die Petition verschweigen. So befragte der NDR in der Sendung »DAS!« den Intendanten der Hamburgischen Staatsoper, Tobias Kratzer, nach seiner Meinung zur geplanten Oper. Die Petition fand keine Erwähnung.
Sogar das Wort »Kühne-Oper« wird von senatstreuen Hamburger Journalisten mittlerweile gemieden. Die SPD möchte das Schlagwort los werden, es verheißt nichts Gutes. Denn Kunstverstand wird Kühne selten attestiert. Er ist eher fürs Derbe zuständig, sponsert seit langem den HSV mit Millionensummen. Nur für das traditionsreiche, wenngleich moderne Opernhaus von 1955 hat er nichts übrig. Es ist ihm wohl nicht neu genug.
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